Offenbarung 3, 18 (Roos)

Ich rate dir, daß du Gold von mir kaufest, das mit Feuer durchläutert ist, daß du reich werdest, und weiße Kleider, daß du dich antust und nicht offenbart werde die Schande deiner Blöße; und salbe deine Augen mit Augensalbe, daß du sehen mögest. (Offenbarung 3, 18)

Die Menschen prangen gern mit ihrer natürlichen Seelengestalt, insonderheit wenn sie dieselbe durch allerhand Wissenschaften und Uebungen meinen verschönert zu haben: wenn sie aber nichts Weiteres bekommen, so wandeln sie bloß, und man sieht ihre Schande (Offenb. 16, 15). Menschen sehen insgemein mit ihren blinden oder blöden Augen diese schändliche Blöße an sich und Andern gar nicht, oder nicht klar genug: aber vor Gott, auf den Alles ankommt, ist sie vollkommen offenbar, und Seine Engel sehen sie auch deutlich genug. Wessen bedarf also eine menschliche Seele? Sie bedarf eines Anzugs. Was ist aber dieser Anzug? Christus will es selber sein. „Ziehet an den HErrn Jesum Christ“, sagt Paulus Röm. 13, 14. Christus wird erstlich dem Sünder ein Rock der Gerechtigkeit, indem Er ihm Seine guten Werke, Seine heiligen Leiden, folglich Seine ganze Mittlersgerechtigkeit schenkt, daß dadurch die Sünde bedeckt und alle Verdammung abgewendet werde. Man ziehet aber auch Christum an im Gegensatz gegen die schändlichen Sünden, dergleichen Fressen und Saufen, Buhlereien und Unzucht, Hader und Neid sind, Röm. 13, 13. Indem man Christum anzieht, ziehet man herzliches Erbarmen, Freundlichkeit, Demut, Sanftmut und Geduld an (Koloss. 3, 12), man ziehet den neuen Menschen (Eph. 4, 24), und den Harnisch Gottes an (Eph. 6, 11), und so wird die Seele bekleidet, und durch diese Kleidung erneuert, verwandelt und verherrlicht. Ohne Zweifel hat der HErr Jesus auf diese ganze Kleidung Sein Augenmerk gerichtet, da Er dem Bischof zu Laodicea schreiben ließ: Ich rate dir, daß du weiße Kleider von Mir kaufest.

Er nannte diese Kleider weiße Kleider, weil das reine Licht weiß ist (Matth. 17, 2), und die weiße Farbe, worin man die Flecken am deutlichsten sieht, ein Sinnbild der Reinigkeit ist. Man soll diese weißen Kleider von Jesu kaufen, freilich ohne Geld und umsonst, durch Bitten und Flehen: kann sich aber dieselben nicht selber erwerben und machen, und sie eben so wenig von andern Menschen empfahen, obschon diese sich insgemein unterfangen und bemühen, einander zu bilden. In der Absicht auf das gute Fortkommen in der politischen oder bürgerlichen Welt mögen sie es tun: aber in der Absicht auf das Reich Gottes kann kein Mensch den andern durch seine natürliche Kunst bilden oder kleiden. Wenn aber der HErr Jesus die weißen Kleider gibt, so tut sich der Mensch an, das ist, er nimmt begierig an, was ihm Jesus gibt: weil aber diese weißen Kleider auch die Seele nach dem Bild Gottes verwandeln, und die sündlichen Neigungen, die sich oft wieder regen, schwächen und austilgen sollen, so werden auch Gläubige ermahnt, den HErrn Jesum Christum (noch weiter), und den neuen Menschen, und den Harnisch Gottes und Alles, was dazu gehört, noch völliger anzuziehen, wie die oben angeführten Sprüche beweisen. Selig ist aber auch, der da wachet, und seine empfangenen Kleider behält, damit er nicht, wenn er sie wieder fahren ließe, wieder bloß wandle, und man auf’s Neue seine Schande sehe (Offenb. 16, 15).

(Magnus Friedrich Roos)

Mel.: O Jerusalem, du schöne

1) Bloß von Gott erfunden werden,
Das heißt recht mit Schanden steh’n.
Selbst das erste Paar auf Erden
ließ sich nach dem Fall nicht seh’n.
Es verkroch sich vor dem Licht,
Denn die Blätter decken nicht.

2) Sünder, das ist uns geschrieben,
Wir sind bloß in Ewigkeit,
Wenn nicht uns als Seine Lieben
Jesus weiß und ganz bekleid’t.
Darum hing Er als ein Lamm
Bloß und blutend an dem Stamm.

3) Sonst nicht wird uns Gott gewogen,
Uns’re Kleidung ist ein Wust,
Nur wer Jesum angezogen,
Der ist Gottes Augenlust.
Nur in Christi Blut allein
Wascht sich eine Seele rein.

4) Reiner Gott, ich bin ein Sünder,
ziehe doch mir Jesum an,
Daß ich unter Deine Kinder
Unbeschämet stehen kann.
Meine Schande deckest Du
Mit dem Blute Jesu zu.

5) HErr, mein Glaube greift nach Ihme,
Dieser Schmuck steht wohl an mir;
Nur von Ihm ist, was ich rühme,
Nur in Ihm gefall‘ ich Dir.
Stelle bald mich in dem Sohn
Schön geziert vor Deinen Thron!

Abend-Andacht zum 25. Februar, in:

M. Magnus Friedrich Roos, württ. Prälaten zu Anhausen Christliches Hausbuch, welches Morgen= und Abend=Andachten auf jeden Tag des ganzen Jahres nebst beigefügten (Hiller’schen) Liedern enthält, Seite 159f. Nebst einem Anhange von weiteren Gebeten für zwei Wochen und für einige besondere Fälle. Mit dem Lebensabriß des sel. Verfassers, eingeleitet von seinem Urenkel Repetent Fr. Roos. Mit einem Stahlstich. Stuttgart, 1860. Druck und Verlag von J. F. Steinkopf. [Digitalisat]

Lied: Philipp Friedrich Hiller

Eingestellt am 16. Dezember 2022