Apostelgeschichte 19, 2

Habt ihr den heiligen Geist empfangen, da ihr gläubig wurdet?
Apostelgeschichte 19, 2

Betrachtung zum 31. Mai

Wie eigenthümlich klingt diese Frage in den Ohren jetziger Christen! In unserer Zeit sagt man ganz einfach: jeder wahrhaft gläubige Christ hat den heiligen Geist, während doch Paulus fragt: habt ihr, da ihr  g l ä u b i g  w u r d e t, den heiligen Geist empfangen? Nun könnte man allerdings sagen: Diese Epheser hatten die christliche Taufe noch nicht empfangen und darum hatten sie den heiligen Geist nicht. Diese Behauptung hilft uns aber nicht aus der Unklarheit.

Wir haben gestern gesehen, daß die gläubigen und  ge t a u f  t e n  Samariter den heiligen Geist auch noch nicht empfangen hatten. Der Unterschied zwischen unsern heutigen Christen und den Aposteln liegt darin, daß die Apostel etwas anderes unter dem heiligen
Geist verstanden als die meisten jetzigen Christen. Wenn der heilige Geist in der apostolischen Zeit in einem Menschen Buße und Glauben an Jesum Christum gewirkt hatte, so daß der Mensch Vergebung der Sünden glauben konnte, so sagten die Apostel: in diesem Menschen  w i r k t  der heilige Geist; er bereitet das Herz des Menschen zu zum Empfangen der Gabe des heiligen Geistes. Jetzt aber heißt man das Wirken des Geistes zur Buße und Glauben nicht mehr Vorbereitung zum Empfang der Pfingstgabe, sondern man setzt die vorbereitende Arbeit an die Stelle der Pfingstgabe, so daß man bei Christen, die lange nicht soweit sind, wie die Apostel bei der Himmelfahrt Jesu waren, heute ganz beherzt behauptet: sie haben den heiligen Geist empfangen. Es sei ferne von mir, nicht jede Spur von Geisteswirkung in irgend einem Menschen anerkennen zu wollen; seien wir dankbar für jeden Zug des Vaters zum Sohne. Wenn wir aber die große Geitesschwäche der meisten heutigen Christen mit Händen greifen können, so tun uns zwei Dinge Not:

Erstens, eine klare Antwort auf die Frage: was fehlt uns? und zweitens eine ebenso klare Antwort auf die Frage: was ist uns verheißen? Es fehlt uns die Fülle des Geistes, und diese Fülle ist uns verheißen. Hast du im Glauben an Jesum Vergebung der Sünden, so öffne dein ganzes Herz für die Fülle des Geistes; zweifle nicht! Sie ist dir erworben durch Christum.

Haupt Deiner Gemeinde! Öffne Deinem Volk die Augen für die Fülle des Geistes.   Amen.

Elias Schrenk
(1831-1913)

Quelle: Suchet in der Schrift. Tägliche Betrachtungen für das ganze Jahr mit Anhang, S. 152. Von E. Schrenk. 2. Auflage, 32. bis 36. Tausend. Kassel. Druck und Verlag von Ernst Röttger, 1892.