1.) So hab ich nun den Fels erreichet, Worauf mein schwacher Glaube ruht. Ein Fels, der keinen Stürmen weichet, Ein Fels, an dem die wilde Flut Und wär's die ganze Macht der Höllen, Entkräftet muss zurücke prellen, Schließt mich in seine Ritzen ein. Mein Herz verbanne Furcht und Grauen, Hier musst du dir nun Hütten bauen. Hier muss dein ewig' Wohnhaus sein. 2.) Mich warf die Menge meiner Sünden, Als ein erbostes Meer herum Ich ward ein traurig' Spiel der Winden, Und des Verderbens Eigentum, Mir drohte mein befleckt' Gewissen Mit ewig bangen Finsternissen, Und einem vollen Maß der Not, Ich schwamm auf diesen wilden Wellen Verzweifelnd an dem Rand der Höllen, Und rang mit Leben und dem Tod. 3.) Doch mitten in den Todesnöten Erblickte Jesus meinen Schmerz, Ihm drang mein tränenvolles Beten In sein erbarmend Mutterherz. Er zeigte mir die offnen Wunden, Die er als Mittler hat empfunden. Er rief: Mein Küchlein, kriech herzu, Komm, komm, dies sind die Felsenritzen, Die dich vor Fluch und Hölle schützen, Eil, Küchlein, eil, hier findst du Ruh'. 4.) Und o wie ist nun meiner Seelen, Mein süßer Fels, so wohl in dir! Wie weicht mein Schmerz, wie schwind't mein Quälen, Wie eilt die wilde Flut von mir! Was wird mein lechzendes Gemüte Bei einem Paradies voll Güte Mit Kräften jener Welt erfüllt! Mein Fels, ich bin dergleichen Dinge Ja allzuviel, zuviel geringe: Doch nehm ich's, weil du's haben will't. 5.) Nun lasst die Tiefen immer brausen, Seid Wind und Meer nur ungestüm, Lass selbst des Todes Fluten rauschen, Verdopple, Satan, deinen Grimm. Ihr werdet mich nicht viel erschrecken, Mein Fels weiß mich schon zu bedecken, Auch in der allerschlimmsten Zeit, Lass' alle Berge untergehen. Mir bleibt mein Felsen ewig stehen, Und wird die Tür zur Seligkeit. 6.) Darum, wo will mir's besser werden, Mein Fels, wo soll ich weiter hin? O nein! Kein zeitlich' Gut der Erden Beweget meinen festen Sinn! Es soll vielmehr so Lust als Schrecken Mich noch viel ernstlicher erwecken, In dich, mein Fels, zu dringen ein. Der Tod selbst kann mich nicht vertreiben, Du sollst - dabei soll's ewig bleiben - Mein Haus, mein Sarg, mein Himmel sein. Autor: Leopold Franz Friedrich Lehr Melodie: Wie wohl ist mir, o Freund der Seelen Aus: Leben und Lieder Herrn Leopold Franz Friedrich Lehrs, ehemaligen Diaconi der luth. Gemeinde in Cöthen Verlag: Siegmund Ehrenfried Richter, Leipzig und Görlitz, 1746