Jesu Leiden, Pein und Tod (Paulus Stockmann)

Passion. Gethsemane.

1) Jesu Leiden, Pein und Tod,
Jesu tiefe Wunden,
Haben Menschen, die nur Kot,
Heilsamlich verbunden.
Menschen! Schafft die Sünden ab,
Wir sind Christen worden,
Sollen kommen aus dem Grab
In der Engel Orden.

2) Jesus in den Garten ging,
Traurig von Gebärden,
Mit Gebet das Werk anfing,
Knieet auf die Erden,
Seine Seel bis in den Tod
Heftig war betrübet,
Schau, in was für große Not
Er für dich sich giebet.

3) Wachet betet, Jesus spricht,
Daß ihr nicht verzaget,
Der Geist sich zwar hoch verpflicht’t,
Das Fleisch sich nicht waget.
Mit Gebet fang alles an,
Wenn es soll gelingen.
Sei nicht ein vermess’ner Mann
In so schweren Dingen.

4) Jesu! dem der Engel Chor
Unverwend’t aufwarten,
Den zu stärken kam hervor
Ein Engel im Garten;
Wenn kommt meine letzte Zeit,
Dein Engel mich stärke,
Damit ich im letzten Streit
Todesangst nicht merke.

5) Jesu! dein blutroter Schweiß,
Dein betrübtes Zagen
Macht die schwarzen Sünden weiß,
Kann Wehmut verjagen:
Menschen! zaget nicht so sehr,
Christus hat erduldet,
Was ich, du und and’re mehr
Tausendmal verschuldet.

6) Mit ein’m Kuß Judas, der Feind,
Ward ein Gott’s=Verräter,
Der doch nennet einen Freund
Diesen Übeltäter.
Wenn dich auch die falsche Welt
Also will betrügen,
Böses mit Gutem vergelt‘,
Alsdenn wirst du siegen!

7) Alle Jünger laufen weg,
Lassen Jesum stecken,
Petrus selbst, der vor so keck,
Weiset ihm den Rücken:
Gott hält aus geduldiglich,
Der hat auch gelitten.
Der mir hilft und läßt noch nicht
Ab, für mich zu bitten.

8) Jesus, ohne Missetat
Im Garten vorhanden,
Da man ihn gebunden hat
Fest mir harten Banden:
Wenn uns will der böse Feind
Mit der Sünde binden,
So laß uns, o Menschen=Freund!
Dadurch Lösung finden!

9) Falsche Zeugnis, Hohn und Spott,
Speichel auch der Knechte,
Leidet der viel fromme Gott,
Der allein Gerechte:
Und du sündige Gestalt,
Willst zu Tod‘ dich härmen,
Wann Verfolgung mit Gewalt
Auch auf dich los stürmen.

10) Petrus, der nicht denkt zurück,
Seinen Gott verneinet,
Der doch auf den ernsten Blick
Bitt’re Tränen weinet:
Jesu, blicke mich auch an,
Wenn ich nicht will büßen,
Wenn ich Böses hab‘ getan,
Rühre mein Gewissen!

11) Judas denkt sich; und darauf,
Den Landpfleger reizend,
Schreit des Volkes ganzer Hauf‘:
Weg, nur weg, ans Kreuze!
Nicht nur Judas, sondern ich,
Und die Missetaten,
Haben unbarmherziglich
Meinen Gott verraten.

12) Jesu Blut den Juden ist
Tod und lauter Hölle;
Prüfe sich ein jeder Christ,
Daß er sich recht stelle,
Wenn er will das teure Blut
Würdiglich genießen,
Sollen aus betrübtem Mut
Zuvor Tränen fließen.

13) Jesus sein Kreuz selber trägt,
Dran man ihn will heften,
Simon, dem ’s auch aufgelegt,
Trägt mit allen Kräften,
Doch gezwungen er es faßt:
Gib, Herr, Kraft und Gaben,
So will ich ein Teil der Last
Ungezwungen tragen!

14) Jesus angenagelt ist,
An das Kreuz sehr feste,
Beides, durch Gewalt und List
Seiner Freund‘ und Gäste.
Menschen, die ihr lose seid,
Könnt euch ihm verbinden,
Wenn ihr von Unrecht beizeit
Wollt zurecht euch finden.

15) Jesu, deine beiden Händ‘,
Und auch deine Füße,
Alle viere vor vier End‘
Aller Welt jetzt büßen:
Hier ist gar kein Unterscheid
Unter Jud‘ und Türken,
Gnade allen ist bereit,
Wo dein Geist tut wirken!

16) Jesu dir, dem Opfer=Lamm
Fließen heiße Tränen,
Auf zu deines Kreuzes=Stamm,
Wallt ein banges Sehnen;
Du bist ganz mit Blut bedeckt,
Senkst dein Haupt zur Erden,
Und vertreibest, was uns schreckt:
Ich kann selig werden.

17) Jesu, unter deinem Kreuz
Stehe ich und weine,
Weil ich seh‘, daß allerseits,
Vom Haupt auf die Beine,
Fleußt dein Blut, der edle Saft,
Als der Leib zerbürstet,
Das gibt mir vollkomm’ne Kraft,
Wonach mich sehr dürstet,

18) Die Kriegs=Knechte teilen sich
In des Herren Kleider,
Spielen d’rum gar liederlich:
Also geht es leider:
Wer zu Christo sich bekennt,
Den will der Feind fressen,
Darum raubet er und brennt
Ueberall vermessen.

19) Jesus hänget an dem Holz,
Und bitt’t für die Täter,
Die ihn hassen steif und stolz,
Mehr als sein Verräter:
Deine Sünden töten ihn,
O Mensch, das bereue;
Sein‘ Vorbitt‘ ist dein Gewinn,
Dich hinwieder freue.

20) Er nahm alles wohl in acht,
In der letzten Stunden;
Seine Mutter noch bedacht,
Setzt ihr ein’n Vormunden:
O Mensch! mache Richtigkeit,
Gott und Menschen liebe,
Sterb‘ darauf  ohn‘ alles Leid,
Und dich nicht betrübe.

21) Jesus dem das Paradies
Offenherzig schenket,
Mit ein’m Schwur ihm das verhieß,
Der nur sprach: Gedenket!
Denk, o Mensch, und bitte Gott,
Daß er dein gedenke,
In so vielfältiger Not
Linderung dir schenke.

22) Unglück dem das Leben bracht‘,
Der schon war verloren,
Und hieran wohl nie gedacht,
Wird von Gott erkoren;
Also kann dir deine Not
Auch nicht wenig dienen,
Treibet dich, mit deinem Gott
Durch Buß‘ zu versühnen.

23) Mein Gott, mein Gott, Jesus rief,
Wie bin ich verlassen,
Fühle in der Angst so tief
Leiden ohne Maßen:
Ruf auch du, wenn Not ist da,
Gott an, deinen Herren,
Er will dennoch dir sein nah,
Ob er gleich ist ferren.

24) Jesu gab man bitt’re Gall,
Unserm Leidens=Fürsten,
Der da ist mein einzig all‘,
Muß für Armut dürsten:
JEsus, wann ich leide Not,
Will mit dir ich leiden,
Daß ich mag bei dir, o Gott!
Bleiben ungescheiden.

25) Jesus alles hat vollbracht,
Was von den Propheten
Lange vorher ist gesagt,
Nichts mehr ist vonnöten:
Weine nicht, nur Christi Werk‘
Haben all’s erworben,
Wann der Trost mich nicht gestärkt,
Wär‘ ich längst verdorben.

26)Vater! Jesus allermeist
Rief an seinem Ende:
Ich befehle meinen Geist
Dir, in deine Hände.
Meine Seele meinem Gott
Will ich stets befehlen;
O! da wird sie keine Not
Nimmermehr nicht quälen.

27) Als geschehen war die Bitt‘,
Jesus sein Haupt neiget,
Hangend am Holz so verschied,
Seine Knie beuget:
Hören will er deine Wort‘,
Küssen sein‘ Erlösten;
Seinen Vater loben dort,
Die sich seiner trösten.

28) Finsternis die ganze Welt
Decket; das Erdbeben  Matthäus 27, 52-54
Auch die harten Felsen spält,
Tote sich erheben:  Johannes 5:25-29
Kann mein toter Jesus nun
Solches tun jetzunder,
Wie vielmehr wird er dann tun,
Herrschend große Wunder.

29) Jesus ist ein frommer Mann,
Gottes Sohn gewesen,
Wie wir denn von dem Hauptmann,
Auch viel andern lesen,
Die sich schlugen an die Brust,
Ließen ab von Sünden:
Wer zur Besserung hat Lust,
Mag beizeit sich finden.

30) Ein Schand=bube und Soldat
Jesum in die Seite
Mit dem Spieß gestochen hat,
Da sah’n viele Leute,
Wie das Blut und Wasser rann
Runter auf die Erden,
Wodurch beides, Weib und Mann
Sollen selig werden.

31) Jesu, du liegst in der Erd‘,
Als ein Wurm, begraben,
Laß mich, wenn ich sterben werd‘,
Ruh‘ im Grabe haben:
So werd‘ ich, Herr Jesu Christ,
Durch dein‘ Kraft und Wunden,
Dermaleinst, wann es Zeit ist,
Sicher wieder funden.

32) Jesu, selig werd‘ ich sein,
Ich bin’s schon durch Hoffen,
Weil ich von der Sünden=Pein,
So mich je betroffen,
Durch dein Blut erlöset bin:
Teure, teure Schätze!
Daran ich mit Herz und Sinn
Ewig mich ergötze.

33) Jesu, deine Passion
Ist mir lauter Freude,
Deine Wunden, Kron‘ und Hohn
Meines Herzens Weide.
Meine Seel‘ auf Rosen geht,
Wann ich d’ran gedenke;
In dem Himmel eine Stätt‘
Mir deswegen schenke.

34) Jesu, der du warest tot,
Lebest nun ohn‘ Ende:
In der letzten Todes=Not
Nirgends hin mich wende,
Als zu dir, der mich versöhnt.
O mein trauter Herre,
Gib mir nur, was du verdient,
Mehr ich nicht begehre.

Liedtext: Paulus Stockmann (1603-1636)
Melodie: Melchior Vulpius (um 1570-1615) – Ein schön geistlich Gesangbuch, Jena 1609.
»Jesu, deine Passion« (EG 88); »Christus, der uns selig macht«;
Andere Melodie: 1653, J. Crüger »Schwing dich auf zu deinem Gott«

Quellen:

Lied Nr. 526, in: Vollständiges Marburger Gesang=Buch: Zur Uebung der Gottseligkeit, in 615 christlichen und trostreichen Psalmen und Gesängen Hrn. D. Martin Luther’s und anderer gottseliger Lehrer, Ordentlich in XII. Theile verfasset. Auch zur Beförderung des sowohl öffentlichen Kirchen- als Privat-Gottesdienstes, mit erbaulichen Morgen= Abend= Buß= Beicht= und Communion=Gebätern vermehret. Neue und von Druckfehlern sorgfältig gereinigte Ausgabe. Gedruckt bey Carl Cist, Num. 104, in der Zweyten=straße, nah am Eck der Rehs=straße, Philadelphia 1799. [S. 203ff. Digitalisat]

Lied Nr. 86, in: Erbauliche Lieder-Sammlung zum gottesdienstlichen Gebrauch in den Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Gemeinen in Pennsylvanien und den benachbarten Staaten, sammlet, eingerichtet und zum Druck befördert durch das hiesige Deutsche Evangelisch-Lutherische Ministerium. Achte, vermehrte und mit einem Melodien-Register versehene Auflage. D. Heinrich Melchior Mühlenberg (Editor); Germantaun [Pa.], Gedruckt bey M. Billmeyer, 1826 (enthält 34 Strophen, externer Link zu Hymnary.org)

Notensatz: Der Christen Leib=Stücke. Oder Historia von dem Leiden Christi. Also auffgesetzet und abgefasset / daß ein jedes Gesetz einen Theil von der Historien und desselben Theils Nutzen zugleich in sich begreifft. Von M. Paulo Stockmannen. Leipzig. Gedruckt bey Henning Köhlern und bey Samuel Scheiben zu finden. 1641. [EX BIBLIOTHECA ACAD. GEORGIAE AUGUSTAE. Digitalisat bei deutsche-digitale-bibliothek.de]

 


Schriftstellen

Da sprach Jesus zu ihnen: „Meine Seele ist betrübt bis an den Tod; bleibet hier und wachet mit mir!“ (Matthäus 26, 38)

Und die Erde erbebte, und die Felsen zerrissen, die Gräber taten sich auf, und standen auf viele Leiber der Heiligen, die da schliefen, und gingen aus den Gräbern nach seiner Auferstehung und kamen in die heilige Stadt und erschienen vielen. Aber der Hauptmann und die bei ihm waren und bewahrten Jesus, da sie sahen das Erdbeben und was da geschah, erschraken sie sehr und sprachen: Wahrlich, dieser ist Gottes Sohn gewesen! (Matthäus 27, 52-54)

Denn siehe, Finsternis bedeckt das Erdreich und Dunkel die Völker; aber über dir geht auf der HERR, und seine Herrlichkeit erscheint über dir.
(Jesaja 60, 2)

Weblinks und Verweise

Seite »Jesu Leiden, Pein und Tod« in der englischsprachigen Wikipedia

Liedeintrag und Melodieseite (M. Vulpius) bei Hymnary.org
Notensatz, 4stimmig, ohne Liedtext (pdf-Datei, Weimar, M. Vulpius)
Audiofiles (midi und mp3, jeweils externe Links zu Hymnary.org)

Audiofile (midi) der Melodie (M. Vulpius, externer Link zu www.l4a.org)

Choralmelodienseite bei Bach Cantatas Website (Archivfassung im Web Archive)

Koch, Eduard Emil: Geschichte des Kirchenlieds und Kirchengesangs, S. 85f.

Tschackert, Paul: Stockmann, Paul in: Allgemeine Deutsche Biographie 36 (1893), S. 295 [Online-Version]

Vulpius, Melchior: Ein schön geistlich Gesangbuch. Erfurt & Jena: Heinrich Birnstiel; Johann Weidner, 1609.

Zahn, Johannes (1891). Die Melodien der deutschen evangelischen Kirchenlieder. Vol. IV. Gütersloh: Bertelsmann. pp. 19–20. (externer Link zur Archivseite im WebArchive)


Eingestellt am 6. März 2024 – Letzte Überarbeitung am 9. September 2024