Veit Dietrich hat nicht nur um die Nürnbergische, sondern auch um die gesammte Evangelische Kirche sehr grosse und wichtige Vorzüge, weswegen sein Gedächtnis bei allen Liebhabern der gereinigten Lehre billig ewig im Seegen bleiben muß. Fast der ganze öffentliche Gottesdienst im Nürnbergischen hat seine noch gegenwärtige Gestalt und Einrichtung diesem frommen Prediger zu danken. Durch seinen Fleiß ist unser Agendbuch* zusammengetragen worden. Von ihm rühren die Biblischen Summarien, die noch jetzo in unsern Kirchen abgelesen werden, her. Einige Lieder, öffentliche Gebete und andere erbauliche Anstalten bei uns erkennen ihn als ihren Urheber. Durch seine Bemühungen sind noch manche Ueberbleibsel des päbstlichen Sauerteigs aus unsrer Kirche gar glücklich hinweggeräumt, manche derselben drohende Gefahren abgewendet und überhaubt ungemein viel Gutes geschaft worden. Die ganze Evangelische Kirche aber hat es mit vielem Danke zu erkennen und zu rühmen, daß durch seinen Fleis so viele geistreiche und erbauliche Schriften des seel. Lutheri, dessen Haus= und Tischgenoß er bei 14 Jahren gewesen, vom Untergang errettet worden sind.
*) ›Buch, das alle Texte gottesdienstlicher Handlungen enthält‹
Ein solcher Mann verdient daher auch billig, daß sein Leben etwas ausführlicher, als bisher geschehen ist, bekannt gemacht werde. Es haben zwar bereits verschiedene von dessen Leben und Schriften gehandelt, als V. Ennius de vita et obitu V. Theodori, der seel. Prof. Schwarz in einem Programma, der seel. Diaconus Hirsch in den Nbg. Diptychis, Herr Prof. Will in dem Nürnbergischen Gelehrten Lerico u. a. m.; allein es ist theils einiger von diesen verdienten Männern Absicht nicht gewesen, weitläuftig zu seyn, theils ha ben ihnen auch verschiedene Quellen gefehlet, die ich zu erlangen das Glück gehabt habe. Ich hoffe daher nichts überflüssiges zu thun, wenn ich aus Liebe zu meinem Vaterlande, und aus Hochachtung gegen die Verdienste Dietrichs bewogen, gegenwärtige Nachricht von dem Leben und den Schriften dieses Reformators in der Nürnbergischen Kirche dem Publico und insbesondere den Freunden der vaterländischen Kirchen= und Gesehrten=Geschichte durch den Druck mittheile.
Es sind bereits fast 6 Jahre, seitdem ich auf den Gesdanken gekommen, bin das Leben Dietrichs zu beschreiben, und daher dessen Schriften zu sammeln, und mir Collectanea zu machen angefangen habe. Vornemlich aber bin ich aufs neue sur Fortsetzung dieses Vorhabens dadurch ermuntert worden, als ich mich mit Berichtigung und Ordnung der Briefe Melanchthons an Nürnberger, und insbesondere an Veit Dietrich, beschäftigte, welche ich mit der Zeit, wie ich in meinen Melanchthonianis S. 81ff. angezeigt habe, herauszugeben gesonnen bin. Diese waren mir zur Erläuterung und Vollständigmachung mancher in der Lebensgeschichte Dietrichs bis her noch dunkler Umstände ungemein dienlich, so wie sie mir auch dazu nützlich waren, von manchen Streitigkeiten und Schriften desselben bessere Nachricht zu ertheilen.
Damit aber dieses Werkgen nicht allzu trocken und unangenehm erscheinen möchte, so habe ich diesem Vorwurf dadurch vorbeugen wollen, daß ich mich hie und da in die merkwürdige Reformationsgeschichte Nürnbergs eingelassen, zur Erleuterung derselben seltene und bisher unbekannte Urkunden und wichtige Briefe mitgetheilt, und bei Recension der Bücher manchmal wenn es nöthig und nützlich war, verschiedene An merkungen gemacht habe.
Die ungeachtet meiner Mühe etwan noch vor kommenden Fehler und Mängel bitte geneigt zu entschuldigen.
Altdorf den 18. Febr 1772.