Herr, allmächtiger Gott! Du bist unsre Zuflucht für und für. Ehe denn die Berge geworden und die Welt geschaffen worden, bist Du, Gott, von Ewigkeit zu Ewigkeit, der Du die Menschen lässest sterben und sprichst: Kommet wieder, Menschenkinder! Denn tausend Jahre sind vor Dir wie der Tag, der gestern vergangen ist, und wie eine Nachtwache. (Psalm 90, 1-4). Wir aber sind in unserm Leben wie Gras, wie eine Blume auf dem Felde; wenn der Wind darüber gehet, so ist sie nimmer da und ihre Stätte kennet sie nicht mehr. (Psalm 103, 15.16) Und Du, der Du so hoch Dich gesetzt hast, schauest von deinem Throne auf das Niedrige; (Psalm 103, 6) was ist doch der Mensch, daß Du sein gedenkest, und des Menschen Sohn, daß Du Dich sein annimmst! (Psalm 8. 4)
Dir sei Lob und Dank gesagt für alles Gute, welches Du dem Entschlafenen an Leib und Seele bis in sein Ende gethan hast, für alle Freundlichkeit, alle Geduld und Langmuth, auch für alle Heimsuchung und allen Ernst des Leidens in seiner Lebensführung; denn alle deine Gedanken über uns sind Gedanken des Friedens und der ewigen Liebe; Du bist der weise, gnädige und heilige Gott in allen deinen Wegen. Deiner Gnade und Barmherzigkeit empfehlen wir nun auch seine unsterbliche Seele, daß Du ihm wollest seine Sünden verzeihen um Jesu Christi willen, und ihm mit Frieden den Eingang verleihen zu den Wohnungen des Lebens, welche unser Herr und Heiland bereitet hat durch sein bitteres Leiden und sieghaftes Auferstehen, für die armen Sünder, die in seinem Blute Reinigung und Versöhnung finden.
Um eben diese Gnade bitten wir Dich auch für uns auf die Stunde unsres Abscheidens aus dieser Welt. Hilf uns alle Tage über unsre Seelen wachen, allen bösen Lüsten widerstehen, und uns im Glauben und in der Gottseligkeit auf unser Ende immer bereit halten. Laß uns nicht erschrecken vor dem Gedanken an den Tod und seinen Stachel, sondern allezeit aufsehen auf unsern Herrn Jesum Christum, durch welchen Du uns den Sieg gibst über die Furcht des Todes und die Pforten der Hölle (1. Korinther 15, 55, Matthöus 16. 18) ; denn er war todt, und siehe, er lebt und hat die Schlüssel der Hölle und des Todes. (Offenbarung 1. 18)
Oeffne uns die Augen und erleuchte sie mit dem hellen Lichte deines heiligen Geistes, damit wir nicht auf das Fleisch säen, von welchem wir nur Verderben ernten, sondern auf den Geist, zu ernten das ewige Leben (Galater 6. 8). Verhüte gnädig, daß unsre letzte Stunde uns nicht unbereitet übereile. Behalte uns fest in Deiner Gnade, damit wir einst in Freude und ewiger Klarheit das schauen, dessen wir jetzt im Glauben uns getrösten:
Unsre Trübsal, die zeitlich und leicht ist, schaffet eine über alle Maße wichtige Herrlichkeit uns, die wir nicht auf das Sichtbare, sondern auf das Unsichtbare schauen; (2. Korinther 4, 17.18) und wir wissen, daß so unser irdisches Haus dieser Hütte zerbrochen wird, wir einen Bau haben, von Gott erbauet, ein Haus, das nicht mit Händen gemacht ist, das ewig ist im Himmel. (2. Korinther 5, 1 )
Unser Vater in dem Himmel!
Dein Name werde geheiligt.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe
Auf Erden wie im Himmel.
Unser täglich Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
Wie wir unseren Schuldigern vergeben.
Und führe uns nicht in Versuchung,
Sondern erlöse uns von dem Übel.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
Und die Herrlichkeit
In Ewigkeit.
Amen.
Quelle:
Gebet, gehalten bei dem Begräbniss von Herrn Karl Bischoff den 28. September 1866 in der Kirche zu St. Elisabeth durch Herrn Pfarrer Samuel Preiswerk.
Schweighauserische Buchdruckerei. Basel, 1866. [Digitalisat]