Der Gott aber der Hoffnung erfülle euch mit aller Freude und Frieden im Glauben, daß ihr völlige Hoffnung habet durch die Kraft des Heiligen Geistes. (Römer 15, 13)
Hier wünscht der Apostel uns kein geringes Maß des Trostes und der Hoffnung, sondern eine völlige Glaubensgewißheit bis hin zur „Freude“. „Der Gott der Hoffnung“, sagt er, „erfülle euch mit aller Freude und Frieden im Glauben“. Der Ausdruck „aller Freude und Frieden“ erinnert uns an die vielen Freudengegenstände, die wir durch die Vereinigung mit Gott haben. „Freude und Friede im Glauben“, sagt der Apostel. Damit wird wiederum gesagt, daß es sich nicht um eine Freude handelt, die von guten Umständen oder davon abhängt, daß wir uns selbst für so fromm und so gut ansehen, um uns darüber freuen zu können.
Hier wird von einer Freude geredet, die nur vom Glauben, von unserem Vertrauen auf Gottes Wort und Seiner Verheißung abhängt, während wir an uns selbst lauter Trauergegenstände sehen. Glauben heißt, nur auf Gottes Verheißung hin Trost in etwas zu haben, was nicht gesehen wird. Und hier ist der seligmachende Glaube an Christus gemeint, weil derselbe „Freude und Frieden“ bewirkt, und zwar „durch die Kraft des Heiligen Geistes“.
Dieser Glaube ist einzig und allein eine Gabe Gottes, um die man bitten muß; er ist ein Werk, das Gott nur durch die Predigt des Evangeliums zuwegebringt, wenn dieselbe bettelarmen und ohnmächtigen Sündern durchs Herz geht. Aber dann sehen und fühlen wir an uns selbst nur die niederschlagendsten Dinge. Und so soll der Glaube auch in allen möglichen Kümmernissen ein Vertrauen auf das bloße Wort Gottes sein, während wir nur das sehen und fühlen, was bedrohlich und betrübend ist. Wie aber können wir dann Freude und Frieden haben? Ja, gerade dann werden die Freude und der Friede übernatürlich sein, dann wird die Freude das Werk Gottes sein. Und ein solches Gotteswerk wünscht der Apostel uns hier, indem er hinzufügt:
„Daß ihr völlige Hoffnung habt durch die Kraft des Heiligen Geistes.“
Das ist nun die letzte und die lieblichste Frucht von all dem Guten, was Gott tat und tut, daß wir nämlich eine völlige, sichere Hoffnung auf die ewige Seligkeit haben. Eine solche Hoffnung ist die größte Kraft unseres ganzen Christentums. Sie gibt Lust und Kraft zum getreuen „Laufen in dem Kampf, der uns verordnet ist“ (Hebräer 12, 1); sie gibt Mut und Stärke zum Handeln, zum Leiden und zum Beharren in allem, was zum Kampfe gehört.
„Die Freude am Herrn ist eure Stärke“, und die Seligkeitshoffnung ist unser Helm im Streit (Epheser 6, 17). Das ganze Leben ist sonst voller Trübsale, Prüfungen und Jammer, so daß es wohl einer völligen Hoffnung auf die Herrlichkeit, die Gott geben wird, bedarf, auf daß wir auf dem Wege nicht ermüden und saumselig werden, sondern geduldig und treu ausharren (Römer 5, 3-5).
Das ist gewiß: Für die Hoffnung auf die Seligkeit haben wir die stärksten Gründe. Denn für das ewige Leben sind wir erschaffen. Für das ewige Leben sind wir teuer erkauft. Für das ewige Leben, nicht aber für dieses kurze irdische Leben, hat Christus sich zu einem Versöhnungsopfer dahingegeben. Für das ewige Leben hat Gott uns den Feiertag, das Wort, die Sakramente und das Werk des Heiligen Geistes in den Seelen gegeben. Wenn wir Gottes Kinder und Seine Freunde sind, werden wir auch Seine Erben sein. Er wird Seine Freunde wahrlich einst recht froh und glücklich machen. Das ist gewißlich wahr!
Obwohl die Gründe so fest und unerschütterlich sind, sind unsere Herzen doch durch das Verderben der Natur so zweifelsüchtig und so unstet, daß wir diese selige Hoffnung nicht festhalten können, es sei denn, daß Gott selbst uns diese teure Gabe gibt. Eine von unseren eigenen Bemühungen, Gedanken und Beschlüssen abhängende Hoffnung ist immer schwach und unsicher. Wenn aber Gott durch Seinen Heiligen Geist uns die Gewißheit gibt und uns mit Freude und Frieden im Glauben erfüllt, dann empfangen wir auch die hier vom Apostel erwähnte völlige Hoffnung. Darum fügt er die Worte „durch die Kraft des Heiligen Geistes“ hinzu. Hier nennt der Apostel nun die dritte Person der Gottheit als wirksam für unseren völligen Trost. Der ewige Vater, der hier „der Gott der Hoffnung“ genannt wird, bewirkt durch den Heiligen Geist eine völlige Hoffnung in uns, indem Er uns mit Freude und Frieden im Glauben erfüllt. Er wollte wieder daran erinnern, daß wir selbst nichts zu tun und nichts zu nehmen vermögen, sondern daß es uns von oben herab gegeben wird.
Wie wichtig ist es doch, tief zu bedenken, daß alle Gnade und Kraft vom Geben Gottes abhängt! Unser Friede und unser Wachsen im Guten werden unausgesetzt durch den Wahn behindert, daß wir selbst etwas zu tun vermöchten. Dieser Wahn der eigenen Kraft steckt so tief in unserer Natur, daß er das größte Hindernis für das Werk Gottes in uns ist. Teils muß Gott ihn dann dadurch niederschlagen, daß Er uns unserer Ohnmacht überläßt, teils kommt aus diesem Wahn auch alle jene Arbeit des Unglaubens, die das Wirken Gottes so sehr in uns behindert. Wie warm und wie willig wird die Seele dagegen, wenn wir erkennen und glauben, daß alles Gute vom Geben Gottes kommt! Davon handeln auch Sprüche wie diese: „Ohne Mich könnt ihr nichts tun“. – „Gott ist es, der in uns wirkt beides, das Wollen und das Vollbringen, nach Seinem Wohlgefallen“. Daran wollte der Apostel uns mit den Worten „durch die Kraft des Heiligen Geistes“ erinnern.
O Herr Jesu, laß mich nicht,
Laß mich nicht von Deiner Seite;
Du bist meine Zuversicht,
Deine Hand mich führ‘ und leite,
Bis du mich aus aller Not
Heim wirst hol’n zu Dir, mein Gott!
Quelle: CLV Andachten – Römerbrief – Römer 15, 13
Bibeltext: Luther 1912 und Greek Text Analysis (bibeltext.com)
Dies ist der Tagesvers zum 8. Januar 2024
Weitere Betrachtungen zu diesem Vers von Samuel Keller und Magnus Roos
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