Fr. Wilhelm Krummacher über Gottfried Daniel Krummacher

Unter meinen Elberfelder Amtsgenossen war nun auch, und zwar obenan, mein Oheim Gottfried Daniel Krummacher, ein Mann aus einem Guß, calvinisch zugeschnitten dem Geiste und selbst dem Leibe nach, der aber unter einer strengen, ja mitunter düsteren Außenseite wie auch sein großer Genfer Meister, ein tiefes kindliches Gemüth und hinter seinem ehernen Glaubenspanzer ein für Alle, die den Herrn Jesum Christum lieb hatten, weites Herz barg. Ein abgesagter Feind alles Unwahren und Gemachten auf religiösem Gebiete, setzte er zuweilen einem falschen Pietismus gegenüber mit einem Male geflissentlich die Miene eines Weltkindes auf, oder begegnete Solchen, die die Gottseligkeit wie ein Gewerbe zu treiben schienen, mit Paradoxien, die ihnen wie Spieße und Nägel im Marke haften blieben. Als einmal ein junger vielgereister Theologe mit den Worten zu ihm eintrat: „Sie wünschen ohne Zweifel etwas aus dem Reiche Gottes zu vernehmen?“ entgegnete er kurzgefaßt: „Nein“. Wie angedonnert durch diese acute Negation zog der jugendliche Novitätenkrämer ab und hat wohl noch lange über den Sinn dieser flüchtigen Begegnung nachzudenken gehabt. Die Wahrhaftigkeit des Mannes fand ihren Ausdruck vorzugsweise auch in seinen Predigten. Nirgends auch nur eine Spur von gesuchtem Schmuck oder prämeditiertem Effekt. Ueberall in schlichtester Form das unmittelbarste innere Leben. Alles urwüchsig, original. Seine Zeugnisse gemahnten an die mythologische Göttertochter, die schon in voller Gewandung und Waffenrüstung geboren wurde. Daher denn auch der tiefe, nachhaltige Eindruck, auf den sie jedesmal mit Sicherheit rechnen durften. Wohl wenige Geistliche haben mit größerer Berechtigung als er das Wort des Propheten sich aneignen dürfen: „Der HErr hat meinen Mund gemacht wie ein scharfes Schwert und mich als einen reinen Pfeil in seinen Köcher gesteckt“, aber auch das Moseswort: „Meine Lehre fließt wie der Regen und trieft wie Thauestropfen auf die Matten“. Wenn irgend eines Mannes Gedächtnis namentlich im Wupperthal im Segen bleiben wird, dann dieses. Wie laut wird ihm heute noch von Tausenden dankbar nachgerufen: „Du hast Viele unterwiesen und lasse Hände gestärkt. Deine Rede hat die Gefallenen aufgerichtet und die bebenden Kniee hast Du gekräftigt.“

(Friedrich Wilhelm Krummacher: Eine Selbstbiographie, Berlin 1869, S. 124)