Die Unfehlbarkeit der Schrift (Spurgeon)

„Der Mund des Herrn sagt es.“
(Jesaja 1, 20)

„Der Mund des Herrn hat es gesprochen“. (n. d. engl. Übers.)

Was Jesaja sagte, war deshalb von Jahwe gesprochen. Es war hörbar die Rede eines Menschen, aber in Wirklichkeit war es die Rede des Herrn selber. Die Lippen, von denen die Worte kamen, waren die des Jesaja, aber dennoch war es die Wahrheit, daß „der Mund des Herrn es sagte.“ Die ganze Schrift ist, da sie von dem Heiligen Geist eingegeben ist, durch den Mund Gottes gesprochen. Wie immer dies heilige Buch heutzutage auch behandelt werden mag; so viel ist sicher, es wurde nicht verächtlich, nicht nachlässig, nicht mit aufgeworfenen Zweifeln von dem Herrn Jesus Christus, unserem Meister und Herrn, behandelt. Es ist bemerkenswert, wie Er das geschriebene Wort verehrte. Der Geist Gottes ruhte auf Ihm ohne Maß; Er konnte aus seinem eigenen Geist heraus die Offenbarung Gottes verkünden, und doch führte Er beständig das Gesetz, die Propheten und die Psalmen an und behandelte stets die heiligen Schriften mit großer Ehrerbietigkeit in starkem Gegensatz zu der Unehrerbietigkeit des „modernen Denkens“. Ich bin überzeugt, Brüder, daß wir nicht unrecht haben können, wenn wir das Beispiel unseres göttlichen Herrn nachahmen in unserer Ehrfurcht vor der Schrift, die „doch nicht gebrochen werden kann“ (Joh. 10, 35). Ich sage: Wenn Er, der als der Gesalbte des Geistes fähig war, selber als Gottes Mund zu sprechen, dennoch die heiligen Schriften anführte und das heilige Buch bei seinem Lehren gebrauchte, wieviel mehr sollten wir, auf denen kein Geist der Weissagung ruht und die nicht fähig sind, neue Offenbarungen zu verkünden, zu dem Gesetz und dem Zeugnis zurückkommen und jedes einzelne Wort schätzen, das „der Mund des Herrn sagt“?

Die gleiche Wertschätzung des Wortes des Herrn wird bei unseres Herrn Aposteln gesehen; denn sie behandelten die alten Schriften als von der größten Autorität und unterstützten ihre Aussagen mit Stellen der Heiligen Schrift. Der höchste Grad von Achtung und Ehrfurcht wird dem Alten Testament von den Schriftstellern des Neuen Testaments erwiesen. Wir finden nie, daß ein Apostel eine Frage aufwirft über den Grad der Inspiration in diesem oder jenem Buch. Kein Jünger Jesu bezweifelt die Autorität der Bücher Mose oder der Propheten. Wenn ihr mäkeln oder verdächtigen wollt, so findet ihr kein Mitgefühl in den Lehren Jesu oder eines seiner Apostel. Die neutestamentlichen Schriftsteller stehen ehrfurchtsvoll vor dem Alten Testament und nehmen Gottes Worte ohne irgendeinen Zweifel als solche an. Ihr und ich gehören einer Schule an, die fortfahren wird, das Gleiche zu tun, welches Verfahren andere auch einschlagen mögen. Für uns und für unser Haus soll dieses unschätzbare Buch der Maßstab unseres Glaubens und der Grund unserer Hoffnung bleiben, so lange wir leben. Andere mögen Götter wählen, die sie wollen, und Autoritäten, die ihnen zusagen, folgen; aber, soweit es uns angeht, halten wir uns an den Herrn, der unser Gott ist, und wir glauben von jeder Lehre der ganzen Heiligen Schrift, daß „der Mund des Herrn es gesagt hat“.

I.

Wie wir unserem Text: „Der Mund des Herrn hat es gesprochen“, näher treten, soll unser erster Teil sein: Dies ist unsere Garantie für das Lehren der Schriftwahrheit. Wir predigen, weil „der Mund des Herrn es gesprochen hat“. Es würde der Mühe nicht lohnen, wollten wir über das reden, was Jesaja gesprochen hat, wenn nicht mehr darin wäre als Jesajas Gedanken; ebensowenig würden wir Stunde für Stunde über die Schriften des Paulus nachdenken, wenn nicht mehr in ihnen wäre als die Gedanken des Paulus. Wir fühlen keinen gebieterischen Ruf, zu erklären und einzuschärfen, was von Menschen gesprochen worden ist; aber da der Mund des Herrn es gesprochen hat, so heißt es: Wehe uns, wenn wir das Evangelium nicht predigten! Wir kommen zu euch mit: „So spricht der Herr“, und wir haben keinen Grund, unsere Tage mit Predigen zuzubringen, wenn wir nicht diese Botschaft bringen. Der wahre Prediger, der Mann, den Gott beauftragt hat, richtet seine Botschaft mit Furcht und Zittern aus, denn „der Mund des Herrn hat es gesprochen“. Er trägt die Last des Herrn und ist gebeugt darunter.

Unser Thema ist kein geringfügiges, sondern eins, welches unsere ganze Seele bewegt.

Man nannte George Fox einen Quäker (Zitterer), weil er, wenn er redete, ungemein vor der Kraft der Wahrheit zitterte, die er so völlig empfand. Vielleicht würdet ihr und ich auch zittern, wenn wir klarere Einsicht in Gottes Wort besäßen, es fester ergriffen hätten, mehr seine Majestät fühlten. Martin Luther, der nie das Antlitz eines Menschen fürchtete, erklärte doch, daß seine Knie oft schlotterten unter dem Gefühl seiner großen Verantwortlichkeit, wenn er auftritt, um zu predigen. Wehe uns, wenn wir wagen, das Wort des Herrn mit weniger als unserem ganzen Herzen und Seele und Kräften zu sprechen! Wehe uns, wenn wir das Wort behandeln, als wäre es eine Gelegenheit zu einer Selbstdarstellung! Wenn es unser eigenes Wort wäre, so könnten wir uns der Anmut der Redekunst bemühen; aber wenn es Gottes Wort ist, so dürfen wir nicht an uns selber denken: wir sind verpflichtet, es zu sprechen, „nicht mit klugen Worten, auf daß nicht das Kreuz Christi zunichte werde.“

Wenn wir vor dem Wort Ehrfurcht haben, wird es uns nicht in den Sinn kommen, daß wir es durch unsere eigene Redekunst verbessern könnten. O, es wäre viel besser, Steine auf der Landstraße zu klopfen, als ein Prediger zu sein, dem Gottes Heiliger Geist nicht Unterstützung gewährte; denn unsere Aufgabe ist ernst und unsere Last ist schwer. Herz und Seele eines Mannes, der für Gott spricht, kennen keine Gemächlichkeit, denn in seinen Ohren klingt jene warnende Mahnung: „Wenn der Wächter sie nicht warnt, werden sie sterben, aber ihr Blut will ich von seiner Hand fordern.“ (Hes. 3, 18; 33, 8). Wenn wir beauftragt wären, die Worte eines Königs zu wiederholen, so wären wir verpflichtet, es in anständiger Weise zu tun, damit der König nicht Schaden litte; aber wenn wir die Offenbarung Gottes verkündigen, so sollte uns tiefe Ehrfurcht ergreifen und eine fromme Furcht, daß wir die Botschaft Gottes entstellen könnten bei ihrer Verkündigung. Kein Werk ist so wichtig oder ehrenvoll wie die Verkündigung des Evangeliums unseres Herrn Jesus, und gerade aus diesem Grunde lastet eine so ernste Verantwortung darauf, daß niemand sie mit leichtem Herzen übernehmen und damit fortfahren darf ohne ein überwältigendes Gefühl, daß er großer Gnade bedürfe, um sein Amt richtig zu verwalten.

Wir leben unter starkem Druck, die wir ein Evangelium predigen, von dem wir mit Sicherheit sagen können: „Der Mund des Herrn hat es gesprochen“. Wir leben mehr in der Ewigkeit als in der Zeit: wir reden zu euch, als sähen wir den großen weißen Thron und den göttlichen Richter, vor dem wir unsere Rechnung ablegen müssen, nicht allein von dem, was wir sagen, sondern auch davon, wie wir es sagen.

Liebe Brüder, weil der Mund des Herrn die Wahrheit Gottes gesprochen hat, so bemühen wir uns, sie mit völliger Treue zu predigen. Wir wiederholen das Wort, wie ein Kind seine Lektion wiederholt. Es ist nicht unsere Sache, die göttliche Offenbarung zu berichtigen, sondern wir sollen einfach ihr Echo sein. Ich halte es nicht für mein Amt, euch eigene neue und originelle Gedanken zu bringen; sondern lieber zu sagen: „Das Wort, das ihr hört, ist nicht meines, sondern das des Vaters, der mich gesandt hat.“ Da ich glaube, daß „der Mund des Herrn es gesprochen hat“, so ist es meine heiligste Aufgabe, es so genau, wie ich es nur kann, zu wiederholen, nachdem ich es gehört und in meinem eigenen Innersten empfunden habe. Es ist nicht meine Sache, das Evangelium zu verbessern oder anderen bequem zu machen. Was! Sollen wir versuchen, das zu verbessern, was Gott geoffenbart hat? Der unendlich Weise – soll Er von Geschöpfen des Tages berichtigt werden? Soll die unfehlbare Offenbarung des unfehlbaren Jahwe nach den Moden und Einfällen der Gegenwart gestaltet, eingeengt und gemildert werden? Gott vergebe uns, wenn wir je unwissentlich sein Wort geändert haben; wissentlich haben wir es nicht getan und wollen es auch nicht. Seine Kinder sitzen zu seinen Füßen und nehmen seine Worte an, und dann stehen sie auf in der Kraft seines Geistes, um nah und fern das Wort zu verkünden, das der Herr gegeben hat. „Wer aber mein Wort hat, der predige es treu“, ist des Herrn Befehl an uns. Wenn wir nach unserem Bedürfnis bei dem Vater bleiben könnten, so, wie der Herr Jesus es tat, und dann hervorkommen aus der Gemeinschaft mit Ihm, um zu verkünden, was Er uns in seinem Wort gelehrt hat, so würden wir von dem Herrn und auch von seinen Kindern als Prediger angenommen werden, mehr, als wenn wir in die tiefsten Tiefen der Wissenschaft hineintauchten oder uns zu dem erhabensten Flug der Beredsamkeit erhöben. Was ist die Spreu gegen den Weizen! Was sind des Menschen Entdeckungen gegen die Lehren des Herrn! „Der Mund des Herrn hat es gesprochen“; deshalb, oh Mann Gottes, setze nichts seinen Worten hinzu, damit Gott nicht auf dich die Plagen bringe, die in seinem Buch geschrieben stehen, und tue nichts davon, damit Gott nicht abtue deinen Teil vom Buch des Lebens!

Liebe Freunde, da „der Mund des Herrn es gesprochen hat“, so sprechen wir die göttliche Wahrheit mit Mut und voller Gewißheit. Bescheidenheit ist eine Tugend; aber Unschlüssigkeit, wenn wir für den Herrn sprechen, ist ein großer Fehler. Wenn der Gesandte eines großen Königs, der Seine Majestät an einem fremden Hofe vertreten soll, sein Amt vergäße und nur an sich selber dächte, dann könnte er so demütig sein, daß er die Würde seines Fürsten erniedrigte, und so schüchtern, daß er die Ehre seines Landes verriete. Er ist verpflichtet, nicht so sehr an das zu denken, was er für sich selber ist, sondern an den, den er vertritt; darum muß er kühn sprechen und mit der Würde, die zu seinem Amt gehört und zu dem Hofe, den er vertritt. Es war die Gewohnheit gewisser orientalischer Despoten, von den Gesandten fremder Mächte zu verlangen, daß sie im Staube vor ihnen liegen sollten. Einige Europäer unterwarfen sich der Handelsinteressen wegen der entwürdigenden Zeremonie; aber als dieses von dem englischen Gesandten verlangt wurde, verschmähte er es, sein Land auf diese Weise zu erniedrigen. Gott verhüte, daß der, der für Gott spricht, dem König der Könige durch geschmeidige Unterwürfigkeit Unehre machen sollte. Wir predigen nicht das Evangelium mit eurer Erlaubnis; wir bitten nicht um Duldung und buhlen nicht um Beifall. Wir predigen Christus, den Gekreuzigten (1. Kor. 1,23), und wir reden freimütig, wie wir es sollten, weil es Gottes Wort ist, und nicht unser eigenes. Man klagt uns zu großer Bestimmtheit an; aber wir sind verpflichtet, mit Bestimmtheit zu sprechen, wenn wir wiederholen, was der Mund des Herrn gesprochen hat. Wir können kein „Wenn“ und „Aber“ gebrauchen, denn wir haben es mit Gottes „Sollen“ und „Wollen“ zu tun. Wenn Er sagt, daß es so ist, dann ist es so; und damit hat es ein Ende. Der Streit hört auf, wenn Jahwe spricht.

Diejenigen, die unseres Meisters Autorität beiseite werfen, mögen sehr wohl unser Zeugnis abweisen; wir sind zufrieden, daß sie es tun. Aber wenn wir das sprechen, was der Mund des Herrn gesprochen hat, so handeln die, die es hören und abweisen, auf ihre eigene Gefahr hin. Das Unrecht wird nicht dem Gesandten zugefügt, sondern dem König; nicht unserem Mund, sondern dem Munde Gottes, von dem die Wahrheit ausgegangen ist. Man dringt in uns, barmherzig zu sein. Wir sind barmherzig; aber mit unserem eigenen Geld. Wir haben kein Recht, das wegzugeben, was uns anvertraut ist und nicht zu unserer Verfügung steht. Wenn wir mit der Wahrheit Gottes zu tun haben, sind wir Haushalter und müssen mit dem Schatz unseres Herrn verfahren, nicht nach der Barmherzigkeit gegen menschliche Meinungen, sondern nach der Treue gegen den Gott der Wahrheit. Wir sind kühn genug, mit voller Zuversicht das zu verkünden, was der Herr offenbart. Jenes denkwürdige Wort des Herrn zu Jeremia sollten die Knechte des Herrn in diesen Tagen bedenken:

„So gürte nun deine Lenden und mache dich auf; und predige ihnen alles, was ich dir heiße. Fürchte dich nicht vor ihnen, als sollte ich dich abschrecken. Denn ich will dich heute zur festen Stadt, zur eisernen Säule und zur ehernen Mauer machen im ganzen Lande, wider die Könige Juda, wider ihre Fürsten, wider ihre Priester, wider das Volk im Lande, daß, wenn sie wider dich streiten, dennoch nicht wider dich siegen sollen; denn ich bin bei dir, spricht der Herr, damit ich dich errette.“ (Jer. 1, 17-19)

Wenn wir für den Herrn wider den Irrtum sprechen, so mildern wir nicht unsern Ton, sondern wir sprechen Donnerkeile. Wenn wir der falschen Wissenschaft begegnen, so senken wir nicht unsere Flagge: wir weichen nicht in Unterwerfung – nein, keine Stunde. Ein Wort von Gott ist mehr wert als Bibliotheken voll menschlichen Wissens. „Es steht geschrieben“, ist die große Kanone, die alle Batterien menschlichen Denkens zum Schweigen bringt. Die sollten mutig sprechen, die in dem Namen Jahwes, des Gottes Israels, sprechen.

Ich will in diesem Teil hinzufügen, daß wir, weil „der Mund des Herrn es gesprochen hat“, uns verpflichtet fühlen, sein Wort mit allem Fleiß zu sprechen, so oft wir können, und mit Geduld, so lange wir leben. Gewiß würde es eine gesegnete Sache sein, auf der Kanzel zu sterben, und unseren letzten Atem zu gebrauchen, indem wir als des Herrn Mund reden. Stumme Sabbate sind schwere Prüfungen für wahre Prediger. Gedenkt daran, wie John Newton, als er ganz unfähig war zum Predigen und sogar in seiner Gebrechlichkeit und seines hohen Alters wegen manchmal ein wenig irre redete, doch darauf bestand, zu predigen; und als man ihn davon abzubringen versuchte, antwortete er mit Wärme: „Was! Soll der alte afrikanische Lästerer aufhören, Jesus Christus zu predigen, so lange noch Odem in seinem Leib ist?“ So half man dem alten Mann wieder auf die Kanzel, damit er noch einmal von der freien Gnade und der sterbenden Liebe zeugte.

Wenn wir über gewöhnliche Gegenstände zu sprechen hätten, könnten wir die Kanzel verlassen wie ein ermatteter Verwalter das Tribunal verläßt; aber da „der Mund des Herrn es gesprochen hat“, fühlen wir sein Wort wie Feuer in unsern Gebeinen und werden müder durch Zurückhalten als durch Ablegen des Zeugnisses. Oh, meine Brüder, das Wort des Herrn ist so köstlich, daß wir am Morgen diesen gesegneten Samen säen müssen und am Abend unsere Hand nicht ruhen lassen dürfen. Es ist ein lebendiger Same und ein Same des Lebens, und deshalb müssen wir ihn fleißig ausstreuen. Brüder, wenn wir das richtige Verständnis der Wahrheit des Evangeliums haben – daß „der Mund des Herrn sie gesprochen hat“, so wird uns das bewegen, sie mit viel Wärme und Eifer zu verkünden. Wir werden nicht das Evangelium einer schlummernden Handvoll Leuten vordröhnen.

Viele von euch sind nicht Prediger, aber ihr seid Lehrer der Jugend oder versucht auf andere Weise, das Wort des Herrn zu verbreiten – tut es, ich bitte euch, mit viel Inbrunst des Geistes. Enthusiasmus sollte in jedem Diener des Herrn zu sehen sein. Laßt die, die euch hören, wissen, daß ihr ganz bei der Sache seid; daß ihr nicht nur äußerlich mit den Lippen sprecht; sondern daß es aus den Tiefen eurer Seele, aus eurem innersten Herzen hervorquillt, wenn ihr von dem redet, was ihr erfahren habt, von eurem König. Das ewige Evangelium ist es wert, gepredigt zu werden, selbst wenn man auf einem brennenden Scheiterhaufen stände und die Menge von einer flammenden Kanzel anredete. Die in der Schrift geoffenbarten Wahrheiten sind es wert, daß wir dafür leben und dafür sterben. Ich schätze mich dreimal glücklich, Schmach um des alten Glaubens willen zu dulden. Es ist eine Ehre, deren ich mich unwürdig fühle; und doch kann ich mit Wahrheit die Worte unseres Gesanges gebrauchen:

„Du kennst mich ja, Du Menschenhüter,
Daß mir’s nicht um die schnöden Güter
Zu tun, noch um die Gunst der Welt,
Die manchen so gefangen hält.
Die Liebe Christi, die mich dringet,
Die ist’s, die mich im Geiste zwinget,
Mit Rufen, Locken, Bitten, Fleh’n
Den Menschenkindern nachzugeh’n.
Darüber will ich gerne leiden,
Kein Kreuz noch Spott der Bösen meiden;
Sei Du mir nur bei Hohn und Spott
Nicht schrecklich, Du getreuer Gott.“

Ich kann nicht mein ganzes Herz über diesen Gegenstand aussprechen, der mir so teuer ist, aber ich möchte euch alle anspornen, mit der Verkündigung des Evangeliums weiterzumachen, es sei zu rechter Zeit oder zur Unzeit, besonders ein Wort wie dieses: „Also hat Gott die Welt geliebt, daß Er seinen eingeborenen Sohn gab, auf daß alle, die an Ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben“. Und dieses: „Wer zu mir kommt, den werde ich nicht hinausstoßen“. Sprecht es kühn aus, sprecht es an jedem Ort aus, sprecht es zu jeder Kreatur „denn der Mund des Herrn hat es gesprochen“. Wie könnt ihr die himmlische Botschaft zurückhalten? „Der Mund des Herrn hat es gesprochen“ – soll euer Mund sich nicht freuen, es zu wiederholen? Flüstert es in das Ohr des Kranken; ruft es laut an den Ecken der Gassen; schreibt es in eure Notizbücher; sendet es aus durch die Presse; aber überall laßt dies euren großen Beweggrund und eure Gewähr sein: Ihr predigt das Evangelium, weil „der Mund des Herrn es gesprochen hat“ Laßt nichts schweigen, was eine Stimme hat, nachdem der Herr das Wort durch seinen eigenen lieben Sohn gegeben hat.

„Ihr Winde, weht die Botschaft,
Ihr Wellen, tragt sie fort,
Bis daß von Pol zu Pole
Ertönet Gottes Wort.“

II.

Laßt uns nun auf ein paar Augenblicke in anderer Richtung rudern. Zweitens, „der Mund des Herrn hat es gesprochen.“ Dies ist das Anrecht, das Gottes Wort auf eure Aufmerksamkeit hat.

Jedes Wort, das Gott uns in diesem Buch gegeben hat, beansprucht unsere Aufmerksamkeit um der unendlichen Majestät Dessen willen, der es sprach. Ich sehe vor mir ein Parlament von Königen und Fürsten, Weisen und Räten. Ich höre, wie einer nach dem anderen von den begabten Chrisostomussen Beredsamkeit ausströmt gleich dem „Goldmund“. Sie reden, und sie reden gut. Plötzlich tritt ein feierliches Schweigen ein. Welch eine Stille! Wer soll jetzt sprechen? Sie schweigen, weil Gott der Herr im Begriff ist, seine Stimme zu erheben. Ist es nicht recht, daß sie dies tun? Sagt Er nicht: „Laß die Inseln vor mir schweigen?“ Welche Stimme gleicht seiner Stimme? „Die Stimme des Herrn geht mit Macht; die Stimme des Herrn geht herrlich. Die Stimme des Herrn zerbricht die Zedern; der Herr zerbricht die Zedern im Libanon. Die Stimme des Herrn erregt die Wüste; die Stimme des Herrn erregt die Wüste Kades.“ Seht zu, daß ihr den, der da spricht, nicht abweist. Oh mein Hörer, laß nicht von dir gesagt werden, daß du durch dieses Leben gingst und Gott zu dir in diesem Buch sprach und du dich weigertest zu hören! Es macht wenig aus, ob du mich hörst oder nicht; aber es macht sehr viel aus, ob du Gott hörst oder nicht. Er ist es, der dich machte; in seiner Hand ist dein Atem; und wenn Er spricht, so flehe ich dich an, öffne dein Ohr und sei nicht rebellisch. Es ist eine unendliche Majestät in jeder Zeile der Schrift, aber besonders in jenem Teil der Schrift, in dem der Herr sich und seinen herrlichen Plan der errettenden Gnade in der Person seines lieben Sohnes Jesus Christus offenbart. Das Kreuz Christi hat eine große Forderung an dich. Höre, was Jesus von dem Holz herab predigt. Er sagt: „Neigt eure Ohren her und kommt her zu mir; hört, so wird eure Seele leben.“

Gottes Anspruch, gehört zu werden, ist auch in der Herablassung, die Ihn dahin führte, zu euch zu sprechen, begründet. Es war schon viel, daß Gott die Welt machte und uns befahl, das Werk seiner Hände anzusehen. Die Schöpfung ist ein Bilderbuch für Kinder. Aber daß Gott in der Sprache sterblicher Menschen spricht, ist noch wunderbarer, wenn ihr anfangt, darüber nachzudenken. Ich wundere mich, daß Gott durch die Propheten gesprochen hat; aber ich bewundere es noch mehr, daß Er sein Wort in schwarz und weiß niedergeschrieben hat, in einer Sprache, die nicht mißzuverstehen ist, die in alle Sprachen übersetzt werden kann, so daß wir alle für uns selber sehen und lesen können, was Gott der Herr zu uns gesprochen hat; und was Er in der Tat zu sprechen fortfährt; denn was Er gesprochen hat, spricht Er noch immer zu uns, so frisch, als wenn Er es zum erstenmal spräche. Oh glorreicher Jahwe, sprichst Du zu sterblichen Menschen? Kann es irgendwelche Menschen geben, die versäumen, Dich zu hören? Wenn Du so voll Freundlichkeit und Milde bist, daß Du Dich aus dem Himmel herabbeugen willst, um mit Deinen sündigen Geschöpfen zu reden, so werden nur die, welche roher sind als der Ochse und der Esel, Dir ein taubes Ohr zukehren. Gottes Wort hat also ein Recht auf eure Aufmerksamkeit wegen seiner Majestät und seiner Herablassung; aber sollte es euer Ohr auch gewinnen seines eigenen, inneren Wertes wegen – „der Mund des Herrn hat es gesprochen“ – dann ist es keine Kleinigkeit. Gott spricht niemals Unnützes. Keine Zeile seiner Schrift behandelt die leichtfertigen Gegenstände eines Tages. Das, was in einer Stunde vergessen werden mag, ist für den sterblichen Menschen und nicht für den ewigen Gott. Wenn der Herr spricht, so ist seine Rede Gottähnlich, und ihre Gegenstände sind Eines würdig, dessen Wohnung die Unendlichkeit und Ewigkeit ist. Gott spielt nicht mit dir, Mensch; willst du mit Ihm tändeln? Willst du Ihn behandeln, als wenn Er ganz und gar wäre wie du selber? Gott spricht im Ernst, wenn Er zu dir spricht; willst du nicht im Ernst zuhören? Er spricht zu dir von großen Dingen, die mit deiner Seele und ihrem Schicksal zu tun haben. „Denn es ist nicht ein vergebliches Wort an euch, sondern es ist euer Leben.“ Dein ewiges Dasein, dein Glück oder dein Elend, hängt von der Behandlung dessen ab, was der Mund des Herrn gesprochen hat. Über ewige Dinge spricht Er mit dir. Ich bitte dich, sei nicht so unweise, dein Ohr abzuwenden. Handle nicht, als wenn der Herr und seine Wahrheit nichts für dich wären. Behandle nicht das Wort des Herrn als etwas Untergeordnetes, das auf deine Muße warten und in Erwägung gezogen werden kann, wenn kein anderes Werk vor dir ist: lege alles andere beiseite, aber höre auf deinen Gott.

Verlaß dich darauf, wenn „der Mund des Herrn“ es gesprochen hat, so ist eine dringende, pressende Notwendigkeit da. Gott bricht sein Schweigen nicht, um das zu sagen, was genausogut ungesagt hätte bleiben können. Seine Stimme zeigt große Dringlichkeit an. Heute, wenn ihr seine Stimme hören wollt, hört sie, denn Er verlangt sofortige Aufmerksamkeit. Gott spricht nicht ohne reichliche Ursache; und oh, mein Hörer, wenn Er zu dir durch sein Wort spricht, so bitte ich dich, glaube, daß ein überwältigender Grund dazu vorhanden ist! Ich weiß, was Satan sagt: er sagt dir, daß du sehr gut fertig werden kannst, ohne auf Gottes Wort zu hören. Ich weiß, was dein fleischliches Herz flüstert; es sagt: „Höre auf die Stimme des Geschäfts und des Vergnügens; aber höre nicht auf Gott.“ Aber wenn der Heilige Geist deine Vernunft lehrt, vernünftig zu sein und deine Seele an die wahre Weisheit erinnert, so wirst du anerkennen, daß das erste, was du zu tun hast, ist, auf deinen Schöpfer zu achten. Du kannst die Stimme anderer zu anderen Zeiten hören; aber dein Ohr muß zuerst Gott hören, weil Er der Erste ist, und das, was Er spricht, von erster Wichtigkeit sein muß. Beeile dich, seine Gebote zu halten. Ohne Rückhalt antworte auf seinen Ruf und sprich: „Rede, Herr, denn Dein Knecht hört.“

Wenn ich auf dieser Kanzel stehe, um das Evangelium zu predigen, so habe ich nie das Gefühl, daß ich euch ruhig auffordern könnte, einen Gegenstand zu erwägen, der einer unter vielen sei und sehr wohl eine Zeitlang unbeachtet bleiben könnte, wenn eure Gemüter schon mit anderem beschäftigt sein sollten. Nein; du magst gestorben sein, ehe ich wieder zu dir rede, und deshalb bitte ich um sofortige Aufmerksamkeit. Ich fürchte nicht, daß ich dich von anderen wichtigeren Geschäften ablenke, wenn ich dich bitte, auf das zu achten, was der Mund des Herrn gesprochen hat, denn kein Geschäft hat irgendwelche Wichtigkeit, verglichen mit diesem; dies ist der Hauptgegenstand von allen. Es ist deine Seele, deine eigene Seele, deine auf ewig existierende Seele, die hier in Betracht kommt, und es ist dein Gott, der zu dir spricht. Höre Ihn, ich bitte dich. Ich bitte dich nicht um eine Gunst, wenn ich wünsche, daß du das Wort des Herrn hören magst; es ist eine Schuld, die du deinem Schöpfer zu bezahlen verpflichtet bist. Ja, es ist überdies eine Freundlichkeit gegen dein eigenes Selbst.

Sogar von einem selbstsüchtigen Gesichtspunkte aus dringe ich in dich, zu hören, was der Mund des Herrn gesprochen hat, denn in seinem Worte liegt Heil. Höre fleißig auf das, was dein Schöpfer, dein Heiland, dein bester Freund, dir zu sagen hat. „Verstockt eure Herzen nicht, wie es in der Verbitterung geschah,“ sondern „neigt eure Ohren her und kommt her zu mir; hört, so wird eure Seele leben.“ „Der Glaube kommt durch das Hören, und das Hören durch das Wort Gottes.“

So habe ich meinen Text auf zweierlei Weise behandelt; er ist eine Gewähr und ein Beweggrund für den Prediger; er stellt die Forderung der Aufmerksamkeit an den Hörer.

III.

Und drittens gibt es dem Wort Gottes ein sehr spezielles Gepräge. Wenn wir dies heilige Buch öffnen und von dem, was hier berichtet ist, sagen: „Der Mund des Herrn hat es gesprochen,“ dann gibt dies der Lehre ein besonderes Gepräge.

Die Lehre hat in dem Wort Gottes eine einzigartige Würde. Dieses Buch ist inspiriert, wie kein anderes inspiriert ist, und es ist Zeit, daß alle Christen diese Überzeugung anerkennen. Ich weiß nicht, ob ihr Herrn Smiles Leben unseres verstorbenen Freundes George Moore gesehen habt, aber darin lesen wir, daß bei einer Mittagsgesellschaft ein Gelehrter bemerkte, es würde nicht leicht sein, einen intelligenten Mann zu finden, der an die Inspiration der Bibel glaube. Im Augenblick wurde die Stimme George Moores über den Tisch hinweg gehört, der kühn sagte: „Ich wenigstens tue es“. Nichts mehr wurde gesagt. Mein lieber Freund hatte eine kräftige Stimme, wie ich mich wohl erinnere, denn wir haben bei einigen Gelegenheiten miteinander in lautem Rufen gewetteifert, wenn wir beisammen in seinem Haus waren. Ich meine, sein nachdrückliches: „Ich wenigstens tue es“ zu hören. Laßt uns nie zögern, uns auf die altmodische und unpopuläre Seite zu stellen und geradezu zu sagen: „Ich wenigstens tue es“. Wo sind wir, wenn unsere Bibeln dahin sind? Wo sind wir, wenn wir gelehrt werden, ihnen zu mißtrauen? Wenn wir in Zweifel gelassen werden, welcher Teil inspiriert ist und welcher nicht, so sind wir ebenso schlecht daran, als wenn wir gar keine Bibel hätten. Ich habe keine Theorie der Inspiration; ich nehme die Inspiration der Schrift als eine Tatsache an. Die, die die Schrift so betrachten, brauchen sich ihrer Gesellschaft nicht zu schämen; denn einige der besten und gelehrtesten Männer sind derselben Meinung gewesen. Locke, der große Philosoph, brachte die letzten 14 Jahre seines Lebens mit dem Studium der Bibel zu, und als er gefragt wurde, was der kürzeste Weg für einen jungen Mann zum Verständnis der christlichen Religion sei, ließ er ihn die Bibel lesen und bemerkte: „Darin sind die Worte des ewigen Lebens enthalten. Sie hat Gott zum Verfasser, die Seligkeit zu ihrem Zweck, und Wahrheit ohne Beimischung von Irrtum zu ihrem Gegenstand.“ Es sind solche Menschen auf der Seite des Wortes Gottes, derer ihr euch nicht zu schämen braucht, was Intelligenz und Gelehrsamkeit anbetrifft, und falls das nicht so wäre, so sollte es euch nicht entmutigen, wenn ihr daran denkt, daß der Herr diese Dinge vor den Weisen und Klugen verborgen hat und sie den Unmündigen offenbarte. Wir glauben mit dem Apostel, „daß die Torheit Gottes weiser ist als die Weisheit der Menschen.“ Es ist besser, zu glauben, was aus Gottes Mund kommt und ein Narr genannt zu werden, als zu glauben, was aus dem Mund der Philosophen kommt und aus diesem Grund ein Weiser genannt zu werden.

Es ist auch bei dem, was der Mund des Herrn gesprochen hat, eine absolute Gewißheit. Was ein Mensch gesagt hat, ist unwesentlich, auch wenn es wahr ist. Es ist, als wenn man Nebel greift, es ist nichts darin. Aber bei Gottes Wort habt ihr etwas, was ihr ergreifen könnt, etwas zum Haben und zum Halten. Dies ist Wesen und Wirklichkeit; aber von menschlichen Meinungen mögen wir sagen: „Eitelkeit der Eitelkeiten, alles ist eitel.“ Ob Himmel und Erde vergehen, soll doch nicht ein Jota oder Titel an dem, was Gott gesprochen, fehlen. Wir wissen das und fühlen uns ruhig; Gott kann nicht irren. Gott kann nicht lügen. Dies sind Postulate, die niemand bestreiten kann. Wenn „der Mund des Herrn es gesprochen hat,“ so ist dies der Richter, der den Streit beendet, wo Verstand und Vernunft aufhören; und fortan zweifeln wir nicht mehr.

Weiter: wenn „der Mund des Herrn es gesprochen hat“, so haben wir in diesem Wort unveränderliche Bestimmtheit. Einmal von dem Herrn gesprochen, ist es nicht nur jetzt so, sondern es muß immer so sein. Der Herr der Heerscharen hat es gesprochen, und wer soll es ungültig machen? Der Fels des Wortes ändert nicht seinen Ort wie der Flugsand der neueren wissenschaftlichen Theologie. Jemand sagte zu seinem Prediger: „Mein lieber Herr, Sie sollten doch Ihren Glauben dem Fortschritt der Wissenschaft gemäß berichtigen.“ „Ja,“ erwiderte er, „aber ich habe heute keine Zeit gehabt, es zu tun, denn ich habe die Morgenzeitung noch nicht gelesen.“ Man müßte die Tageszeitungen beständig lesen und sich jede neue Ausgabe kaufen, um zu wissen, wo die wissenschaftliche Theologie gegenwärtig steht, denn sie ändert ihre Ansichten beständig. Das einzige Sichere bei der falschen Wissenschaft des Jahrhunderts ist, daß sie stets schnell widerlegt wird. Theorien, die man heute preist, wird man morgen verspotten. Die großen Wissenschaftsmänner leben davon, daß sie diejenigen töten, die ihnen vorangingen. Sie wissen nichts außer, daß ihre Vorgänger unrecht hatten. Selbst in einem kurzen Leben haben wir System auf System – die Pilze oder vielmehr die Krötenstühle des Denkens – aufkommen und vergehen sehen. Wir können nicht unseren religiösen Glauben dem anpassen, was veränderlicher als der Mond ist. Versuche es, wer da will: für mich ist es Wahrheit in diesem Jahr der Gnade 1888, wenn „der Mund des Herrn es gesprochen hat,“; und wenn ich als grauhaariger alter Mann im Jahre 1908 unter euch stehe, so werdet ihr finden, daß ich nicht über das göttliche Ultimatum hinaus fortgeschritten bin. Wenn „der Mund des Herrn es gesprochen hat,“ so sehen wir in seiner Offenbarung ein Evangelium, das ohne Veränderung ist, und das Jesus Christus offenbart, als „derselbe, gestern, heute und in Ewigkeit.“ Brüder und Schwestern, wir hoffen, auf immer vor dem ewigen Thron beisammen zu sein, wo die flammenden Seraphim sich beugen und selbst da werden wir uns nicht schämen, dieselbe Wahrheit zu bekennen, mit der uns die Hand unseres Gottes heute speist.

„Denn Er ist Gott, unendlich gut,
Barmherzig, gnädig allezeit;
Und seine Wahrheit stehet fest
Und bleibet bis in Ewigkeit.“

Hier laßt mich hinzufügen, daß etwas Einzigartiges an dem Wort Gottes ist wegen der allmächtigen Kraft, die es begleitet. „In eines Königs Wort liegt Gewalt;“ in dem Wort Gottes liegt Allmacht. Wenn wir mehr Gottes eigenes Wort gebrauchten, wie „der Mund des Herrn es gesprochen hat,“ so würden wir weit größere Resultate von unserem predigen sehen. Es ist Gottes Wort, nicht unsere Erklärung des Wortes Gottes, das die Seelen rettet. Die Seelen werden von dem Schwert erschlagen, nicht von der Scheide oder von den Quasten, die seinen Griff verzieren. Wenn Gottes Wort in seiner natürlichen Einfachheit verkündet wird, kann niemand ihm widerstehen. Die Gegner Gottes müssen vergehen vor dem Wort, wie die Spreu im Feuer vernichtet wird. Oh, daß wir Weisheit hätten, uns immer näher an das zu halten, was der Mund des Herrn gesprochen hat! Ich will nicht mehr über diesen Punkt sagen, obwohl der Gegenstand ein sehr wichtiger und anziehender ist; besonders wenn ich bei der Tiefe, der Höhe, der Angemessenheit, der Einsicht und der sich selbst beweisenden Macht dessen verweilen wollte, was „der Mund des Herrn gesprochen hat.“

IV.

Viertens und sehr kurz, dies macht Gottes Wort zu einem Grund des Schreckens für viele. Soll ich euch den ganzen Vers lesen?

„Weigert ihr euch aber und seid ungehorsam, so sollt ihr vom Schwert gefressen werden; denn der Mund des Herrn hat es gesprochen.“

Jede Drohung, die Gott gesprochen hat, hat, weil Er sie sprach, eine entsetzliche Furchtbarkeit an sich. Ob Gott einem Menschen oder einem Volk oder einer ganzen Klasse der Ungöttlichen droht – sie wird, wenn sie weise sind, ein Zittern ergreifen, weil „der Mund des Herrn es gesprochen hat“. Gott hat noch nie eine Drohung ausgesprochen, die zu Boden gefallen wäre. Als Er Pharao sagte, was Er tun wolle, tat Er es; die Plagen kamen dicht und schwer über ihn. Wenn der Herr zu irgendeiner Zeit seine Propheten sandte, den Völkern Gericht zu verkünden, vollzog Er diese Gerichte. Fragt die Reisenden nach Babylon, Ninive, Edom, Moab und Basan, und sie werden euch von den Trümmerhaufen erzählen, die beweisen, wie der Herr seine Drohungen bis auf den Buchstaben ausführte.

Eins der furchtbarsten Dinge, die in der Geschichte berichtet werden, ist die Belagerung von Jerusalem. Vermutlich habt ihr in dem Werk des Josephus oder sonstwo darüber gelesen. Das Blut stockt einem beinahe, wenn man nur an jene schrecklichen Tage denkt. Dennoch war es alles von den Propheten vorhergesagt, und ihre Weissagungen gingen aufs genaueste in Erfüllung. Ihr redet von Gott, als wenn Er „die Liebe“ wäre, und wenn ihr damit meint, daß Er in der Bestrafung der Sünde nicht streng ist, so frage ich euch, was ihr denn aus der Zerstörung Jerusalems macht? Erinnert euch, daß die Juden sein erwähltes Volk waren, und daß die Stadt Jerusalem der Ort war, wo sein Tempel durch seine Gegenwart verherrlicht worden war.

Brüder, wenn ihr von Edom nach Zion geht und von Zion nach Sidon, und von Sidon nach Moab, so werdet ihr unter zerstörten Städten die Beweise finden, daß Gottes Worte, das Gericht betreffend, wahr sind. Verlaßt euch darauf, wenn Jesus sagt: „Sie werden in die ewige Pein gehen“, dann wird es so sein. Wenn Er sagt: „Wenn ihr nicht glaubt, daß ich es sei, werdet ihr sterben in euren Sünden“, dann wird es so sein. Der Herr erschreckt nie die Menschen zum Scherz. Sein Wort ist keine Übertreibung, um die Menschen mit eingebildeten Popanzen zu ängstigen. Es ist nachdrückliche Wahrheit in dem, was der Herr sagt. Er hat stets seine Drohung ausgeführt bis auf den Buchstaben und bis auf den Augenblick; und verlaßt euch darauf, Er wird fortfahren es zu tun, denn „der Mund des Herrn hat es gesprochen“.

Es nützt nichts, dazusitzen und Schlüsse aus der Natur Gottes zu ziehen und zu folgern: „Gott ist die Liebe und deshalb wird Er das Urteil an dem Unbußfertigen nicht vollziehen“. Er weiß, was Er tun will, besser als ihr es schließen könnt. Er hat uns nicht unseren Schlüssen überlassen, sondern Er hat scharf und bestimmt gesprochen. Er sagt: „Wer nicht glaubt, wird verdammt werden“, und es wird so sein, denn „der Mund des Herrn hat es gesprochen“. Folgert aus seiner Natur, was euch gefällt, aber wenn ihr einen Schluß zieht, der dem zuwider ist, was Er gesprochen hat, so habt ihr eine Lüge geschlossen, und ihr werdet es sehen.

„Ach,“ sagt einer, „ich schaudere vor der Strenge des göttlichen Urteilspruchs.“ Tust du das? Es ist gut. Ich kann von Herzen mit dir fühlen. Wie muß der sein, der nicht zittert, wenn er den großen Jahwe Rache nehmen sieht an der Sünde! Die Schrecken des Herrn mögen wohl Stahl in Wachs verwandeln. Laßt uns daran denken, daß das Eichmaß der Wahrheit weder unser Vergnügen noch unser Schrecken ist. Mein Schauder ist es nicht, der widerlegen kann, was der Mund des Herrn gesprochen hat. Er mag sogar ein Beweis für seine Wahrheit sein. Zitterten nicht alle Propheten bei den Kundgebungen Gottes? Denkt daran, wie einer ausrief: „Weil ich solches höre, ist mein Bauch betrübt, meine Lippen zittern vor dem Geschrei; Eiter geht in meine Gebeine; ich bin bei mir betrübt.“ Einer der letzten der gesalbten Seher fiel zu des Herrn Füßen als ein Toter. Doch wurde all das Leben ihrer Natur von ihnen nicht als ein Argument für Zweifel gebraucht.

Oh, meine Unbekehrten und ungläubigen Zuhörer, erinnert euch, wenn ihr Christus abweist und euch auf die scharfe Schneide von Jahwes Schwert stürzt, daß euer Unglaube an das ewige Gericht dieses nicht ändern noch euch davon erretten kann. Ich weiß, warum ihr nicht an die furchtbaren Drohungen glaubt. Es ist, weil ihr ruhig bei euren Sünden zu sein wünscht.  Ein gewisser ungläubiger Schriftsteller wurde, während er im Gefängnis saß, von einem christlichen Mann besucht, der ihm Gutes wollte; er weigerte sich aber, ein Wort von Religion zu hören. Da er eine Bibel in der Hand seines Besuchers sah, sagte er: „Sie erwarten doch nicht, daß ich an dieses Buch glauben soll? Ei, wenn das Buch wahr ist, dann bin ich auf ewig verloren“.

Gerade darin liegt der Grund für die Hälfte alles Unglaubens in der Welt und für allen Unglauben unter unseren Zuhörern. Wie könnt ihr das glauben, was euch verdammt? Ach, meine Freunde, wenn ihr glauben wolltet, daß es wahr sei und danach handeln, so würdet ihr in dem, was der Mund des Herrn gesprochen hat, einen Weg finden, dem zukünftigen Zorn zu entfliehen; denn das Buch enthält viel mehr, das Hoffnung weckt als Furcht erregt. In diesem von Gott eingegebenen Buch fließt die Milch der Barmherzigkeit und der Honig der Gnade. Es ist nicht ein Gesetzbuch des Zorns, sondern ein Testament der Gnade. Jedoch, wenn ihr seine liebreichen Warnungen nicht glaubt und seine gerechten Urteilssprüche nicht beachtet, so sind sie doch wahr. Wenn ihr seinen Donnern trotzt, wenn ihr seine Verheißungen unter die Füße tretet, und selbst, wenn ihr es in eurer Wut verbrennt, so steht das heilige Buch doch noch unverändert und unveränderlich da; denn „der Mund des Herrn hat es gesprochen“. Deshalb bitte ich euch, behandelt die Heilige Schrift mit Ehrfurcht und denkt daran: „Diese Dinge sind geschrieben, damit ihr glaubt, Jesus sei der Christus, der Sohn Gottes, und daß ihr durch den Glauben das Leben habt in seinem Namen“.

V.

Und nun muß ich schließen, denn die Zeit eilt, und möchte fünftens nur noch bemerken, daß dieses das Wort des Herrn zum Grund und zum Stützpunkt unseres Glaubens macht. „Der Mund des Herrn hat es gesprochen“ ist die Grundlage für unsere Zuversicht. Es gibt Vergebung; denn Gott hat es gesagt. Sieh, Freund, du sagst: „Ich kann nicht glauben, daß meine Sünden weggewaschen werden können, ich fühle mich so unwürdig.“ Ja, aber „der Mund des Herrn hat es gesprochen“. Glaube trotz deiner Unwürdigkeit. „Ach,“ sagt einer, „ich fühle mich so schwach, ich kann weder denken noch beten, noch irgend etwas anderes, wie ich sollte.“ Steht nicht geschrieben: „Da wir noch schwach waren nach der Zeit, ist Christus für uns Gottlose gestorben!“ –  „Der Mund des Herrn hat es gesprochen“, darum glaubt es trotz eurer Unfähigkeit, denn es muß so sein.

Ich denke, ich höre ein Kind Gottes sagen: „Gott hat gesagt, ich will dich nicht verlassen noch versäumen, aber ich bin in großer Not; alle Umstände meines Lebens scheinen der Verheißung zu widersprechen“. Dennoch, „der Mund des Herrn hat es gesprochen“, und die Verheißung muß feststehen. „Hoffe auf den Herrn und tue Gutes, so sollst du in dem Land bleiben und wahrlich, du sollst gespeist werden“. Glaube Gott, allen Umständen zum Trotze. Wenn du keinen Ausweg und kein Mittel zur Hilfe sehen kannst, so glaube doch an den ungesehenen Gott und an die Wahrheit seiner Gegenwart; „denn der Mund des Herrn hat es gesprochen“. Ich denke, ich bin so weit gekommen, jedenfalls für die gegenwärtige Zeit, daß, wenn die Umstände im Widerspruch mit der Verheißung sind, ich diese darum nicht weniger glaube. Wenn Freunde mich verlassen und Feinde mich verleumden und mein eigener Geist unter Null sinkt und ich bis beinahe zur Verzweiflung niedergedrückt bin, so bin ich entschlossen, mich an das bloße Wort des Herrn zu halten und zu erproben, daß es in sich selbst genug Stütze und Halt hat. Ich will Gott glauben gegen alle Teufel der Hölle, Gott gegen Ahithophel und Judas und Demas und alle anderen Abtrünnigen; ja, und Gott gegen mein eigenes böses Herz. Sein Ratschlag soll bestehen, „denn der Mund des Herrn hat es gesprochen“. Hinweg, ihr, die ihr Ihm widersprecht! Unsere Zuversicht ist wohl begründet, „denn der Mund des Herrn hat es gesprochen“.

Bald wird es mit uns zum Sterben kommen. Der Todesschweiß wird auf unserer Stirn liegen und vielleicht wird unsere Zunge uns kaum noch dienen. Oh, daß wir dann gleich dem großen, alten, deutschen Kaiser sagen möchten: „Meine Augen haben Dein Heil gesehen“, und „Er hat mir geholfen mit seinem Namen“! Wenn wir durch die Ströme gehen, will Er mit uns sein, die Fluten sollen nicht über uns hinweggehen; „denn der Mund des Herrn hat es gesprochen“. Wenn wir durch das Tal der Todesschatten gehen, sollen wir kein Übel fürchten, denn Er wird mit uns sein; sein Stecken und Stab werden uns trösten. „Der Mund des Herrn hat es gesprochen“. Ah! was wird es sein, diese Bande zu zerbrechen und uns in die Herrlichkeit zu erheben? Wir sollen bald den König in seiner Schönheit sehen und selbst verherrlicht werden in seiner Herrlichkeit; denn „der Mund des Herrn hat es gesprochen“ – „Wer da glaubt, der hat das ewige Leben“; deshalb ist eine frohe Ewigkeit unser. Brüder, wir sind nicht klugen Fabeln gefolgt. Wir sind keine „mutwillige Knaben, die auf Blasen schwimmen“, die bald unter uns platzen werden; sondern wir ruhen auf festem Grund. Wir bleiben da, wo Himmel und Erde ruhen; wo das ganze Weltall hängt; wo selbst die ewigen Dinge ihre Grundlage haben; wir ruhen auf Gott selber. Wenn Gott uns im Stich läßt, so werden wir glorreich mit dem ganzen Weltall im Stich gelassen. Aber es ist keine Furcht da; deshalb laßt uns vertrauen und nicht ängstlich sein. Seine Verheißung muß stehen; denn „der Mund des Herrn hat es gesprochen.“ O Herr, es ist genug. Ehre sei Deinem Namen, durch Christus Jesus.

Amen.

(Charles Haddon Spurgeon)

Aus der Predigt: Die Unfehlbarkeit der Schrift

Quelle: Glaubensstimme – Die Archive der Väter

Eingestellt am 15. Juni 2022