Jesaja 49, 16

Siehe, in die Hände habe ich dich gezeichnet; deine Mauern sind immerdar vor mir. (Jesaja 49, 16)

Das Wort des Propheten geht auf Jerusalem, überhaupt auf das Volk des HErrn, das zerstört war, oder von dem Propheten Jesaja, der etwas früher lebte, als zerstört gedacht wurde, und welches wiederherzustellen Gott beständig im Auge hatte. „In die Hände habe Ich dich gezeichnet,“ sagt der HErr, d. h. „zur beständigen Erinnerung habe Ich’s in Meine Hand geschrieben, daß Ich’s, wenn Ich nur Meine Hand aufmache, lese.“ Natürlich ist das menschlich gesprochen, um es lieblich und wohltuend für uns zu sagen. Es wird vorgestellt, wie wenn unser Eins sich ein Zeichen macht, um durch dieses Zeichen beständig erinnert zu werden. So wirds auch hier von Gott vorgestellt, als habe Er sich zur Erinnerung ein Zeichen in der Hand gemacht. Es drückt das nachdrücklich aus, wie es Gottes ernstester Vorsatz war, Jerusalem wieder herzustellen und das Volk wieder in Ordnung zu bringen. „Deine Mauern, deine zerstörten Mauern sind immerdar vor Mir,“ sagt der HErr, d. h. „Ich muß immer an sie denken, sie wieder aufbauen zu lassen.„ Dieß ist nun auch wirklich geschehen. Denn schon 70 Jahre nach der Zerstörung wurden die Anfänge zur Wiederaufrichtung des Staats gemacht.
Des HErrn Wort hat aber auch eine allgemein gültige Bedeutung. Was nemlich vom ganzen Volk gesagt wird, daß der HErr seiner gedenke, darf das einzelne Volksglied auch auf sich anwenden, als ein Teil des Ganzen. Was ferner zum alten Bundesvolk gesagt wird, giebt auch dem neuen etwas, und wiederum wie dem ganzen neuen Bundesvolke, so auch den einzelnen Bundesgliedern. Denn Gott bleibt Sich in Seiner Treue gleich, und was Er einem Geschlechte in der Vorzeit war, ist ein Vorbild dessen, was Er zu allen Zeiten denen ist und sein will, die Er Sein nennen kann, oder zu Seinem Eigenthum machen will. So hat Er jetzt alle Völker in Seine Hund gezeichnet, und deren Verstörung ist immerdar vor Ihm, weil Er den bestimmten Vorsatz hat, alle aufzurichten und in Sein Reich hereinzubringen, durch das inzwischen eingetretene Evangelium. Ebenso hat Er alle Gläubigen wieder besonders in Seine Hand gezeichnet, ihrer zu gedenken, daß Er das, was in ihnen noch Verstörtes und Verheertes liegt, möge noch in Ordnung bringen.
Hienach dürfen alle Menschen, namentlich die bereits als in Seine Gnade aufgenommen gelten, sich als solche ansehen, die der HErr in Seine Hände gezeichnet habe, die Ihm also beständig anliegen, daß sie möchten aus aller Verwirrung und Verkommenheit herauskommen, und etwas werden für Ihn, und gerettet werden durch Ihn. Besonders, die in großem Jammer und Elend sind, leiblich oder geistlich, dürfen sich’s wohl denken, daß der HErr ihrer gedenke, und beständig ihrer gedenke, gleichsam ihretwegen sich ein Zeichen gemacht habe, um sie nicht zu vergessen, und daß Er sicher seiner Zeit ihnen die nötige Hülfe leiste. Jede Seele liegt Ihm unzweifelhaft an mit größter Sorgfalt. Zum rechten Glauben aber gehört, – und wir sind ja durch des HErrn Wort selbst dazu berechtigt, – daß man sich als unter der besondersten Pflege Gottes durch JEsum Christum stehend denkt. Solches ist der Höhepunkt des christlichen Glaubens, dabei man’s festhält, daß die eigene Seele so viel vor Gott gelte, daß Er alles im Stande ist zu tun, um sie zu erretten. – Hingegen darin tut der Feind uns am Meisten Tuck an, wie der Lehrtext uns andeutet.

(Johann Christoph Blumhardt)

Mel.  „Befiehl du deine Wege“

Dich mag es nicht gereuen,
Daß Du uns ruhen heißst;
Es darf sich Niemand scheuen,
Weil Du sein Elend weißst.
In aller Noth zu flehen,
Ist Allen frei erlaubt;
Und Allen soll geschehen,
Wie ihr Herz wünscht und glaubt.

Quelle: Andacht vom 30. Juli 1862 (Charfreitag), aus:  Sammlung von Morgen=Andachten nach Losungen und Lehrtexten der Brüdergemeine, gehalten (in den Jahren 1862 und 1863) zu Bad Boll von Pfarrer Blumhardt. Für Freunde herausgegeben. Zweite, wenig veränderte Ausgabe. Zu haben in Bad Boll, 1873.
[Seite 149ff.; DigitalisatEintrag bei Wikisource]


Die Hände bedeuten die göttliche Macht und göttliche Wirkungen. So spricht er nun: Ich kann deiner nicht vergessen, denn du bist in meine Hände gezeichnet, das ist, ich bin deiner bei allem, was ich thue, eingedenk; ich mag Tyrannen oder Secten wider dich erwecken; in Summa, alles, was ich thue, das thue ich zu deinem Besten; gleichwie Paulus spricht:

Denen, die Gott lieben, müssen alle Dinge zum Besten dienen, Röm. 8, 28.

Also öffnete der Kaiser Augustus durch den Frieden die Welt, damit das Evangelium desto weiter könnte ausgebreitet werden; also hat der König zu Babel die Juden gen Babel geführet, damit das Wort und Gesetz Gottes auch unter die Heiden ausgestreuet würde; also fand Joseph an dem Hofe des Königs Pharao einen Zutritt, damit er die Religion daselbst pflanzete und ihr Wachsthum beförderte.

Also spricht er: Alles was ich wirke, es sei Gutes oder Böses, das geschieht um deiner und deines Nutzens willen. Du bist mir allezeit vor meinen Augen, weil du in meine Hände gezeichnet bist. Das sind Worte des Glaubens, die man glauben muß. Denn wenn man die Vernunft zu Rathe zieht, so lässet sich das Widerspiel ansehen.

(Martin Luther)

Quelle: Glaubensstimme – Die Archive der Väter / Jesaja 49, 16


Eingestellt am 10. Dezember 2024