Jakobus 5, 17+18

Jac. 5, 17+18: Elias war ein Mensch gleichwie wir, und er betete ein Gebet, daß es nicht regnen sollte, und es regnete nicht auf Erden drei Jahr und sechs Monden, und er betete abermal, und der Himmel gab den Regen und die Erde brachte ihre Frucht.

Die eigentliche Absicht, in welcher uns der geheiligte Apostel Jacobus dieses Beispiel des Propheten Elias vor Augen stellet, ging keinesweges dahin, um uns zu lehren, als ob es bloß in dem Willen und in der Macht dieses Propheten gestanden habe, dem Lande den Regen zu verschaffen und zu entziehen, sondern vielmehr dahin, um uns zu zeigen, daß ein gläubiges, rechtschaffenes und Gott wohlgefälliges Gebet eine gar große Kraft habe und sehr vieles ausrichten könne, und damit seinen kurz vorher getanen Ausspruch: „Des Gerechten Gebet vermag viel, wenn es ernstlich ist“ noch mehr zu bestätigen und außer allem Zweifel zu sehen. Daraus erkennen wir denn folgende drei Wahrheiten:

Die erste Wahrheit:

Gott allein ist der Herr des Regens oder derjenige, welcher die Macht hat, den Menschen den Regen entweder zu senden oder aber auch vorzuenthalten, und in dessen Willen es allein stehet, den Himmel aufzutun oder ihn verschlossen zu halten. Diese Macht kommt Gott nicht allein zu als dem Herrn der Natur, als dem Schöpfer, Erhalter und Besorger der Welt, der alles tun kann nach seinem Wohlgefallen und alles in seiner Hand hat, sondern sie wird ihm auch in seinem heiligen Worte vorzüglich und allein zugeeignet. Denn so sagt unter andern der Prophet Jeremias (Kap. 14, 22): Es ist doch ja unter den Heiden Götzen keine,  der Regen könnte geben, so kann der Himmel auch nicht regnen, du bist doch ja der Herr, unser Gott, auf den wir hoffen, denn du kannst solches alles tun. Von dem kommt also die Befeuchtung und Austrocknung der Erde, die Nässe und die Dürre her.

Zu dem wendete sich auch Elias vornehmlich mit seinem Gebet. Dessen Hand, dessen Rat muß man daher allezeit erkennen und in Demut verehren, wenn man siehet, was auf Erden geschiehet. Nicht der Natur, nicht dem Schicksal darf es also der Christ zuschreiben, wenn der Regen kommt und wenn derselbe ausbleibet, sondern dem Herrn der Natur; die Mitwirkung und Regierung Gottes muß er dabei erkennen und sich derselben gänzlich unterwerfen.

Die andere Wahrheit:

Es ist eine große Gnade von Gott,  wenn er den Regen zur rechten Zeit sendet; wenn er aber solches unterlasset, so ist es von ihm eine schwere Strafe. –

In beiderlei Rücksicht betete Elias zu Gott. Zuerst betete er, daß der Regen ausbliebe, und das Volk wegen seinen Sünden bestrafet würde. Hernach aber betete er, daß Gott seine Strafe wegnehmen, seinen Zorn wieder in Gnade verwandeln und das ausgetrocknete Land wieder mit dem Regen erquicken wolle. Und in der Tat ist die Verleihung des Regens eine große Gnade von Gott. Das Erdreich wird dadurch erweichet und zur Hervorbringung seiner Frucht tüchtig gemacht. Der in der Erde liegende Same wird zum Aufgeben bereitet und zum Keimen gebracht, Felder und Wälder werden gestärket, Menschen und Tiere werden erquicket. Die ganze Natur wird belebet und in ihrer Pracht erhalten. Wer muß also nicht den Regen für eine rechte Gnadenwohltat erkennen, welche Gott den Menschen erzeiget. Deswegen verheisset auch der Herr dieselbe vornehmlich den Menschen alsdann, wenn sie würden in seinen Wegen wandeln, seine Gebote halten und darnach tun. Denn so wagt er ausdrücklich 5. B. Mose 11, 13.14.15: Werdet ihr meine Gebote hören, die ich euch heute gebiete, daß ihr den Herrn, euren Gott liebet und ihm dienet von ganzem Herzen und von ganzer Seele, so will ich eurem Land Regen geben zu seiner Zeit, Frühregen und Spätregen, daß du einsammlest Dein Getreide, deinen Most und dein Oel und will deinem Vieh Gras geben auf dem Felde, daß ihr esset und satt werdet. Gleichwie es aber auf diese Weise eine große Gnade von Gott ist, wenn er dem Lande den nötigen Regen gibt, also ist es auch im Gegenteil eine große und schwere Strafe, wenn er denselben zurückhält und das Land mit Dürre, Trocknung und Hitze beleget. Diese Strafe lässet Gott über die Menschen kommen, wenn sie an ihm sündigen und nicht in seinen Geboten wandeln. So gerecht diese Strafe ist, so hart, so empfindlich ist sie auch. Denn wie jämmerlich und erbärmlich stehet es nicht allenthalben, wo der Regen fehlet, wo Hitze und Dürre drücket. Die Erde springt von einander und hat keine Kraft, ihre Gewächse zu liefern. Die Wiesen werden den Einöden gleich, die Bäume verwelken, die Früchte fallen ab, das Vieh dürstet, der Mensch schmachtet, Teurung, Mangel, Krankheiten und Seuchen können leicht entstehen, das ganze Land ist mitten im Sommer gleichsam mit einem Totenkleide angezogen. Trauriger Anblick! Empfindliche Strafe! Siehet man daher dies selbe vor sich, fühlet man sie, so muß man dabei nicht gleichgültig bleiben, sondern vielmehr in sich gehen, seine Versündigungen erkennen und mit einem gedemütigten und bußfertigen Herzen die Versöhnung derselben in Christo Jesu bei Gott suchen und ihn mit zerknirschtem Geist um die Linderung und Abwendung seiner gerechten Strafen anrufen.

(Johann Friedrich Starck)

Quelle:

Johann Friedrich Starcks, gewesenen Evangelischen Predigers und Consistorial=Raths zu Frankfurt am Mayn Tägliches Handbuch in guten und bösen Tagen. Enhaltend Aufmunterungen, Gebete und Lieder zum Gebrauch gesunder, betrübter, kranker und sterbender Christen. Welchem beygefügt ist, Ein tägliches Gebetbüchlein für Schwangere, Gebårende und Unfruchtbare. Durchgesehen, verändert und vermehret von M. Johann Jacob Starck, vormals Prediger an der Haupt=Kirche zu St. Catharinen in Frankfurt am Mayn. Mit fünf Holzschnitten. Philadelphia, Herausgegeben von Georg W. Mentz und Sohn, Buchhändler, Nro. 53 in der Nord=Drittenstraße. 1831. Stereotypirt von J. Howe, Philadelphia. [Digitalisat]
Eingestellt am 23. Juni 2023 – Letzte Überarbeitung am 23. Juni 2023