Offenbarung 21, 1-8: Die zukünftige Welt

Siebenundzwanzigste Bibelstunde

1 Und ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde; denn der erste Himmel und die erste Erde verging, und das Meer ist nicht mehr. (Jesaja 65.17) (2. Petrus 3.13)
2 Und ich, Johannes, sah die heilige Stadt, das neue Jerusalem, von Gott aus dem Himmel herabfahren, bereitet als eine geschmückte Braut ihrem Mann. (Galater 4.26) (Hebräer 12.22) (Offenbarung 19.7-8)
3 Und ich hörte eine große Stimme von dem Stuhl, die sprach: Siehe da, die Hütte Gottes bei den Menschen! und er wird bei ihnen wohnen, und sie werden sein Volk sein, und er selbst, Gott mit ihnen, wird ihr Gott sein; (Hesekiel 37.26-27)
4 und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein; denn das Erste ist vergangen. (Jesaja 25.8) (Jesaja 35.10) (Offenbarung 7.17)
5 Und der auf dem Stuhl saß, sprach: Siehe, ich mache alles neu! Und er spricht zu mir: Schreibe; denn diese Worte sind wahrhaftig und gewiß!
6 Und er sprach zu mir: Es ist geschehen. Ich bin das A und das O, der Anfang und das Ende. Ich will den Durstigen geben von dem Brunnen des lebendigen Wassers umsonst. (Offenbarung 1.8) (Offenbarung 22.13)
7 Wer überwindet, der wird es alles ererben, und ich werde sein Gott sein, und er wird mein Sohn sein.
8 Der Verzagten aber und Ungläubigen und Greulichen und Totschläger und Hurer und Zauberer und Abgöttischen und aller Lügner, deren Teil wird sein in dem Pfuhl, der mit Feuer und Schwefel brennt; das ist der andere Tod.

Die neue Schöpfung

„Ein neuer Himmel und eine neue Erde:“ mit diesem Wort voll unfaßbarer Herrlichkeit, Heiligkeit und Seligkeit sind wir am Ziele nun angekommen. Es ist nicht nur das Ziel, darin unser Buch zu seinem Abschluß kommt, sondern es ist das alles umfassende Endziel, darin das ganze biblische Offenbarungswort seinen göttlichen Schluß findet. „Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde“, so hat die Bibel begonnen; „Himmel und Erde werden vergehen“, so hat Christus bezeugt; „wir warten aber eines neuen Himmels und einer neuen Erde nach seiner Verheißung“, das ist das Bekenntnis, darin die Gemeinde Christi ihr Sehnen und Hoffen, ihre „Weltanschauung“, und ihren göttlichen Beruf zusammenfaßt. Und nun hat der Seher in die Fernen hinausblicken und uns im Bilde, so wie es Menschen fassen können, zeigen dürfen, „was Gott bereitet hat denen, die ihn lieben“, was der „Sinn der Weltgeschichte“, was die Erfüllung aller Verheißungen, was das ewige Gottesziel für seine Schöpfung sein soll.

Das Alte ist vergangen, beim Anblick des Richters sind Himmel und Erde entflohen; aber an ihre Stelle ist ein neuer Himmel und eine neue Erde getreten. Wie denn? Johannes schaut und zeigt uns nur die vollendete Tatsache. Wir wissen nicht, wie unsre jetzige Welt geworden ist. Nur so viel ist uns gesagt: durch Gottes Geheiß, nicht in einer Weise und nicht aus solchem, das menschlichem Vorstellen oder Nachdenken irgendwie zugänglich wäre. (Hebräer 11, 3, Grundtext). Und so wird es auch von der zukünftigen Schöpfung gelten, nur daß hier die Gedanken unwillkürlich damit sich beschäftigen: Wird wohl durch das Wunder der „Verwandlung“ die neue Welt entstehen, so daß sie also aus der alten hervorgehe, wie unser Auerstehungsleib als ein ganz anderer dennoch hervorgehen soll aus unsrer irdischen Leiblichkeit? „Es wird gesäet verweslich und wird auferstehen unverweslich; es wird gesäet ein natürlicher Leib und wird auferstehen ein geistlicher Leib.“  Darf  man diesem Wort des Apostels (1. Kor.15, 42ff.) entsprechend vielleicht dasselbe Wunder für die ganze Schöpfung erhoffen? Die Kreatur, die der Eitelkeit unterworfen ist, soll ja von der Knechtschft der Vergänglichkeit befreit werden ganz wie die Kinder Gottes, so lesen wir Röm. 8, 18ff. Aber auch „Verwandlung“ ist ein unserer Fassungskraft unzugängliches Wunderwerk Gottes wie Neuschöpfung, nur daß es uns ein Wort voll Erquickung ist, weil es ausspricht, daß das Erste nicht weggeworfen und durch ein Zweites ersetzt wird, sondern daß das Erste in einen neuen Wesenszustand übergeführt, durch das allmächtige Gnadenwirken Gottes „verklärt“ wird (Phil. 3, 21).

Wir dürfen uns die zukünftige Schöpfung nach dem Bild unsrer jetzigen Welt vorstellig zu machen suchen; aber wir werden stark daran gemahnt, daß unser Vermögen  zur eigentlichen Erfassung der wunderbaren verklärten Welt nur so weit zureicht, als unmündigen Kindern faßlich gemacht werden kann, was über ihre Erfahrung und Begriffe weit hinausgeht. Wie wird der „Himmel“ über der Erde sein, wenn die Erdbewohner des Lichtes der Gestirne des Himmels nicht mehr bedürfen? (V. 21). Wie ganz anders wird die „Erde“ sein, wenn kein Meer mehr sein soll? Gewiß nicht wasserlos, nein, Ströme lebendigen Wassers (22, 1). Aber das Meer kann ja den Menschen nicht zur Heimstätte werden und hält sie voneinander getrennt; so soll es dort nicht mehr sein. Einst war auf unserer Erde das Paradies, da die Menschen bei Gott daheim waren und er unter ihnen wandelte, und sie sollten ein großes Volk vor dem Herrn werden, das die Erde füllen  und sich untertan machen, also sie zu einem Garten Gottes gestalten sollte. Was in dieser Schöpfung unmöglich ist, weil sie „der Eitelkeit“ unterworfen ist, wornach aber alle Kreatur sich sehnt und seufzt (Röm. 8), das soll in der neuen Schöpfung überschwänglich herrliche Wirklichkeit werden: ein Paradies Gottes und drin eine Menschheit, welche die letzte und ganze Erfüllung der Verheißung genießen soll: „Selig sind die Sanftmütigen; denn sie werden das Erdreich besitzen.“

Die Stadt vom Himmel

Doch der Seher verweilt nicht bei dem Bilde der neuen Welt; sein Blick smmelt sich auf ihren Mittelpunkt und ihre herrlichste Zier: das neue Jerusalem. Einst war Jerusalem die Stätte, da Jehovas „Name“ in seinem Tempel wohnte, d.h. da er sich im Heiligtum und vom Heiligtum aus unter dem erwählten Volke wirksam gegenwärtig erwies, wo er sein Volk zu sich ließ und von wo aus sein Segen über das Volk ausgehen sollte. Dort in Jerusalem sollte auch der Thron seines Gesalbten stehen, der das Volk als Hirte weiden und leiten sollte. Von dort aus sollte Licht und Recht und Wahrheit und Friede, „Erkenntnis des Herrn“ ausströmen zu allen Völkern. Eine ferne Abschattung dessen, was die künftige Schöpfung wesenhaft bringen soll; ein durch der Menschen Blindheit und Widerspenstigkeit nur gar unvollkommen und nur in engem Kreis und nur vorübergehend verwirklichtes Abbild dessen, worauf wir hoffen! Darum wird vom Himmel her aus Gottes überweltlicher Wohnung des Lichts, „da niemand zukommen kann“ (1. Tim. 6, 16), ein anderes Jerusalem herniederkommen auf die neue Erde, auf der die Erlösten des Herrn wohnen sollen als das ewige Volk des Eigentums. In strahlender Herrlichkeit, voll Freudenllicht, „bereitet wie eine für ihren Mann geschmückte Braut“ (V. 2)sieht Johannes die heilige Stadt, ein neues Jerusalem, vom Himmel herab sich niederlssen auf der neuen Erde, als die Wohnstätte der heiligen Gemeinde und Gottes selber. Vom Thron her, also aus der Mitte der Thronwesen (vergl. 6, 1 u.ö.), hört der Seher den lauten Ruf, der ihm das verkündigt und deutet. „Siehe, die Hütte Gottes bei den Menschen und er wird bei ihnen wohnen“. Darin ist ausgedrückt, was dieses neue Jerusalem sein wird: nicht „eine“ Wohnung, sondern „die“ Wohnung Gottes bei den Menschen. In der Stiftshütte und im Tempel war der Gott, der im Licht der Himmel thront, „im Dunkel“ seinem Volke nahe, und auch in dieses Dunkel hatte das Volk nicht freien Zutritt, sondern bedurfte der Mittlerschaft der Priester. In Jesu war das Wohnen Gottes unter den Menschen verwirklicht (Joh. 1, 14), aber doch nur wenige erkannten von ferne durch die niedrige Hülle hindurch die „Herrlichkeit vom Vater“, und nur für kurze Zeit wohnte diese Herrlichkeit Gottes im Fleische auf Erden. Und seither gibt es ein verborgenes Einwohnen Gottes in sündigen, sterblichen Menschenkindern, vermittelt durch den heiligen Geist (Joh. 14, 23, 1. Kor. 3, 16; 2. Kor. 6, 16). Im Himmel sollen die Geister der Erlösten, wenn ihr Leib im Grabe ruht, Wohnung haben bei Gottes Thron (7, 13-17); aber es ist noch ein Warten auf des Leibes Erlösung und auf die Sammlung des ganzen Volkes Gottes zum ewigen Sabbat (Röm. 8, 23; Hebr. 4, 9)

[…]

Gottes Volk

Nachdem Johannes  das vom Throne her vernommen hat, nimmt – zum erstenmal im ganzen Buch der Offenbarung! – Er selbst, der auf dem Stuhle sitzt, das Wort und spricht: „Sieh! Neu mach ich alles!“ Gott, der der Urheber von allem dem ist, was der Seher im Bilde schauen darf, spricht ihm zu: Sieh hin, betrachte dir’s! Neu, völlig neu wird alles, ich schaff es, ich führe es durch. Und nun folgt eine andere Stimme, wohl wie 19, 9 die Stimme des Engels, der dem Seher die Offenbarung vermittelt, und heißt ihn diese treue, wahrhaftige Gotteszusage sicherlich für die Gemeinde Christi niederschreiben. Und wie dankbar sind wir im alltäglichen Tageslauf, in Leiden, Enttäuschungen, Verlusten, wo dies und das und schließlich alles uns zusammenbricht, an diesen Gottesworten „Sieh, ich mache alles neu.“ – Und nun nimmt wiederum Gott das Wort (V. 6): Geworden bin ich das A und das O, der Anfang und das Ende“. – Gott ist ja das schon immer gewesen und ist es und wird es immer sein; aber dann, wann alles Widergöttliche ausgeschaltet und alles Vergäüngliche zur Ewigkeit verklärt sein wird und nichts mehr sein wird als Gottes allein in allem sich auswirkendem Willen, dann wird es in neuem Sinn gelten, daß Gott das A und das O geworden ist, weil ihm alles untertan ist und Er ist „alles in allen“ (1. Kor. 15, 28). *)

*) Die Lesart ist unsicher. Vielleicht ist statt „Geworden bin Ich“ vielmehr zu lesen und zu übersetzen: „Geworden“ (d.h. verwirklicht worden) „sind sie“, nämlich die Worte: „Siehe, ich mache alles neu“. So auch Luther: „Es ist geschehen!“

Und der, der nun alles in allem und alles für alle, die in seinem Reich der Herrlichkeit sind, geworden ist, will auch allen alles geben, schenken umsonst aus seiner alles erfüllenden Fülle. Das aufrichtige Begehren und Sehnen der heilsbedürftigen Herzen soll gestillt und gelabt werden mit allem, was ein Herz ersehnen kann, und die Treue des Ausharrenden soll alles ererben, nachdem die Kämpfe, die inneren und die äußeren, überstanden sind, und nicht nur „alles“ sollen die Überwinder gewinnen, sondern Ihn selbst zu ihrem Vater, daß sie nicht nur Volksgenossen, nein Hausgenossen, nein Herzenskinder in ihres Vaters Schoß sein dürfen durch den Eingebornen, „der in des Vaters Schoß ist“.

Die vom Heil Ausgeschlossenen

Aber wehe denen, die feige waren, die sich dem Glaubenskampf entzogen haben und fahnenflüchtig geworden sind! Und wehe den Ungläubigen, die gar nicht auf den Ruf zur Ewigkeit hören wollten, sondern im Diesseits mit ihrem Leben und Streben untergingen! Weiter reiht die Stimme Gottes an die Greulichen, die sich mit dem, was unsauber ist, befleckt haben, mit solchen Dingen, von denen 2. Korinther 6, 17 gesagt ist: „Rühret kein Unreines an“ und von denen es 1. Korinther 6, 10 heißt, die solches tun, werden das Reich Gottes nicht ererben. Wir sollen nicht denken, derlei betreffe selbstverständlich nicht uns, sondern sollen zu Herzen nehmen, daß es jetzt noch Zeit ist, daß man abgewaschen und gereinigt werde von dem Schmutz der Sünde, der Unmäßigkeit, Wollust, Geldliebe und was dergleichen mehr ist. Von diesen Sünden, dabei man vielleicht meint, es mehr nur mit seiner eigenen Person zu tun zu haben, schreitet die göttliche Warnung weiter zu dem sündlichen Haß, der des Nächsten Leben nicht achtet und zu der sündlichen Lust, die sich in Hurerei kundgibt. Endlich folgen die in besonderem Sinn heidnischen Sünden: die Zauberei, die über das Diesseits hinübergreift, aber nicht die jenseitige göttliche Hilfe sucht, sondern Kräfte des Geisterreichs für sich ausbeuten will, und der Götzendienst, der zwar überirdische Mächte, aber nicht den, der allein wahrer Gott ist, verehrt. Wir kennen diese Sünden ja leider nur zu gut und sie treten stolz als „höhere Weisheit“, ja als fromm und heilig auf in „Spiritismus„, in „Christlicher Wissenschaft“ und unter allen möglichen einschmeichelnden Namen. Man lockt die unruhig Suchenden hinüber in Berührung mit überirdischem Geschehen und treibt sie zugleich weg vom lebendigen Gott. Johannes hat dafür das furchtbare Wort „Lüge“. Mit den Worten „und alle Lügner“ faßt er zum Schluß alle Arten von Sündern zusammen, alle, welche die göttliche Wahrheit vertauscht haben mit dem Lügenwesen, das die Welt beherrscht, und die vor Gott und vor ihren Nebenmenschen nicht in Wahrhaftigkeit des Denkens, Redens und Handelns sich üben. „Ihr Teil“ wird, im Gegensatz zum Erbteil der Überwinder, im Feuerpfuhl sein, sie werden die Qualen des andern Todes erleiden.

Was sollen wir über die Verheißungen und über die Drohung weiter sagen, die aus diesem einzigartigen Abschnitt der Heiligen Schrift zu uns reden? Es wird für uns am meisten austragen, wenn wir des Sehers Worte uns einprägen und die Hoffnung und Furcht in uns wirken lassen.

HErr, diese Offenbarung
drück du mir zur Bewahrung
beständig in den Sinn,
daß ich auf das nur sehe,
ich gehe oder stehe,
wie ich vor  d e i n e m  Auge bin!

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Quelle: Christian Römer, weil. Prälat und Stiftsprediger zu Stuttgart: Die Offenbarung des Johannes, in Bibelstunden erläutert, S. 219-227 (Verlag von D. Gundert, Stuttgart 1916)

Bibeltext: Luther 1912, aus: bibel-online.net

Eingestellt am 4. Oktober 2021 – Letzte Überarbeitung am 2. September 2022