1. Johannes 4, 18 (Roos)

Furcht ist nicht in der Liebe, sondern die völlige Liebe treibt die Furcht aus. Denn die Furcht rechnet mit Strafe (LUT 1912: hat Pein); wer sich aber fürchtet, der ist nicht völlig in der Liebe. (1. Johannes 4, 18)

Und wir haben erkannt und geglaubt die Liebe, die Gott zu uns hat. Gott ist die Liebe; und wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott in ihm.

So schrieb Johannes 1. Joh. 4, 16. Nun kann aber das Bleiben in der Liebe, folglich auch das Bleiben in Gott schwächlich bei dem Menschen angerichtet sein: Wenn aber die Liebe völlig bei ihm ist, wenn sie sein Herz so eingenommen hat, daß sie alle Furcht daraus vertrieben hat, so ist der Mensch so weit gestärkt, daß er eine Freudigkeit hat am Tage des Gerichts. Die Rede des Johannis ist hier sehr kurz. Nach seiner Anzeige hat der Mensch, bei dem die Liebe völlig ist, diese Freudigkeit jetzt schon, obschon der Tag des Gerichts noch nicht vorhanden ist. Er hat sie aber, wenn er sich denselben lebhaft, als ob er gegenwärtig wäre, vorstellt, und aus dem Wort Gottes einen tiefen Eindruck davon bekommt. Noch gewisser und vollkommener aber wird er diese Freudigkeit haben, wenn der Tag des Gerichts wirklich erscheinen wird. Sonst fürchtet man sich auf eine peinliche Weise vor dem Tag des Gerichts: aber diese Furcht ist nicht in der Liebe, und wen ich von ganzem Herzen liebe, den kann ich nicht mehr auf eine Art, die mich peinigt, fürchten. Wenn also die Liebe mein ganzes Herz eingenommen hat, so fürchte ich auch den Tag des Gerichts nicht mehr, ob ich gleich weiß, daß an demselben die Herrlichkeit Jesu Christi der ganzen Welt sichtbar werden wird. Die Liebe zu Jesu läßt dieser Furcht keinen Raum bei mir. Wenn ich Jesum liebe, so habe ich auch Seine Erscheinung lieb.

Ach, wie selten findet man Christen, bei denen die Liebe völlig ist! Man muß froh sein, wenn man einige findet, welche den HErrn Jesum und Seine herrliche Erscheinung zum Gericht mit einer untermengten Furcht lieb haben. Wir sollen aber darnach ringen, daß wir eine völlige Liebe zu Jesu erreichen, welche die Furcht austreibt. Liebe und Furcht sind einander entgegengesetzt. Nun hat die Furcht Pein, wie Johannes V. 18. sagt: je völliger also die Liebe bei dem Menschen ist, desto weniger Pein ist in ihm, und desto größer ist seine Seligkeit schon bei Leibesleben. Gott ist Liebe, der HErr Jesus führte Seinen Wandel auf Erden in der lautersten Liebe. Auch wenn Er die Leute bedrohte, auch da Er den Petrus einen Satan nannte, blieb Er in der Liebe. Auch im Stand der Herrlichkeit ist Er voll von Liebe.

Bei welchen also die Liebe vollendet ist, die können sagen: wie Er ist, so sind auch wir in dieser Welt. Durch die Liebe wird man also dem himmlischen Vater und Seinem Sohn Jesu Christo ähnlich. Die Liebe ist das Bild Gottes in der Seele. Gleichwie Johannes V. 17. sagt: die Liebe müsse bei uns völlig werden, also sagt er V. 18.: der Mensch müsse in der Liebe völlig sein. Eine völlige Liebe macht also einen völligen oder ganzen Christen. Wer im Christentum zu wachsen meint, und doch immer stolzer und zanksüchtiger wird, ist nur nach seiner eitlen Einbildung und nicht nach der Wahrheit gewachsen. Wir wollen uns durch die Lehre Johannis unsere Schwachheit und unsern Mangel aufdecken lassen, und zugleich darnach streben, daß wir durch die Kraft des Heiligen Geistes die Völligkeit, von welcher er redet, erreichen.

(Magnus Friedrich Roos)

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Eingestellt am 1. Oktober 2023