Das sage ich aber, liebe Brüder, daß Fleisch und Blut nicht können das Reich Gottes ererben; auch wird das Verwesliche nicht erben das Unverwesliche.
Darüber herrscht kaum irgendeine Meinungsverschiedenheit: in Ewigkeit lebendes Fleisch gibt’s nicht! Entweder muß unser irdisch-fleischlicher Organismus im Tode sterben, verwesen und dann durch die Auferstehung wundersam verklärt werden, oder er muß im Nu (wie man Metall auf elektrischem Wege blitzschnell schmelzen kann!) durch eine Katastrophe so gründlich verwandelt werden, daß er den auferstandenen Körpern gleich wird, – sonst hat er an dem Leben der Seligen im Lande der ewigen Vollendung keinen Anteil. Er paßt sonst in die total veränderten Lebensbedingungen nicht hinein, und würde die größte Herrlichkeit nur als unerträgliche Plage empfinden. Damit werden nachträglich die Zweifler noch einmal zurechtgewiesen: alle ihre Einwürfe hinsichtlich des Auferstehungsleibes hafteten an dem sichtbaren Erdenleib, als ob derselbe allein die Persönlichkeit des Menschen ausmache, und daher mit dem irdischen Leben auch diese selbst zu Ende gegangen sei. Das Christentum hat ja nirgends behauptet, daß das Muskelfleisch ewig sei und in seiner massiven Erdigkeit auferstehe.
„Ausgeschlossen sind alle nur die Gestalt und die Genüsse dieser Erde berührenden Gefühle, ausgeschlossen alle geistigen Regungen, soweit sie am Äußerlichen kleben bleiben, ausgeschlossen endlich die sinnlichen Entschädigungen, welche den diesseitigen Mangel im Jenseits um so reichlicher zudecken und das hienieden Entbehrte dort oben um so gieriger nachholen lassen sollen.“ (Krauß, S. 167)
Ein Professor der Chemie hatte einen silbernen Becher. Aus Versehen ließ sein Diener eines Tages den Becher in einen Behälter mit Scheidewasser fallen. Die starke Säure löste den dünnen Becher rasch auf. So viel der erschrockene Diener auch darin herumrührte, es war kein Becher mehr zu finden; das Silber war verschwunden. Als der Diener dem Professor sein Unglück klagte und um Verzeihung bat, sagte dieser lächelnd: „Das macht gar nichts!“ Dann schied er mit Ammoniak das Silber wieder aus, und es war kein Gramm davon verloren. Der Goldschmied konnte daraus einen noch schöneren Becher anfertigen, als der zerstörte gewesen war!
Quelle: Das Los der Toten. Von Pastor Samuel Keller
Verlag der Vaterländischen Verlags- und Kunstanstalt, Berlin 1913.