Psalm 37, 20

„Die Gottlosen werden umkommen, und die Feinde des HERRN, wenn sie gleich sind wie eine köstliche Aue; werden sie doch vergehen, wie der Rauch vergehet.“

Ein Gottloser ist dem eigentlichen Wortsinn nach los von Gott, losgetrennt von dem Willen seines Schöpfers, wie z.B. jener verlorne Sohn im Evangelium (Luk. 15), der sich von seinem Vater losriß und in ferne Gegenden zog, um nicht bei seinem Vater sein zu müssen, sondern thun zu dürfen, was ihm beliebte. Ein Gottloser ist, der nicht nach dem Willen Gottes, sondern nach seinem eigenen Willen und Gutdünken sein Leben einrichtet und seine eigenen Wege gehen will und die Bestrafungen seines Gewissens darüber vergißt, verachtet und unterdrückt. ─

Dem engern Sinn nach aber ist derjenige ein Gottloser, der  J e s u m  nicht kennt und liebt, wie Johannes sagt: »Wer aber den Sohn nicht hat, der hat auch den Vater und das Leben nicht« ─ Wer den Heiland nicht sucht und kennt, wer nicht mit ihm zu inniger Gemeinschaft verbunden ist, wie will diesem der Vater offenbar werden, wie will dieser nach dem Willen des himmlischen Vaters leben? ─ Da kann es nun freilich recht tugendhafte Leute geben, Leute, die sich wenigstens so vorkommen, die wenigstens dem Worte Gottes gehorchen wollen, soweit es ihnen bequem und anständig ist: daß sie aber ein Eigenthum des Sohnes würden, das wollen sie nicht, und in diesem Nichtwollen sind sie gottlos. Ein Gottloser muß wohl auch manchmal die göttliche Stimme, die Regungen des Geistes empfinden, daß er denkt: es geht nicht auf diese Weise, sonst kommst du in die Hölle; du mußt anders werden, wenn du nicht verdammt werden willst; der Heiland muß dein Herz bekommen, denn er ist’s werth, daß du dich ihm ganz ergibst. ─ Wenn er aber nicht folgt, sondern wieder im Leichtsinn und Unglauben fortlebt: so bleibt er ein Gottloser, dem Wesen nach ein Atheist, denn er hat den wahren, lebendigen Gott nicht.

Ein  K i n d  G o t t e s  ist dagegen derjenige, der den Heiland lebendig kennt, der durch den Glauben Gemeinschaft mit ihm hat und ihm, dem guten Hirten, nachfolgt; der es weiß und am Herzen erfahren hat, daß er mit dem Blut des Lammes erkauft ist; der da weiß und bekennt, was Paulus sagt: »Wir halten dafür, daß, so einer gestorben ist für Alle, so sind sie Alle gestorben, er ist aber darum für Alle gestorben, daß die, so da leben, nicht ihnen selbst leben, sondern Dem, der für sie gestorben und auferstanden ist.« Wenn dieses tief und fest in den Herzensgrund eingedrückt ist, daß seine Seele am Heiland hängt und ihn über Alles liebt und achtet, der ist kein Gottloser mehr, sondern ein Kind Gottes.

Nun, mein Erbarmer, du wirst wissen,
Wie viel mir noch hieran gebricht;
Mein Aug ist noch in Finsternissen,
Ich Armer kenne mich noch nicht.

Doch ist ein inniges Verlangen
In mir durch deinen Geist erweckt,
O HErr, dir einzig anzuhangen,
Bis meinen Leib die Erde deckt.

(Ludwig Hofacker)

Quelle:

Andacht zum 22. April, aus:

Ludwig Hofacker, † Pfarrer in Rielingshausen: Erbauungs- und Gebetsbuch für alle Tage, nebst einem Anhang von besonderen Gebeten – Aus den hinterlassenen Handschriften und aus den Predigten des sel. Verfassers. Herausgegeben von G. Klett, Pfarrer in Barmen. Dritter Abdruck. Stuttgart 1879. Druck und Verlag von J. F. Steinkopf. [Digitalisat bei Google Buchsuche]

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