Ludāmilie Elisabeth Gräfin von Schwarzburg-Rudolstadt (1640-1672)

An Fritsch schließen sich zunächst zwei edle Dichterinnen aus dem Rudolstädtischen Grafenhause an, dem er 44 Jahre lang gedient hat, –

Ludāmilie (Ludomilla) Elisabeth, Gräfin von Schwarzburg-Rudolstadt, die zweitälteste Tochter des Grafen Ludwig Günther I. von Schwarzburg-Rudolstadt, wurde auf der Heidecksburg zu Rudolstadt 7. April 1640 geboren, mitten unter den Kriegsdrangsalen, mit welchen damals Piccolomini ganz Thüringen heimsuchte. Im Jahr 1646, als sie erst 6 Jahre alt war, verlor sie ihren Vater, der von seinen Unterthanen noch zu seinen Lebzeiten „der treue milde Vater“ genannt wurde und seinen evangelischen Glauben stets treu und freudig bekannt hatte, durch den Tod, worauf dann ihre Mutter Aemilie Antonie, eine Tochter des Grafen Anton II. von Oldenburg und Delmenhorst und Nichte des Herzogs August von Braunschweig, des Bruders ihrer Mutter, an dessen Hof zu Hißenacker sie nach dem Tod ihrer Eltern in Sprachen und Künsten wohl gebildet worden war (s. Bd. III, 538), ihre und ihrer 3 Geschwister, eine jüngern Bruders und zweier Schwestern, Erziehung in ächt Paulinischem Sinne und in wahrhaft deutscher Weise besorgte.

Dieselbe berief 1649 zum Lehrer ihrer Kinder zunächst einen jungen Theologen Namens M. Johann Hettwig, nachmals Pfarrer in Königssee, dem sie als ernste Regel in seiner Instruktion festsetzte: „Weil die Furcht des Herrn der Weisheit Grund und Anfang ist, soll der Präceptor bei Repetirung des Catechismi und der Psalmen und Sprüche, wie auch bei allen begebenden Gelegenheiten dasjenige, was zur Gottesfurcht, Zucht und Tugend dienen kann, zu erinnern und dadurch die lieben Kinder bei der Pietät und Frömmigkeit zu erhalten ihm zuvörderst angelegen seyn lassen“. Durch diesen treuen Lehrer ließ sie ihre Kinder 9 Jahre lang nächst der h. Schrift mit den Schriften des Joh. Val. Andreä, Heinr. Müller, Joh. Arnd und den Meditationen des Joh. Gerhard, mit denen sie selbst sehr vertraut war, näher bekannt machen und in eine genaue Kenntniß der h. Gesänge der evangelischen Kirche nach Text und Musik einleiten, daneben aber auch in der Poetik nach Opitzens Regeln unterrichten. So erlangten sie eine nicht ungewöhnliche Bildung, daß sie die lateinischen Schriften älterer und neuerer Kirchenlehrer lesen und auch in lateinischer Sprache mit Johann Gerhard in Jena über theologische Gegenstände Briefwechsel führen konnten. Vor allen zeichnete sich Ludämilie hierin aus, weßhalb auch der alte Kanzler Lenß oftmals den Wunsch aussprach: „Wollte Gott, Fräulein Ludämilie Elisabeth sollte nur auch ein Graf von Schwarzburg seyn!“ Zu ihrer weitern Ausbildung und insbesondre zu der Anregung ihrer dichterischen Thätigkeit trug dann auch noch der fromme und gelehrte Ahasverus Fritsch, den die Mutter als Privatdocenten von Jena zur Vollendung der wissenschaftlichen Bildung des einzigen Bruders des Erbgrafen Albert Anton, im J. 1657 zum Instruktor desselben an ihren Hof berufen hatte (s. S. 41f), Vieles bei. Unter dem Einfluß dieses edlen Dichters der himmelsüßen Jesuslieder begann für die damals 17jährige Ludämilie die Blüthezeit ihrer geistlichen Liederdichtung.

Burghof der Heidecksburg Rudolstadt

Als nun der Bruder 1665 nach einer längern Reise in’s Ausland selbst die Regierung des Landes übernahm und durch seine Vermählung mit Aemilie Juliane, einer Tochter des Grafen Albert Friedrich von Barby und Mühlingen, welche schon in ihrem 5. Lebensjahr als vater- und mutterlose Waise an den Rudolstädter Hof gekommen und mit Ludämilie dort in inniger Verschwesterung erzogen worden war, eine eigene Hofhaltung gründete, siedelte dieselbe mit ihrer Mutter und ihren beiden Schwestern auf das Schloß Friedensburg in der Wittumsherrschaft Leuchtenberg über, wo sie fünf Jahre lang still und verborgen vor der Welt ein Leben führte, das köstlich ist vor Gott, mit ihrer Mutter des Hauses und Altares des Herrn wartete, Kranke labte und Bedrängte unterstützte und, durch den im nahen Jena weilenden Joh. Gerhard in vertraute Bekanntschaft mit Joh. Arndts Schriften, welche die Mutter „nicht von der Hand kommen ließ“, eingeführt, ihre frommen Gefühle in einer reichen Zaht lieblicher Lieder aussprach. Als nun aber die treue Mutter, der sie bei ihrer mehr und mehr sich einstellenden Leibesschwachheit pflegend und bei manchem schweren Leid, das sie durch den Tod von Geschwistern und nahen Angehörigen traf, tröstend und aufrichtend zur Seite gestanden war, im Jahr 1670 unter dem Spruch Röm. 8, 39 und dem Gesang Wenn mein Stündlein vorhanden ist die Augen geschlossen hatte, kehrte sie mit ihren beiden Schwestern auf die Heidecksburg bei Rudolstadt an den Hof ihres Bruders Anton zurück, wo sie sich dann zu Anfang des Jahrs 1672 nach mancher vorausgegangenen Ablehnung mit Christian Wilhelm Grafen von Schwarzburg-Sondershausen, einem „gottesfürchtigen Herrn von vielem und verdientem Ruhm vor den Menschen“, der eben die Regierung seiner Lande angetreten hatte verlobte und nach geschlossenem Verlöbniß in einem Liede voll Gottergebenheit dem Herrn die Bitte vortrug:

Nun du wirst ferner Vater seyn,
Und weil doch deine Hände
Hierin den Anfang ganz allein
Gemacht, so laß das Ende
Seyn wie du will’t, du weißt, was gut
Und jedem nützt an Leib und Mut:
Sey über uns nur gnädig!

Und nach des Herrn verborgnem Rathschluß sollte das Ende kommen, ehe nur eigentlich recht der Anfang gemacht war. Im Februar desselben Jahrs wurde ihre älteste Schwester Sophie Juliane von der Masernkrankheit ergriffen, die seit einiger Zeit in der Gegend ausgebrochen war, und an der sie von Ludämilie leiblich und geistlich gepflegt, 14. Febr. starb. Bald darnach wurde sie selbst auch samt ihrer jüngern Schwester, Christiane Magdalene, von dieser Krankheit ergriffen und am 12. März 1672 folgten beide Schwestern der ältern Schwester im Tode nach. Ludämilie zuletzt, nur zehn Stunden später als Christiane Magdalene.

Quelle:

Geschichte des des Kirchenlieds und Kirchengesangs der christlichen, insbesondere der deutschen evangelischen Kirche, S. 50-53. Von Eduard Emil Koch, Dekan, ordentlichem Mitglied der historisch-theologischen Gesellschaft zu Leipzig. Erster Haupttheil: Die Dichter und Sänger. Vierter Band. Dritte umgearbeitete, durchaus vermehrte Auflage. Stuttgart. Druck und Verlag der Chr. Belser’schen Verlagshandlung. 1868 [Digitalisat]

Bildnachweise:

Weblinks und Verweise

Seite Ludmilla Elisabeth von Schwarzburg-Rudolstadt in der deutschen Wikipedia

Eintrag bei Hymnary.org (mit einer Liedliste)

Lieder

Sorge, Vater, sorge du


Eingestellt am 20. März 2022 – Letzte Überarbeitung am 6. Märzl 2024