Glatten Stellen, Gefahr der

Wenn man den Grimsel passiert hat, auf dem Weg nach Handeck zu, kommt man zu einer in roten Marmor gehauenen Straße, so glatt poliert, daß sie, auch wenn nicht, wie gewöhnlich, eine dünne Schneelage sie bedeckt, doch äußerst gefährlich ist. Obwohl Stufen darin gehauen und rauhe Stellen über den Stein gemacht sind, würde der doch tollkühn sein, der versuchen wollte, auf diesem schlüpfrigen Pfade zu reiten, der die «Höllenplatte*» genannt wird aus Gründen, die auf der Oberfläche glitzern.

Panoramablick: Grimselsee (links) und Räterichsbodensee (rechts)

«Absteigen», heißt es, und niemand zögert zu gehorchen. – Es gibt viele solcher Höllenplatten auf dem Wege nach der himmlischen Stadt – glatte Stellen des Vergnügens, der Bequemlichkeit, der Schmeichelei, der Selbstzufriedenheit und desgleichen, und es wird das Klügste sein, wenn ein Pilger, der gern auf dem hohen Pferde geritten ist, sofort absteigt und demütig mit seinem Gott wandelt. Jener «verzauberte Boden», von dem Bunyan uns sagt, daß die Luft dort eine einschläfernde Wirkung hat, ist gerade die Stelle, von der wir reden; die Menschen müssen wachsam sein, wenn ihr Pfad durch dieses trügerische Land geht.

Man hat gesagt, daß auf ruhiger See jeder ein Steuermann sein könne; aber wir möchten das bezweifeln; Windstillen haben Gefahren, die Stürmen ganz unbekannt sind, Felsen und Sandbänke sind darum nicht weniger gefährlich, weil das trügerische Meer, das sie bedeckt, den Seefahrer sanft anlächelt. Nicht versucht werden, ist eine große Versuchung.

Sicherheit erzeugt Sorglosigkeit, und Sorglosigkeit ist die Mutter des Verderbens. Als die Stadt «Menschenseele» in Frieden lag, lud «Fleischliche Sicherheit» die Bürger zu ihren verhängnisvollen Festen ein, und der Fürst Immanuel ging fort; möge dies Ergebnis uns warnen vor einem gleichen Uebel.


Quelle:
Charles Haddon Spurgeon, Federn für Pfeile, oder Illustrationen für Prediger und Lehrer. Aus meinem Notizbuch von C. H. Spurgeon. Autorisierte Übersetzung von E. Spliedt, Seite 43f. (Verlag von Max Kielmann, Heilbronn 1897)

Schriftstellen

Ja, du setzest sie aufs Schlüpfrige und stürzest sie zu Boden. Wie werden sie so plötzlich zunichte! Sie gehen unter und nehmen ein Ende mit Schrecken. (Psalm 73, 18.19)

Wachet und betet, daß ihr nicht in Anfechtung fallet! Der Geist ist willig; aber das Fleisch ist schwach. (Matthäus 26, 41, Markus 14, 38)

Den Reichen von dieser Welt gebiete, daß sie nicht stolz seien, auch nicht hoffen auf den ungewissen Reichtum, sondern auf den lebendigen Gott, der uns dargibt reichlich, allerlei zu genießen; (1. Timotheus 6, 17, Psalm 62, 10)


Grimselpaß, Paßstraße

*) Auf glatten Felsplatten zwischen Handegg und Chüenzentennlen trifft man auf alte, aus dem Fels gehauene Stufen. Die sogenannte Hälenplatte liegt etwas oberhalb des heutigen Wanderwegs. „Häl“ bedeutet im Dialekt des Tals soviel wie „glatt, schlüpfrig“ . In manch einem Reisebericht wurde aus der Hälenplatte die „Höllenplatte“, was angesichts der gefährlichen glitschigen Situation hoch über der tosenden Aare nicht weiter erstaunt.

Quelle: Signer, Barbara, Abschnitt „Erste Etappe: Guttannen – Grimselpass, aus der Masterarbeit PH Bern, “ [pdf-Format]
Bildquellen:
Panoramablick: Alchemist-hp, Lizenz:  CC-BY-NC-ND 3.0, via Wikimedia ommons
Grimselpaß, Paßstraße: Pascal Gertschen, CC BY-ND, Valais/Wallis Promotion
Eingestellt am 7. September 2023