Offenbarung 16, 15

Siehe, ich komme wie ein Dieb. Selig ist, der da wacht und hält seine Kleider, daß er nicht bloß wandle und man nicht seine Schande sehe.
(Offenbarung 16, 15)

„Ich sterbe täglich“, sprach der Apostel. Das war das Leben der ersten Christen; wohin sie gingen, trugen sie das Leben in ihrer Hand. Wir sind in unsren Tagen nicht berufen, durch ähnliche schreckliche Verfolgungen zu gehen; wäre es der Fall, so würde uns der Herr Gnade geben, daß wir die Prüfung bestehen könnten. Dennoch sind die Prüfungen des gegenwärtigen Christenlebens, obgleich äußerlich nicht so furchtbar, viel mehr dazu angetan, uns zu überwältigen, als selbst die Leiden jener Läuterungszeit.

Wir müssen den Spott der Welt ertragen; das ist ein Kleines; ihre Schmeicheleien, ihre sanften Worte, ihre glatte Sprache, ihr kriechendes Benehmen, ihre Heuchelei sind weit schlimmer. Unsre Gefahr besteht darin, daß wir möchten reich und satt werden und uns dieser gegenwärtigen argen Welt gleich stellen und den Glauben verlieren. Oder wenn der Reichtum uns keine Gefahr bringt, so ist die Sorge dieser Welt fast noch gefährlicher.

Wenn uns der brüllende Löwe nicht zerreißt, und uns dafür der Bär zu Tode drückt, so kümmert sich der Satan wenig darum, auf welche Weise wir umkommen, wenn er nur unsre Liebe zu Christo und unser Vertrauen in Ihn vernichtet. Ich fürchte, daß die Christengemeinde unsrer Tage in viel größerer Gefahr ist, in dieser süßlichen, sanften Zeit ihren Halt zu verlieren, als in den rauhen Stürmen der Vergangenheit. Wir müssen wachsam sein, denn unser Weg führt durch eine verzauberte Gegend, und gar leicht können wir zu unsrem Unheil einschlafen, wenn nicht unser Glaube an den Herrn Jesum lebendig, und unsre Liebe zu Ihm eine brennende Flamme ist.

Gar manche, die sich heute so willig zu Christo bekennen, erweisen sich als bloße Spreu und nicht als Weizen, als Heuchler mit schöner Maske und nicht als echt geborne Kinder des lebendigen Gottes. Lieber Christ, glaube nicht, daß wir in Zeiten leben, wo keine Wachsamkeit und kein heiliger Eifer nötig sei; du hast diese Dinge nötiger als je, und möge Gott der Heilige Geist seine Allmacht in dir walten lassen, auf daß du in all diesen leichteren, wie in den kräftigeren Gefahren sagen kannst:

„In dem allen überwinden wir weit, um Des willen, der uns geliebet hat“ – „Selig ist, der da wachet, und hält seine Kleider, daß er nicht bloß wandle.“

(Charles Haddon Spurgeon)

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Unter dieser Gefahr gibt Jesus Christus selbst den Seinigen eine heilsame Warnung: „Wachet!“ – Wachen ist ein Leben des inneren Menschen, ein munterer, ungehinderter Gebrauch der geistlichen und natürlichen, durch die Gnade erneuerten Sinne, wobei der Mensch in Gottes Lichte wandelt bei sich selbst, und seiner selbst mächtig ist. In diesem Zusammenhang, aber wie überhaupt in den eschatologischen Reden Jesu hat es noch die besondere Bedeutung, auf Sein großes Kommen gerüstet zu sein, das auch hier ganz nahe ist, wann einmal der Euphrat vertrocknet.

Quelle: Handbuch der Bibelerklärung für Schule und Haus. Die wichtigsten Abschnitte der heiligen Schrift in geschichtlichem Zusammenhange ausgelegt mit übersichtlicher Angabe der nicht erklärten Stellen. Herausgegeben von dem Calwer Verlagsverein. Zweiter Band, das Neue Testament enthaltend. Mit 2 Charten. Calw, in der Vereinsbuchhandlung. Stuttgart, in Commission bei J. F. Steinkopf. 1850.
[Seite 665; Digitalisat]

Und er hat sie versammelt an einen Ort, der da heißt auf hebräisch Harmagedon. (Offenbarung 16, 16)

Aber es ist nicht nötig, anzunehmen, daß der Sammelplatz diesmal tatsächlich wieder in Megiddo sei. Bei Jerusalem wird vielmehr der Ort sein, wo einst die Heere des Römischen Reiches aus dem Westen und die Heere der Könige aus dem Osten „zur Schlacht des großen Tages Gottes“ zusammentreffen. Aber der Ort und die Schlacht wird deshalb Armageddon genannt, weil auch hier wie einst in den Tagen der Richter, der Herr vom Himmel her für sein Volk und Reich eintreten wird. Dort werden die Völker der Erde ihr Gericht finden, indem Christus unerwartet vom Himmel her über sie kommt. Darum ruft der Herr, wie früher in dem Sendschreiben an Sardes der Christenheit, so hier der Welt zu:

„Siehe, ich komme wie ein Dieb.“

Und für den bedrängten jüdischen Überrest, gegen den die Völker aus dem Westen und Osten herangezogen sind, fügt er hinzu:

„Glückselig, der der da wacht und seine Kleider bewahrt, auf daß er nicht nackt wandle und man seine Schande sehe.“ (Vers 15.)

Wie wichtig sind doch diese Worte auch für uns! Immer neu haben wir nötig, zum Wachen ermuntert zu werden. Und ach! wie leicht beflecken wir unsere Kleider und geben uns der Welt gegenüber eine Blöße, indem wir nicht so geschieden von ihr bleiben, wie Christus, unser Herr und Heiland, von ihr geschieden ist! Die Kleider sind in der Schrift ein Bild von unseren Lebensgewohnheiten. Ach, wie leicht passen wir uns in denselben mehr oder weniger der Welt an! Hier wird jeder einzelne glückselig gepriesen, „der da wacht und seine Kleider bewahrt“.

(Emil Dönges)


Übersicht: Offenbarung 16

Eingestellt am 5. Juni 2024