Philipp Nicolai: Unsere Wiedergeburt zum ewigen Leben

Philipp Nicolai

Unsere Wiedergeburt zum ewigen Leben

Nun folget die dritte Wohltat, unsere Wiedergeburt zum ewigen Leben. Es ist aber die Wiedergeburt ein Werk der unaussprechlich großen Barmherzigkeit und Leutseligkeit unseres Gottes, und bestehet darin, daß er die Sünder als geistlich tote Menschen durch das Wort und Sakrament berufet, sammlet und erleuchtet, schreckt sie durch die Predigt des Gesetzes, und wenn sie damit wie mit einem Hammer wohl zerstoßen und zermalmet sind, dann tröstet er sie mit dem Evangelio, erweckt den Glauben und rechnet ihnen die verdiente Gerechtigkeit, Unschuld und Viktoria unseres Herrn Christi zu durch den Glauben, nimmt sie zu Gnaden an, erkennt sie für sein Eigentum, gibt ihnen den heiligen Geist, regieret und führet sie nach seinem Wort; hält sie auch unter dem Kreuz zur Tötung des alten Adams, zur Probierung des Glaubens, Beförderung des Gebets und des neuen Gehorsams, und holet sie endlich aus diesem Jammertal zu sich heim in das himmlische Paradies und Vaterland des ewigen Lebens.

Von diesem Geheimnis zeuget die Schrift an vielen Orten und spricht, daß die Kinder Gottes nicht vom Geblüt, noch von dem Willen des Fleisches, noch von dem Willen eines Mannes, sondern von Gott geboren seien (Joh. 1, 13).

„Wahrlich, wahrlich, Ich sage dir: es sei denn daß jemand geboren werde aus dem Wasser und Geist, so kann er nicht in das Reich Gottes kommen. Was vom Fleisch geboren wird, das ist Fleisch; und was vom Geist geboren wird, das ist Geist. Laß dich’s nicht wundern, daß ich dir gesagt habe: Ihr müsset von neuem geboren werden“ (Joh. 3, 5—7)

St. Petrus spricht:

„Gott hat uns nach seiner großen Barmherzigkeit wiedergeboren zu einer lebendigen Hoffnung, durch die Auferstehung Jesu Christi von den Toten, zu einem unvergänglichen und unbefleckten und unverwelklichen Erbe, das behalten wird im Himmel“ (1. Petr. 1, 3. 4).

Damit wir nun diese edle und trostreiche Lehre recht zu Herzen nehmen, müssen wir zuerst wissen, daß uns hierin abermal Gottes unaussprechliche Liebe, die er zu uns Menschen trägt, reichlich entdeckt und gleich als mit lebendiger Farbe herrlich abgemalt und ausgestrichen wird. Denn gebären und Kinder zeugen sind ja Werke der Liebe und rühren aus natürlicher Liebe her, wie Salomo redet im Buch der Weisheit: „Ich bin ein Fleisch gebildet, zehn Monate lang im Blut zusammen geronnen, aus Mannes Samen durch Lust im Beischlaf“ (Kap. 7, 2). Gehet nun Gott auch mit Geburt um, daß er Menschen wiedergebieret und aufs neue zeuget, wahrlich so muß er die Leute wunderlieb haben und ein recht inbrünstiges Verlangen nach unserer Seligkeit tragen.

Auch können wir aus Vergleichung der natürlichen Geburt und der übernatürlichen himmlischen Wiedergeburt eines Menschen etlichermaaßen abnehmen, wie mütterlich, wie lieblich und überaus heilsamlich unser frommer Gott das edle hohe Werk der Wiedergeburt an uns erfülle und ausrichte.

Denn gleichwie der Mensch anfänglich im Mutterleib als in einer schmalen Herberge und engen Welt formiert und bereitet wird zu dieser weiten Welt, daß er darin herrsche, wohne und lebe: also wird er danach in dieser großen Welt von Gott neu geboren und aufs Neue zugerichtet zu einem himmlischen Leben und zu einer anderen neuen Welt, die viel tausendmal schöner, lustiger, lieblicher, prächtiger und herrlicher ist, d. i. zu dem himmlischen Paradies und Vaterland der ewigen Freude, daß er droben im Himmel in unaussprechlicher Wonne und Herrlichkeit mit Christo und allen Auserwählten ewiglich lebe und regiere. Und gleichwie er im Mutterleibe anhebt natürlich zu leben und sich zu regen, damit er nicht tot auf die Welt komme, sondern bringe das Leben aus der schmalen engen Herberge mit in die große weite Welt, darin es dann gestärkt wird — also erlangt er den Anfang seines himmlischen Lebens in dieser Welt auf Erden und bringt’s durch den Tod mit sich in den Himmel, da es erst wird ein vollkommen Leben voll aller Freude und Seligkeit.

Allhier müssen wir aber die näheren Umstände dieses edlen Geheimnisses recht ansehen. Und zwar wollen wir bedenken: 1) Wer eigentlich der Vater und Werkmeister dieser Wiedergeburt sei und was ihn zu diesem Werk bewege. 2) Wer doch die Mutter oder die schwangere Gebärerin sein möge und was dieselbe für einen [geistlichen] Mutterleib habe, darin dies Werk verrichtet wird. 3) Womit diese Mutter besamet werde, und was für äußerliche Werkzeuge dazu kommen, die den heiligen himmlischen Samen ausbreiten und forttragen. 4) Wie das ganze Werk der heiligen Wiedergeburt in dem geistlichen Mutterleibe eigentlich zugehe, wie lange es währe und was es für ein Ende nehme. 5) Wozu der Mensch wiedergeboren werde, wie die Schrift die Wiedergeborenen nennet, und wie ein Christ auf dieser Welt ihm vor allen Dingen die himmlische Wiedergeburt soll lassen angelegen sein. Diese fünf Stücke laßt uns ordentlich nacheinander erwägen.

1.
Der Vater.

Zunächst ist der Vater oder Urheber, von welchem die Wiedergeburt herrühret, nicht ein Engel, nicht ein bloßer Mensch, noch sonst irgend eine schwache Kreatur im Himmel oder auf Erden, sondern der ewige allmächtige Gott selbst, wie die Schrift ausdrücklich zeuget, daß die Kinder Gottes nicht von dem Willen eines Mannes, sondern von Gott geboren seien.

Und wird das Werk der Wiedergeburt sonderlich Gott dem heiligen Geist zugeschrieben, nicht als wären der Vater und der Sohn davon abgesondert, relegiert oder ausgeschlossen, sondern weil der heilige Geist ganz eigentlich hierzu von dem Vater und Sohn gesandt wird und dies Werk seiner Sendung nach ihrer Beider Willen verrichtet. Deswegen müssen wir die drei vornehmsten Wohlthaten Gottes – die Schöpfung, die Erlösung und die Wiedergeburt also unterscheiden lernen, daß, obwohl zu jedem Werk Gott der Vater, Sohn und heilige Geist zusammen kommen, dennoch die Schöpfung Gott dem Vater, die Erlösung Gott dem Sohn, und die Wiedergeburt Gott dem heiligen Geist vornehmlich zugeeignet und zugeschrieben wird.

Was mag aber den ewigen allmächtigen Gott dazu bewegen, daß er uns armen Erdwürmlein so eine großmächtige Wohltat erzeiget? Fürwahr, unsere Würdigkeit und guten Werke tun’s nicht, sintemal wir von Natur zu allem Guten erstorben sind und mit unseren Sünden sonst nichts, denn Gottes Zorn, den Tod, die Hölle und alles Unglück verdienet und uns auf den Hals geladen haben. Recht sagt aber St. Petrus, daß uns Gott nach seiner großen Barmherzigkeit wiedergeboren habe, wie auch der Herr Christus zeuget, daß Gott aus Liebe seinen Sohn der Welt schenke und gebe.

Denn gleich wie ein frommer barmherziger Vater, wenn er seinen Sohn als einen Toten sähe vor sich liegen, — ob auch der Sohn selbst mit einem Messer sich gestochen oder umgebracht hätte — würde es ihn doch von Herzen jammern und ihm sehr wehe tun, und wenn er könnte, schaffte er Rach‘ und suchte alle Wege und Mittel, den Sohn wieder lebendig zu machen: — also auch wir, da wir tot waren durch Uebertretung und Sünden und waren von Natur Kinder des Zorns, da ließ Gott sehen den Reichtum seiner Barmherzigkeit, durch seine große Liebe, damit er uns geliebet hat. Denn „da wir tot waren in den Sünden, hat er uns samt Christo lebendig gemacht. Und hat uns samt ihm auferwecket, und samt ihm in das himmlische Wesen versetzet in Christo JEsu.“ Da sind wir „aus Gnaden selig geworden durch den Glauben“, und dasselbe ist nicht aus uns, „Gottes Gabe ist es; nicht aus den Werken, auf daß sich nicht jemand rühme“ (Epheser 2, 5. 6. 8. 9).

2.
Die Mutter.

Ja, sprichst du, ist Gott selbst der Vater, der uns nach seinem Willen wiederzeuget: was hat er denn für eine Frau, die von ihm empfähet, gebieret und die Mutter ist der wiedergeborenen Kinder?

Antwort: Die Mutter ist die heilige christliche Kirche, welche, ob sie wohl scheinet vor der Welt ein armes geringes Häuflein, ja wie ein unfruchtbares Weib und eine einsame und verlassene Wittwe zu sein — so schwängert sie doch der allmächtige Gott, ihr Mann und himmlischer Bräutigam, jederzeit mit seinem Wort und Geist, daß sie immer gebieret und ist nimmer ohne Kinder, wird auch nicht aufhören zu gebären bis hin zum jüngsten Tage.

„Rühme, du Unfruchtbare, sagt der heilige Geist zu ihr, die du nicht gebierest; freue dich mit Ruhm und jauchze, die du nicht schwanger bist. Denn die Einsame hat mehr Kinder, als die den Mann hat, spricht der Herr. Mache den Raum deiner Hütte weit, und breite aus die Teppiche deiner Wohnung, spare seiner nicht; dehne deine Seile lang und stecke deine Nägel fest. Denn du wirst ausbrechen zur Rechten und zur Linken; und dein Same wird die Heiden erben, und in den verwüsteten Stätten wohnen. Fürchte dich nicht, denn du sollst nicht zu Schanden werden; werde nicht blöde, denn du sollst nicht zu Spott werden. Sondern du wirst der Schande deiner Jungfrauschaft vergessen, und der Schmach deiner Witwenschaft nicht mehr gedenken. Denn der dich gemacht hat, ist dein Mann. Herr Zebaoth heißet sein Name; und dein Erlöser, der Heilige in Israel, der aller Welt Gott genennet wird. Denn der Herr hat dich lassen im Geschrei sein, daß du seiest wie ein verlassenes und von Herzen betrübtes Weib; und wie ein junges Weib, das verstoßen ist. spricht dein Gott. Ich habe dich einen kleinen Augenblick verlassen, aber mit großer Barmherzigkeit will ich dich sammeln“ (Jes. 54, 1 — 7).

Hier wird durch das schwangere und elende Weib die christliche Kirche verstanden, welche den Herrn Christum durch den Glauben geistlich im Herzen trägt, ruft ihn an, bekennet ihn vor der Welt öffentlich, und gebieret allerwege Kinder durch die Taufe und durch die Predigt des heiligen Evangelii; wiewohl nicht ohne Kreuz und große Schmerzen, dieweil sie zu jeder Zeit vom Teufel und seiner Braut, der Welt, heftigen Widerstand, Anstoß und Verfolgung leiden muß. Darum siehet auch St. Johannes in seiner Offenbarung die christliche Kirche als eine schwangere Mutter, die ein Kindlein in ihrem Leibe trägt, ist stets in Kindesnöten und wird von dem höllischen Drachen scharf angefochten. Doch beschützet sie Gott der Allmächtige und bereitet ihr hie und da einen stillen Ort in der wüsten, wilden Welt, da sie ernähret und erhalten wird mitten unter den Feinden. (Lies das zwölfte Capitel der Offenbarung!). —

Was hat nun aber die christliche Kirche für einen Mutterleib, darin wir empfangen und geboren werden? Antwort: Ihr Leib, darin sie schwanger wird, ist Gottes Wort, in prophetischer und apostolischer Schrift des alten und neuen Testaments verfasset, sofern dasselbe stets klinget vor ihren Ohren und wallet in ihrem Herzen, samt dem Gebrauch der heiligen hochwürdigen Sakramente. Denn in dem Wort findet sie das herzliebe Kind Jesum Christum, wie er selbst sagt: „Suchet in der Schrift, denn ihr meinet, ihr habt das ewige Leben darinnen. Und sie ist es, die von mir zeuget“ (Joh. 5). Zu dieser Schrift halten sich alle rechtgläubigen Christen und Kinder des Lichts, als ob sie sich darein verhülleten und gleich als im Mutterleib verborgen lägen, wie David sagt: „Ich bewahre mich in dem Wort Deiner Lippen vor Menschen-Werk, auf dem Wege des Mörders“ (Ps. 17, 4).*)

*) Wörtlich übersetzt: „Was das Tun der Menschen betrifft, so beobachte ich aufs Wort Deiner Lippen die Wege des Durchbrechers“ – der nämlich das Gehege Deiner heiligen Gebote durchbricht.

Dieweil nun die christliche Kirche Gottes Braut ist, und ihr Wort in heiliger Schrift gar nichts Anderes denn Gottes Wort, so wird solch Wort auch Gottes Leib und Gottes Mutter genannt, wie z. B. Gott beim Propheten Jesaias spricht: „Höret mir zu, ihr vom Hause Jakobs, und alle Übrigen vom Hause Israels, die ihr von mir im Leibe getragen werdet, und mir in der Mutter liegt“ (Jes. 46, 3).

Der Glaube, sagt Dr. Luther, machet zu Gottes Kindern die, so da geboren werden durch das Wort, welches die Mutter ist, darinnen wir empfangen, getragen, geboren und erzogen werden.“ Desgleichen schreibt Mathesius: „Ein Kind im Mutterleibe lebet und nähret sich von der Mutter, wächst und nimmt von Tag zu Tage zu, ob es gleich unter der Mutter Herzen klein und matt ist, sich schwerlich reget und rühret. Also werden wir auch im Worte neu geboren, durch das Wort fangen wir an zu glauben, im Worte nähren wir uns, und die da bleiben in Christo, der Mutter (Jesaias 46), unter seinem Wort, die wachsen und nehmen immer zu, leben und regen sich darinnen.“*)

Und allhier ist die heilige Taufe, sonderlich wenn junge Kinder Christo zugetragen und der christlichen Kirche einverleibt werden, die rechte erste Pforte und Eingang in den Mütterlieben Leib der heiligen Kirche. Denn weil der Sohn Gottes öffentlich zeuget: wer nicht aus dem Wasser und Geist neu geboren werde, der komme nicht in das Reich Gottes; so folget dagegen, daß die Kinder durch das Sakrament der Taufe aus Kraft und Wirkung des heiligen Geistes recht hinein kommen, das ist Zutritt und Eingang haben zum Reiche Gottes, und werden Kinder des Allerhöchsten, Glieder der christlichen Kirche und Miterben des ewigen Lebens im Glauben.

3.
Der Same.

Danach ist Gottes Wort nicht allein der Mutterleib, darin wir geistlich empfangen und neu geboren werden, sondern auch der Same selbst, daraus wir unseren neuen Anfang nehmen. Ihr seid „wiederum geboren, spricht St. Petrus, nicht aus vergänglichem, sondern aus unvergänglichem Samen, nämlich aus dem lebendigen Worte Gottes, das da ewiglich bleibet“ (1 Petr. 1, 23). Desgleichen St. Jakobus: „Er hat uns gezeuget nach seinem Willen, durch das Wort der Wahrheit, auf daß wir wären Erstlinge seiner Kreaturen“ (1, 18). Von der heiligen Taufe rühmet auch St. Paulus und spricht: „Nach seiner großen Barmherzigkeit machet er uns selig durch das Bad der Wiedergeburt und Erneuerung des heiligen Geistes, welchen er ausgegossen hat über uns reichlich durch JEsum Christum, unseren Heiland“ (Tit. 3, ü. 6).

Wie aber das Wort Gottes zugleich sein könne der Mutterleib, darin wir empfangen und neugeboren werden, und fürs Andere auch der Same selbst, daraus wir unsern himmlischen Ursprung nehmen — ist nicht so schwer zu verstehen. Denn sofern es vor unsern Ohren klingt und wir mitten in solchem Getön, Schall und öffentlicher Handlung des Wortes wie in einem starken Blockhause wider den Teufel, die Welt und, alle falsche Lehre uns gleich als versperret und eingeschlossen halten, und lassen uns nicht herauslocken, sondern stopfen unsere Vernunft, Augen und Ohren gegen des Teufels Brüllen und Sturmwettern zu — da ist solcher Gebrauch des göttlichen Wortes und der heiligen, damit verbundenen Sakramente wie Gottes Leib und wie seiner Kirche Leib und Mutter, darin er uns hebet und träget. Sofern es aber gepredigt wird und aus Kraft und Wirkung des heiligen Geistes durch die Ohren in das Herz fällt, daß es bekehret, tötet den alten Adam, zündet an den Glauben, stärket ihn, erweckt neuen Gehorsam, regiert das Leben und schreckt ab von Sünden und Lastern — hier ist es wie ein lebendig machender Same, aus welchem uns Gott wieder gebieret, daß wir neue Kreaturen werden, die vorsätzlich nicht sündigen, wie St. Johannes sagt: „Wer aus Gott geboren ist, der tut nicht Sünde, denn sein Same bleibt bei ihm, und kann nicht sündigen, denn er ist von Gott geboren“ (1. Joh. 3, 9).

Deswegen soll sich ein gottseliger Christ auf Erden beides angelegen sein lassen: erstlich, daß er sich in Gottes Wort wie ein Kind im Mutterleibe eingeschlossen halte; und danach, daß er auch Gottes Wort samt den heiligen Sakramenten als den alleinigen Samen seiner Wiedergeburt ansehe, dadurch er sich zeugen, wiedergebären, regieren, leiten und führen lasse.

Zudem, gleichwie ein Kind im Mutterleibe von menschlichen Samen nicht allein seinen Ursprung, sondern auch, so lange es darin formieret und zubereitet wird, seine Fütterung, Kraft und Zunahme bekommt: also sollen wir als neu empfangene Kinder des Lichts in der heiligen Schrift als in dem geistlichen Mutterleibe der christlichen Kirche Gottes Wort, den Samen und Anfang unserer Wiedergeburt, auch lassen unsere geistliche Nahrung sein, und bei Leibe nicht außer dem geoffenbarten Wort nach höheren Dingen und nach anderer stärkerer Speise gaffen, sondern allein mit Gottes Wort unsere Seele stillen und stärken, wie David singt: „Herr, mein Herz ist nicht hoffärtig, und meine Augen sind nicht stolz, und wandelt nicht in großen Dingen, die mir zu hoch sind. Wenn ich meine Seele nicht setzte und stillete, so ward meine Seele entwöhnet, wie einer von seiner Mutter entwöhnet wird“ (Ps. 131, 1. 2). „Deine Rechte sind mir süßer denn Honigseim“ (Ps. 19, 11). „Das ist mein Trost in meinem Elend, denn Dein Wort erquicket mich“ (Ps. 119, 50). —

Es gebraucht aber der allmächtige Gott auch äußerliche Werkzeuge zur Ausstreunng und Fortpflanzung dieses seines himmlischen Samens. Das sind die Prediger und Diener seines heiligen Wortes, durch welche gleich als durch Röhren und Instrumente der Geist Gottes sich hören läßt, den unvergänglichen Samen des Evangelii mitten in die Zuhörer auswirft und das Wasser des Lebens gleich als durch Kanäle reichlich und weithin ausbreitet.

Solches bezeuget der Herr Christus, da er sehr tröstlich zu seinen Jüngern spricht: „Es soll euch zu der Stunde gegeben werden, was ihr reden sollt. Denn ihr seid es nicht, die da reden, sondern eures Vaters Geist ist es, der durch euch redet. Ich will euch Mund und Weisheit geben“ (Matth. 10, 19, 20; Luk. 21, 15). „Sorget nicht, was ihr reden sollt, und bedenket euch nicht zuvor, sondern was euch zu derselbigen Stunde gegeben wird, das redet“ (Mark. 13, 11). „Der Geist der Wahrheit, der vom Vater ausgehet, der wird zeugen von mir. Und ihr werdet auch zeugen“ (Joh. 15, 26. 27). Und zu dem Propheten Jeremias sagt Gott der Herr: „Du sollst gehen, wohin ich dich sende, und predigen, was ich dir heiße. Siehe ich lege meine Worte in deinen Mund“ (Jerem. 1, 7. 9). Und am anderen Ort: „Ich rede zu den Propheten, und ich bin es, der so viele Weissagung gibt, und durch die Propheten mich anzeige. Ich hofle sie (hobele sie ab) durch die Propheten und töte sie durch meines Mundes Rede, daß dein Recht an das Licht komme“ (Hos. 12, 11; 6, 5).

Darum, wenn ein Prediger auf der Kanzel steht, predigt Gottes Wort, bleibt bei der Schrift, führet sie recht ein und erkläret das Evangelium verständlich, daß es mit Frucht angehöret, zu Herzen gefasset und nicht zum Gefallen noch Ohrenjücken, sondern zur Erbauung gebrauchet wird; wenn er die hochheiligen Sakramente richtig verwaltet, taufet und reichet das Abendmahl nach der Schrift: — da ist er ein rechtes Werkzeug der heiligen Dreifaltigkeit, borget dem heiligen Geiste seine Zunge und bekommt den Ruhm in der Schrift, daß er als ein geistlicher Vater geistliche Kinder zeuge, wie St. Paulus sich nicht schämet, öffentlich davon zu schreiben: „Ich vermahne euch, sagt er zu den Korinthern, als meine lieben Kinder. Denn ob ihr gleich zehntausend Zuchtmeister hättet in Christo, so habt ihr doch nicht viele Väter. Denn ich habe euch gezeuget in Christo Jesu durch das Evangelium“ (1. Kor.4, 14. 15). Und zu den Galatern sagt er: „Meine lieben Kinder, welche ich abermal mit Aengsten gebäre, bis daß Christus in euch eine Gestalt gewinne“ (Kap. 4, 19).

Diesen letzten Spruch erkläret Luther mit nachfolgenden Worten: „Die Apostel, alle frommen Prediger und Schulmeister — (heut zu Tage von der Welt Pietisten, Beter, Mucker benannt) — sind ihrer Weise nach auch unsere Eltern. Denn gleichwie wir aus der natürlichen Geburt von den Eltern Gestalt der Leiber haben, also helfen diese dazu, daß unsere Herzen und Gewissen eine rechte Gestalt in uns gewinnen. Die rechte Gestalt aber, die ein christlich Herz haben soll, ist der Glaube oder die Zuversicht im Herzen, dadurch wir Christum ergreifen, demselbigen allein und sonst keinem anderen Dinge anhangen. Welches Herz nun einen solchen Glauben hat, daß wir vor Gott gerecht geschätzet werden um Christi willen, das hat seine rechte Gestalt nach Christo und ist ihm ähnlich. Es wird aber solche Gestalt durch das Predigtamt zugerichtet, wie er 1. Cor. 4 saget: „Ich habe euch gezeuget in Christo Iesu durch das Evangelinm, daß ihr Christum erkannt und an ihn geglaubt habt“. Item 2. Cor. 3: „Ihr seid ein Brief Christi, durch das Predigtamt zubereitet und durch uns geschrieben, nicht mit Tinte, sondern mit dem Geist des lebendigen Gottes“. Denn da gehet das Wort aus des Apostels Munde und rühret die Herzen der Zuhörer. Da ist denn der heilige Geist auch bei und machet, daß das Wort im Herzen haftet, wie es gepredigt wird. Auf solche Weise ist ein jeder gottseliger Lehrer ein Vater. Denn er zeuget und bereitet die rechte Gestalt eines christlichen Herzens.“

4.
Das geheimnisvolle Werk.

Aus dem Gesagten mögen wir wohl schon etlichermaßen abnehmen, wie das Werk der Wiedergeburt selbst zugehe und was es für eine Bewandtnis damit habe. Wir kommen aber nunmehr recht zu dem Kern und Mark dieses edlen hohen Geheimnisses, in welches Nikodemus mit seiner klugen Vernunft und hohen Gedanken sich nicht kann finden, sondern hält’s für ein unmöglich Ding, daß ein Mensch solle wiedergeboren werden. Und wenn wir recht die Wahrheit sagen sollen, so gibt es heutzutage, sonderlich in den reformierten Kirchen — (heutzutage wohl auch in den unierten) — der Nikodemiten trefflich viele, die von diesem Geheimnis nicht mehr glauben, denn sie mit der Vernunft fassen und begreifen können. Ja, wir alle müssen bekennen, daß es unsern fünf Sinnen und menschlicher Weisheit viel zu tief verborgen liegt, und daß unser Fleisch und Blut solches keinem sagen noch offenbaren kann.

Müssen wir uns doch schon über die natürliche Geburt eines Menschen verwundern und können alle ihre Ursachen und den ganzen Zusammenhang nimmer genügend ergründen. Wie sollten wir denn das übernatürliche, himmlische und göttliche Werk der Wiedergeburt vollkömmlich verstehen und begreifen? Solches ist uns unmöglich und wird in diesem Leben wohl wahr bleiben, was Salomo schreibt: „Gleich wie du nicht weißt den Weg des Windes, und wie die Gebeine im Mutterleibe bereitet werden: also kannst du auch Gottes Werk nicht wissen, das Er tut überall“ (Prediger 11, 5).

Doch sollen wir uns befleißigen, so viel davon zu lernen und zu behalten, als uns Gottes Wort davon offenbaret. Und damit solches geschehe, laßt uns das Werk der natürlichen Geburt und der übernatürlichen Wiedergeburt recht gegeneinander halten.

Von der natürlichen Geburt weiß man, daß der Mensch wunderbarlich von Gott im Mutterleibe bereitet wird, wie David sagt: „Du warest über mir im Mutterleibe. Ich danke Dir darüber, daß ich wunderbarlich gemacht bin; wunderbarlich sind Deine Werke, und das erkennet meine Seele wohl. Es war Dir mein Gebein nicht verhohlen, da ich im Verborgenen gemacht ward, da ich gebildet ward unten in der Erde. Deine Augen sahen mich, da ich noch unbereitet war; und waren alle Tage auf Dein Buch geschrieben, die noch werden sollten, und derselben keiner da war“ (Ps. 139, 13 — 16). Hiob spricht: „Hast Du mich nicht wie Milch gemolken, und wie Käse lassen gerinnen? Du hast mir Haut und Fleisch angezogen, mit Beinen und Adern hast Du mich zusammen gefügt. Leben und Wohltat hast Du an mir getan, und Dein Aufsehen bewahret meinen Odem“ (Kap. 10, 10—12).

Die übernatürliche und himmlische Wiedergeburt gehet aber noch viel wunderlicher zu und wird in dem geistlichen Mutterleibe, nämlich mitten in dem Getön, Schall und Regierung des göttlichen Wortes, wo dasselbe mit seinen angehängten zweien Siegeln öffentlich regiert und waltet, durch Kraft und Wirkung des heiligen Geistes getrieben und vollbracht. Denn die öffentliche Stimme, Predigt und der ganze öffentliche Gebrauch des Wortes sind wie ein brausender Wind, der den Menschen auf dem Felde dieses Lebens überhuiet, überfällt und umgiebt wie ein Gefängnis und enger Mutterleib, daß der Eingeschlossene nicht weiß wie ihm ist, wird nun durchs Gesetz geschmettert und zu Boden geschlagen, danach durchs Evangelium erquickt, dann wieder durch das Kreuz niedergeworfen und gekränkt, höret aber anders nichts aus Gottes Wort, denn es müsse so sein. Dies Wort höret er als ein Brausen des Windes, und fühlet des Windes mancherlei Kraft und Wirkung, als: Schrecken, Angst, Trost, Freude, und dann wiederum Trübsal und Elend. Aber die Vernunft wird hierüber bestürzt und gar zur Närrin, kann nicht verstehen noch ergründen, wo doch der himmlische Wind herkomme, was Gott damit meine und wozu es letztlich alles solle gerichtet sein.

Eine solche Gelegenheit hat es mit unserer Wiedergeburt. Wie auch der Herr Christus in seinem Gespräch mit Nikodemus dahin siehet und spricht:

„Was vom Geist geboren wird, das ist Geist. Laß dichs nicht wundern, daß ich dir gesagt habe: Ihr müsset von neuem geboren werden. Der Wind bläset, wo er will, und du hörest sein Sausen wohl; aber du weißt nicht, von wannen er kommt, und wohin er fährt. Also ist ein jeglicher, der aus dem Geist geboren ist“ (Joh. 3, 6—8).

Dies behaltet wohl, liebe Christen, und denket ihm fleißig nach, damit euch diese heilsame Lehre recht bekannt werde und tief zu Herzen gehe. — Die heilige Schrift lässets übrigens nicht hierbei bleiben, sondern fähret fort und zeiget alle die einzelnen Stücke dieses Geheimnisses an, damit wir wissen, wie es dabei zugehet, wenn Gott einen armen Sünder wiedergebieret und zum ewigen Leben bereitet. Solcher Stücke sind aber sieben, nämlich: die Vokation oder Berufung des Sünders, die Zerknirschung oder der Hammerschlag des Gesetzes, die Rechtfertigung, die Erhöhung, die Erneuerung oder Wirkung des neuen Gehorsams, das Kreuz dessen Gott sich auch zu diesem edlen hohen Werk bedient, und endlich die gänzliche Vollbereitung und Erhaltung zum ewigen Leben.

Was erstlich die Vocation oder Berufung anlangt, so lässet Gott sein Wort predigen und die heiligen Sakramente austeilen, ruft und locket damit den Sünder zu sich und will, daß er das Wort höre und mit Fleiß betrachte. Alsdann erleuchtet er das Herz, stößt die angeborene Finsternis aus und zündet »ein neu himmlisch Licht an, daß der Mensch anhebt zu merken und zu verstehen, was da gepredigt wird und wie sich Gott im Wort offenbaret. Denn dazu ist ja das Predigt-Amt samt der Administration der hochwürdigen Sakramente eingesetzt, daß Gott hierdurch kräftig wirken und die fleißigen Zuhörer erleuchten will.

Den Predigern wird gesagt: „ Lehret (machet zu Jüngern) alle Völker, und taufet sie im Namen des Vaters, und des Sohnes, und des heiligen Geistes; und lehret sie halten alles, was Ich euch befohlen habe“ (Matth. 28,19. 20). „Habt Acht auf euch selbst und auf die ganze Herde, unter welche euch der heilige Geist gesetzt hat zu Bischöfen, zu weiden die Gemeinde Gottes, welche er durch sein eigen Blut erworben hat“ (Apostgesch. 20, 28). Den Zuhörern aber: „Gehorchet euren Lehrern und folget ihnen“ (Hebr. 13, 17). „Lasset das Wort Christi reichlich unter euch wohnen, in aller Weisheit. Lehret und vermahnet euch selbst mit Psalmen und Lobgesängen, und geistlichen lieblichen Liedern, und singet dem Herrn in eurem Herzen“ (Kol. 3, 16).

Wo nun reine Lehre, richtige Predigt, rechte Vermahnung, und auf der andern Seite ein fleißig Aufmerken ist: da bleibt die himmlische Erleuchtung nicht aus, sondern folget kräftiglich nach, wie die schönen Verheißungen lauten: „Gleichwie der Regen und Schnee vom Himmel fällt, und nicht wieder dahin kommt; sondern feuchtet die Erde und machet sie fruchtbar und wachsend, daß sie giebt Samen zu säen und Brot zu essen: also soll das Wort, so aus meinem Munde gehet, auch sein. Es soll nicht wieder zu mir leer kommen, sondern tun, das mir gefällt, und soll ihm gelingen, dazu ich es sende“ (Jes. 55, 10. 11). „Wache auf, der du schläfst, und stehe auf vou den Toten, so wird dich Christus erleuchten“ (Ephes. 5,14).

Ein merklich Exempel haben wir da an der Lydia, der Purpur-Krämerin, von welcher Lukas meldet, wie sie Paulo zugehöret und der Herr ihr das Herz aufgetan habe, daß sie darauf Acht hatte, was von Paulo geredet ward (Apgsch. 16,14). —

Hieraus folgt nun die Zerknirschung oder der Hammerschlag des Gesetzes, da Gott durch die Gesetzes-Predigt dem Menschen seine angeborene sündliche Art, wie auch seine begangenen Sünden und Missetaten samt dem Fluch und der ewigen wohlverdienten Strafe vorhalten läßt; schlägt ihn damit zu Boden, daß er von Herzen erschrickt, wehklagt und an allen seinen Kräften, Werken und Vermögen verzagen und sich gänzlich verloren geben muß.

„Rufe getrost, sagt der Herr zum Prediger, schone nicht! Erhebe deine Stimme wie eine Posaune, und verkündige meinem Volk ihr Uebertreten, und dem Hause Jakob ihre Sünde“ (Jes. 58, 1). „Ich habe dich zum Schmelzer gesetzt unter mein Volk, das hart ist, daß du ihr Wesen erfahren und prüfen sollst“ (Jerem. 6, 27). „Sprich zu ihnen: So spricht der Herr Herr! sie hörens oder lassens“ (Hesek. 3, 11). „Verflucht sei, wer nicht alle Worte dieses Gesetzes erfüllet, daß er danach tue“ (5 Mos. 27, 26). „Sie sind alle abgewichen, und allesammt untüchtig; da ist keiner, der Gutes tue, auch nicht einer“ (Ps. 14, 3). „Es ist hier kein Unterschied. Sie sind allzumal Sünder, und mangeln des Ruhms, den sie vor Gott haben sollten“ (Röm. 3, 23). „Auf daß aller Mund verstopfet werde, und alle Welt Gott schuldig sei; darum, daß kein Fleisch durch des Gesetzes Werk vor ihm gerecht sein mag. Denn durch das Gesetz kommt Erkenntnis der Sünde“ (V. 19. 20).

Solcher Gesetzpredigten braucht der heilige Geist, daß er dadurch die Zuhörer zur Erkenntnis der Sünde führe, sie heraus jage aus der verdammlichen Sicherheit und hinein in die Furcht, daß sie Reue und Leid tragen über ihre Sünden, an sich selbst ganz und gar verzweifeln, sich vor Gottes Zorn fürchten und tief vor ihm demütigen. Hier wirkt Gott durch das Wort des Gesetzes nicht anders, denn als ob er sie mit Feuer brennete und mit einem Hammer zerschlüge, wie er auch bei dem Propheten Jeremias spricht: „Ist mein Wort nicht wie ein Feuer, und wie ein Hammer, der Felsen zerschmeißt?“ (23, 29). Darum schreibt St. Paulus: „Die Sünde erkannte ich nicht, ohne durchs Gesetz. Denn ich wußte nichts von der Lust, wo das Gesetz nicht hätte gesagt: Laß dich nicht gelüsten! Es nahm aber die Sünde Ursach‘ am Gebot, und erregete in mir allerlei Lust. Denn ohne das Gesetz war die Sünde tot. Ich aber lebte etwa ohne Gesetz. Da aber das Gebot kam, ward die Sünde wieder lebendig. Ich aber starb; und es befand sich, daß das Gebot mir zum Tode gereichte, das mir doch zum Leben gegeben war“ (Röm. 7, 7 —10). —

Zum dritten kommt nun die gnädige Rechtfertigung eines armen Sünders vor Gott, und bestehet dieselbe darin, daß Gott den armen Sündern, deren Herz von Sünden schwer und von Angst betrübet sehr, das Evangelium von Christo predigen und ihnen verkündigen läßt, daß Christus aller Welt Missetat auf sich genommen, um unserer Sünden willen gestorben und um unserer Gerechtigkeit willen auferstanden sei, das Gesetz für uns erfüllet, den Zorn seines Vaters gestillet, die Hölle geschleift und den Teufel überwunden habe. Durch diese Predigt tröstet er die betrübten Sünder, wirket und zündet in ihnen an den Glauben, rechnet ihnen die Gerechtigkeit Christi zu, vergiebt die Sünde und stillet ihr Gewissen, daß sie ruhig und zufrieden werden.

Von solchem tröstlichen Amt des Evangelii zeuget die Schrift an vielen Orten. Samt Paulus spricht: „Dies ist das Wort vom Glauben, das wir predigen. Denn so du mit deinem Munde bekennest JEsum, daß er der Herr sei, und glaubest in deinem Herzen daß ihn Gott von den Toten auferweckt hat: so wirst du selig“ (Rom. 10, 8. 9). „Gott hat uns das Amt gegeben, das die Versöhnung predigt. Denn Gott war in Christo, und versöhnte die Welt mit ihm selber, und rechnete ihnen ihre Sünden nicht zu, und hat unter uns ausgerichtet das Wort von der Versöhnung. So sind wir nun Botschafter an Christi Statt, denn Gott vermahnt durch uns. So bitten wir nun an Christi Statt: lasset euch versöhnen mit Gott! Denn er hat Den, der von keiner Sünde wußte, für uns zur Sünde gemacht, auf daß wir würden in ihm die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt“ (2. Kor. 5, 18 — 21). „Denn Gott hat uns nicht gesetzt zum Zorn, sondern die Seligkeit zu besitzen durch unseren Herrn Jesum Christum“ (1. Thess. 5, 9). „Christus ist des Gesetzes Ende; wer an Den glaubt, der ist gerecht“ (Röm. 10, 4).

Zu diesem evangelischen Predigtamt gehöret auch die heilige Absolution oder der Löseschlüssel, von Christo eingesetzt, da er spricht: „Wahrlich, Ich sage euch: was ihr auf Erden lösen werdet, soll auch im Himmel los sein.“ „Welchen ihr die Sünden erlasset, denen sind sie erlassen“ (Matth. 18,18; Ioh. 20, 23). Ingleichen auch die heiligen Sakramente. Denn zur Buße und zur Vergebung der Sünden sind wir getauft; und im hochwürdigen Abendmahl werden wir mit Christi Leib gespeiset und mit seinem Blut getränket zu seinem Gedächtnis, daß wir uns seines teuren Verdienstes sollen getrösten und glauben die Vergebung der Sünden.

Deswegen wo dies Predigt-Amt samt Absolution und Verwaltung der hochwürdigen Sakramente mit Fleiß getrieben wird, und die elenden zerschlagenen Herzen mit geistlichem Hunger und Durst begierig darauf merken — da zündet Gott durch diesen äußerlichen Gebrauch seines Evangelii den Glauben inwendig in ihnen an, daß sie dem Evangelio glauben und sich auf Christum von ganzem Herzen verlassen. Und ist demnach der Glaube in uns nicht aus menschlichen Kräften noch aus unserem Vermögen, sondern Gottes Gabe und Werk, wie geschrieben steht: „Das ist Gottes Werk, daß ihr an Den glaubet, den er gesandt hat“ (Joh. 6, 29). Erkennet, „welches da sei die überschwängliche Größe seiner Kraft an uns, die wir glauben, nach der Wirkung seiner mächtigen Stärke, welche er gewirkt hat in Christo, da er ihn von den Todten auferwecket hat und gesetzt zu seiner Rechten im Himmel“ (Eph. 1, 19. 20). Und abermal: „Ihr seid mit Christo „begraben durch die Taufe, in welchem ihr auch seid auferstanden durch den Glauben, den Gott wirket, welcher ihn auferwecket hat von den Toten“ (Kol. 2, 12).

Wenn nun solcher Glaube sich auf die evangelische Verheißung stützet und verläßt, Christum mit seinem Verdienst ergreift und sich zu seiner Gerechtigkeit hält: alsdann rechnet uns Gott die Gerechtigkeit seines Sohnes durch den Glauben zu, deckt damit unsere Sünde und will derselben in Ewigkeit nicht mehr gedenken. Wie denn der Apostel Paulus hiervon zeuget: „Dem, der nicht mit Werken umgehet, glaubet aber an Den, Der die Gottlosen gerecht macht: dem wird sein Glaube gerechnet zur Gerechtigkeit. Nach welcher Weise auch David sagt, daß die Seligkeit allein sei des Menschen, welchem Gott zurechnet die Gerechtigkeit, ohne Zutun der Werke, da er spricht: Selig sind die, welchen ihre Ungerechtigkeiten vergeben sind und welchen ihre Sünden bedecket sind. Selig ist der Mann, welchem der Herr keine Sünde zurechnet“ (Röm. 4, 5 — 8). Desgleichen sagt Christus: „Gott hat seinen Sohn nicht gesandt in die Welt, daß er die Welt richte, sondern daß die Welt durch ihn selig werde. Wer an ihn glaubet, der wird nicht gerichtet“ (Joh. 3, 17. 18). —

Die vierte Eigenschaft der himmlischen Wiedergeburt ist die gnadenreiche Erhöhung, daß Gott nicht allein durch den Glauben uns gerecht macht, sondern läßt uns auch im Evangelio die selige Kindschaft des ewigen Lebens und die himmlische Brautehre vortragen und anbieten, daß wir durch den Glauben sollen seine Kinder sein und seines lieben Sohnes auserwählte Braut. Und giebt uns dar zur Versicherung und gewissem Pfand den Geist seines Sohnes in unsere Herzen, daß wir sein Eigentum und ein Tempel der ganzen heiligen Dreifaltigkeit sein sollen.

Von dieser Exaltation oder Erhöhung lautet das Wort seiner Verheißung also: „Ich will euch annehmen und euer Vater sein, und ihr sollt meine Söhne und Töchter sein, spricht der allmächtige Herr“ (Jerem. 31; 2 Kor. 6, 16). „Wie viele Christum aufnahmen, denen gab er Macht, Gottes Kinder zu werden.“„Gehe hin, spricht der Herr Christus zu Maria Magdalena, zu meinen Brüdern, und sage ihnen: Ich fahre aus zu meinem Vater und zu eurem Vater, zu meinem Gott und zu eurem Gott“ (Ioh. 20, 17). Auch sagt er von unserer himmlischen Braut-Ehre: „Ich will mich mit dir verloben in Ewigkeit. Ich will mich mit dir vertrauen in Gerechtigkeit und Gericht, in Gnade und Barmherzigkeit; ja im Glauben will ich mich mit dir verloben“ (Hos. 2, 19. 20). „Du sollst meine Lust an ihr, und dein Land lieber Buhle heißen. Denn der Herr hat Lust an dir, und dein Land hat einen lieben Buhlen. Denn wie ein lieber Buhle einen Buhlen lieb hat, so werden dich deine Kinder lieb haben; und wie sich ein Bräutigam freuet über die Braut, so, wird sich dein Gott über dich freuen“ (Jes. 62, 4.5). Auch wird uns im Evangelio verkündigt, daß Gott der Vater überväterliche und übermütterliche Treue und der Herr Christus rechte Bräutigams – Liebe an uns erzeigen wolle. „Wie sich ein Vater über seine Kinder erbarmt, singen wir mit dem Propheten David, so erbarmt sich der Herr über die, so ihn fürchten“ (Ps. 103, 13). .Ich will euch trösten, sagt er, wie einen seine Mutter tröstet“ (Jes. 66, 13). „Kann auch ein Weib ihres Kindleins vergessen, daß sie sich nicht erbarme über den Sohn ihres Leibes? Und ob sie desselbigen vergäße, so will ich doch deiner nicht vergessen“ (Jes. 49 ,15). Desgleichen verspricht sich Christus, unser himmlischer Bräutigam, daß er seine Kirche nicht verlassen, sondern ihr beiwohnen wolle bis an das Ende der Welt; ihr auch den heiligen Geist von dem Vater senden, der sie in alle Wahrheit leiten und führen solle.

Dies sind über alle Maßen hochwichtige Schätze und eine Ehre über aller Welt Ehre und Herrlichkeit, daß Gott der Vater will unser Vater, Gott der Sohn unser Bräutigam, und Gott der heilige Geist unser Tröster sein. Und solche Wohltaten läßt er uns nicht allein vortragen, sondern wo man auf das Wort merkt, da erweckt er auch den Glauben, daß ein Christ sie eben mit demselben Glauben ergreifet, damit er zuvor die Vergebung der Sünden und die Gerechtigkeit des lieben Evangelii angenommen hat. Also kehret denn die ganze heilige Dreifaltigkeit durch den Glauben zu uns ein und wohnet in uns: der Vater als unser liebster Vater, der Herr JEsus Christus als unser liebster Bräutigam, und der heilige Geist als unser höchster Tröster, welcher dazu noch das Siegel und Pfand unserer Seligkeit ist, damit wir ja an dieser großmächtigen Verheißung keinen Zweifel tragen.

Hierher gehört was geschrieben stehet: „Wie viel eurer getauft sind, die haben Christum angezogen“ (Gal. 3, 27). Wisset ihr nicht, daß ihr Christi Glieder seid? „Wisset ihr nicht, daß ihr Gottes Tempel seid und der Geist Gottes in euch wohnet?“ (1 Cor. 6; 3, 16). „Weil ihr Kinder seid, hat Gott gesandt den Geist seines Sohnes in eure Herzen, der schreiet: Abba, lieber Vater!“ (Gal. 4, 6). „Ihr habt nicht einen knechtischen Geist empfangen, daß ihr euch abermal fürchten müßtet; sondern ihr habt einen kindlichen Geist empfangen, durch welchen wir rufen: Abba, lieber Vater! Derselbige Geist gibt Zeugnis unserem Geist, daß wir Gottes Kinder sind. Sind wir denn Kinder, so sind wir auch Erben, nämlich Erben Gottes und Miterben Christi“ (Röm. 8, 15 — 17). Und abermal: „Da ihr glaubetet, seid ihr versiegelt worden mit dem heiligen Geist der Verheißung, welcher ist das Pfand unseres Erbes zu unserer Erlösung, daß wir sein Eigentum würden, zum Lobe seiner Herrlichkeit“ (Eph. 1. 13. 14).

Solche himmlische Erhöhung schaffet Freudigkeit und sehr großen Trost in allerlei Bekümmernis, Trübsal und Elend; machet dazu starken Mut, daß ein gläubiger Christ sich nicht darf peinlich vor Gott als vor einem Feind und Stockmeister fürchten, sondern trauet ihm kindlich, verläßt sich auf Christum wie eine Braut auf ihren Bräutigam, und ergiebt sich dem heiligen Geist als seinem höchsten Freund und allerkräftigsten Tröster. —

5.
Wozu der Mensch wiedergeboren werde.

Zum fünften, kommt dazu die geistliche und himmlische Erneuerung, da Gott der HErr die Seinen, welche er durch die zugerechnete Unschuld seines Sohnes im Glauben gerechtfertigt und zu seinen Kindern, Braut, Tempel und Eigentum angenommen hat, auch mit neuem Gehorsam anzündet, daß sie nach erlangter Sündenvergebung und nach empfundener Freude der edlen himmlischen Erhöhung und auch durch Kraft und Wirkung des heiligen Geistes allen Ernstes anfangen, Gott und ihren Nächsten zu lieben, die Sünde zu hassen, wider den Teufel, die Welt und ihres eignen Fleisches Lust zu streiten und nach Gottes Geboten als nach ihrem Kanon oder Richtschnur heilig zu leben.

Die Verheißung, so Gott hiervon gebet, lautet also: „Ich will euch ein neues Herz, und einen neuen Geist in euch geben; und will das steinerne Herz aus eurem Fleisch wegnehmen, und euch ein fleischern Herz geben. Ich will meinen Geist in euch geben, und will solche Leute aus euch machen, die in meinen Geboten wandeln und meine Rechte halten und danach tun“ (Hesek. 36, 26. 27). „Ich will ihnen einerlei Herz und Wesen geben, daß sie mich fürchten sollen ihr Lebenlang“ (Jeremia 32, 39). „Bleibet in mir, und ich in euch. Gleich wie der Rebe kann keine Frucht bringen von ihm selber, er bleibe denn am Weinstock; also auch ihr nicht, ihr bleibet denn in mir. Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibet, und ich in ihm, der bringet viele Frucht. Denn ohne mich könnet ihr nichts tun“ Joh. 15, 4. 5).

Bist du nun mit Christi Blut im Glauben besprenget, glaubest die Vergebung der Sünden, trauest Gett dem Vater kindlich als deinem rechten Vater, dem Herrn Christo als deinem Erlöser und allerliebsten Bräutigam, und Gott dem heiligen Geist als deinem einigen und höchsten Tröster, der in dir wohnet und dich als seine Behausung eigentümlich besitzt: so sollst du wissen, wo Gott residiert und wohnet, daß er da nicht müßig ist, sondern reget sich und schaffet Früchte, die sich bald hervor tun und ausschlagen. Wenn er daher auch in dir wohnet und durch den Glauben in deinem Herzen wurzelt, so schaffet er Frucht, erweckt neue Bewegungen in dir und reizet dich zu guten Werken, daß du dich derselben mit Freuden befleißigst und dazu getrieben wirst, nicht anders als wärest du deiner selbst nicht mächtig, sondern hättest einen Regenten in dir wohnen, dem du mit all deinem Tun und Lassen verknüpft wärest. Daher sagt St. Paulus: „Wisset ihr nicht, daß euer Leib ein Tempel des heiligen Geistes ist, der in euch ist, welchen ihr habt von Gott, und seid nicht euer selbst? Denn ihr seid teuer erkauft. Darum so preiset Gott an eurem Leibe und in eurem Geiste, welche sind Gottes“ (1 Kor. 6, 19. 20).

Und solche Werke und Bewegungen sind gewisse Zeugen des neuen Lebens in uns, eben wie, wenn ein Kind sich reget im Mutterleibe, die Mutter daraus abnehmen kann, daß sie mit einer lebendigen Frucht schwanger gehe.

„Welche der Geist Gottes treibet, sagt die Schrift (Röm. 8, 14), die sind Gottes Kinder.“ „Die Frucht aber des Geistes ist Liebe, Freude, Friede, Geduld, Freundlichkeit, Gütigkeit, Glaube, Sauftmut, Keuschheit. Wider solche ist das Gesetz nicht. Welche aber Christo angehören, die kreuzigen ihr Fleisch samt den Lüsten und Begierden. So wir im Geist leben, so lasset uns auch im Geist wandeln“ (Gal. 5, 22-25). „So leget nun von euch ab, nach dem vorigen Wandel, den alten Menschen, der durch Lüste in Irrtum sich verderbet. Erneuert euch aber im Geist eures Gemüts; und ziehet den neuen Menschen an, der nach Gott geschaffen ist, in rechtschaffener Gerechtigkeit und Heiligkeit“ (Eph. 4, 22 — 24). „Dabei, spricht der Herr Christus selber, wird jedermann erkennen, daß ihr meine Jünger seid, so ihr Liebe unter einander habt. — Das ist mein Gebot, daß ihr euch unter einander liebet, gleich wie Ich euch liebe. Niemand hat größere Liebe, denn die, daß er sein Leben lässet für seine Freunde. Ihr seid meine Freunde, so ihr tut, was ich euch gebiete. Ich sage hinfort nicht, daß ihr Knechte seid; denn ein Knecht weiß nicht, was sein Herr tut. Euch aber habe ich gesagt, daß ihr Freunde seid. Denn alles, was ich habe von meinem Vater gehöret, habe ich euch kund gethan. Ihr habt mich nicht erwählet, sondern Ich habe euch erwählet und gesetzet, daß ihr hingehet und Frucht bringet, und eure Frucht bleibe; auf daß, so ihr den Vater bittet in meinem Namen, daß er es euch gebe. Das gebiete ich euch, daß ihr euch unter einander liebet“ (Joh. 13, 35; 15, 12—17).

Darum gleichwie der Mensch im Mutterleibe, sobald das Leben angezündet ist, sich zu regen anhebet; und obwohl solcher Anfang schwach, zart und gering, dennoch nimmt er von Tage zu Tage zu und wächset an Kräften, bis er aus der engen Herberge in diese Welt kommt; alsdann ist sein Leben vollkommen und reget sich völlig in allen Gliedern: also haben die Kinder des Lichts auf dieser Welt auch nur die Erstlinge des Geistes, und machen mit ihrem neuen Gehorsam und guten Werken, die sie tun im Glauben, aus Liebe gegen Gott und den Nächsten, den Anfang des geistlichen Lebens; wachsen auch und nehmen darin zu, bis sie dieser Welt durch den zeitlichen Tod völlig absterben und in das himmlische Paradies aufgenommen werden. Da reget sich das ewige Leben erst mit voller Kraft, daß sie dann lieben Gott ihren Vater von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von ganzem Gemüte, und ihren Nächsten als sich selbst. —

Die sechste Eigenschaft der Wiedergeburt ist das liebe heilige Kreuz, da Gott seinen Kindern auf dieser Welt mancherlei Trübsal, Angst, Not und Elend widerfahren läßt, um damit des Fleisches Lüste und den alten Adam in ihnen zu kränken und zu töten; auch den angezündeten Glauben zu probieren, zu wetzen und zu stärken; aber auch Ursach‘ zu geben zum Gebet, zur Demut, zur Geduld und allen christlichen Tugenden, und sie ähnlich zu machen dem Bilde seines Sohnes JEsu Christi, Ihm Selbst zu Lob und Ehren.

Von dem Kreuz selbst, wie es uns von Gott anferlegt wird und wie es alle gottseligen Christen geduldig annehmen und ertragen sollen, sagt der Herr in seinem Wort also: „Will mir Jemand nachfolgen, der verleugne sich selbst, und nehme sein Kreuz auf sich, und folge mir“ (Matth. 16, 24). „Welche Ich lieb habe, die strafe und züchtige ich“ (Offenb. 3, 19). „Meinen Kelch sollt ihr trinken, und mit der Taufe, da ich mit getauft werde, sollt ihr getauft werden“ (Matth. 20, 23). „Mein Kind, willst du Gottes Diener sein, so schicke dich zur Anfechtung. Halte fest, und leide dich, und wanke nicht, wenn man dich davon locket. Halte dich an Gott, und weiche nicht, auf daß du immer stärker werdest. Alles, was dir widerfähret, das leide, und sei geduldig in allerlei Trübsal“ (Sir. 2, l—4). „Gott leget uns eine Last auf, sagt David, aber Er hilft uns auch“ (Ps. 68, 20). „Der Herr hat einen Becher in der Hand, und mit starkem Wein voll eingeschenket und schenket aus demselben“ (Ps. 75, 9).

Es ist aber solches Kreuz zu verstehen von allerlei Trübsal, Krankheiten und Schmerzen, die einem Gottseligen hienieden begegnen; auch von Feindschaft und Verfolgung, wenn Gott zusiehet und zulässet, daß seine Kirche vom Teufel und von der Welt auf das jämmerlichste geplaget und verfolget wird, wie Christus sagt: „Ihr müsset gehasset werden von Jedermann, um meines Namens willen. — Sie werden euch in den Bann tun. Es kommt die Zeit, daß, wer euch tötet, wird meinen, er tue Gott einen Dienst daran“ (Matth. 10,22; Joh. 16,2). Gott läßt plagen, spricht Micha (5, 2). Wie er denn von Hiob zum Satan spricht: „Alles, was Hiob hat, sei in deiner Hand; ohne allein an ihn selbst lege deine Hand nicht!“ Hernach aber sagt er: Siehe da, er sei in deiner Hand; doch schone seines Lebens.“ Darauf schreit Hiob – „ Gott hat mich übergeben dem Ungerechten!“ (Hiob 1, 12; 2, 6; I6, 11).

Nun aber meinet es gleichwohl unser lieber Gott nicht arg noch böse mit seinen Kindern, wenn er sie unter dem Kreuz hält und mit Widerwärtigkeit sie fleißig heimsucht, sondern er befördert damit das ganze Werk der heilsamen Wiedergeburt, daß es in vollem Schwange gehe und zum seligen Ende gebracht werde.

Denn erstlich führet er sie hierdurch zur Erkenntnis ihrer Sünden, wie er selbst spricht: „Züchtigen will ich dich mit Maße, daß du dich nicht für unschuldig haltest“ (Jerem, 30,11). Desgleichen sagt Moses: „Das macht Dein Zorn, daß wir so vergehen, und Dein Grimm, daß wir so plötzlich dahin müssen. Denn unsere Missetat stellest Du vor Dich, unsere unerkannte Sünde in das Licht vor Deinem Angesicht“ (Ps. 90, 7. 8). Danach stärket und prüfet er hierdurch den Glauben, wie geschrieben stehet: Ich will dich läutern, ich will dich auserwählt machen im Ofen des Elends (Jes. 48, 10). Gott, spricht David, Du hast uns versuchet und geläutert, wie das Silber geläutert wird (Ps. 66, 10). Sodann reizet er sie damit zum Gebet, wie Jesaias sagt: Herr, wenn Trübsal da ist, so sucht man dich; wenn Du sie züchtigest, so rufen sie ängstiglich (26, 16). Ferner ist das Kreuz ein heilsames Präservativ oder Schutzmittel wider alle sündlichen Lüste. „Denn wenn wir gerichtet werden, so werden wir vom Herrn gezüchtiget, auf daß wir nicht samt der Welt verdammt werden“ (1 Cor. 11, 32). Und unser alter Mensch wird gekreuziget, auf daß der sündliche Leib aufhöre, daß wir hinfort der Sünde nicht dienen (Röm. 6, 6). Schließlich bringt Trübsal Geduld, Geduld aber bringt Erfahrung, Erfahrung aber bringt Hoffnung, Hoffnung aber läßt nicht zu Schanden werden (Rom. 5, 3 — 5). —

Endlich gehöret zum Werk der Wiedergeburt auch die Vollbereitung, daß Gott nicht allein den Anfang macht mit der Bekehrung und neuen Geburt seiner Christen, sondern vollendet auch das ganze Werk, wo man nur seiner geoffenbarten Ordnung folgt.

„Ihr werdet, sagt er, von mir im Leibe getragen, und liegt mir in der Mutter. Ja, Ich will euch tragen bis in das Alter und bis ihr grau werdet. Ich will es tun, Ich will heben und tragen, und erretten“ (Jes. 46, 3. 4). „Und Ich will den Vater bitten, und er soll euch einen anderen Tröster geben, daß er bei euch bleibe ewiglich: den Geist der Wahrheit“ (Ioh. 14, 16. 17). „Meine Schafe hören meine Stimme, und Ich kenne sie, und sie folgen mir; und ich gebe ihnen das ewige Leben, und sie werden nimmermehr umkommen, und Niemand wird sie Mir aus meiner Hand reißen“ (Joh. 10, 27. 28).

Auf diese Verheißung sieht der Apostel Petrus, da er schreibt: „Ihr werdet aus Gottes Macht durch den Glauben bewahret zur Seligkeit“ (1 Petr. 1, 5). Desgleichen St. Paulus hin und wieder in seinen Sendbriefen, wenn er spricht: „Wartet nur auf die Offenbarung unseres Herrn JEsu Christi, welcher auch wird euch fest behalten bis ans Ende, daß ihr unsträflich seid auf den Tag unseres Herrn JEsu Christi. Denn Gott ist treu, durch welchen ihr berufen seid zur Gemeinschaft seines Sohnes JEsu Christi, unseres Herrn“ (1 Cor. 1, 7 — 9). „Getreu ist er, der euch rufet, welcher wird’s auch tun“ (1. Thess. 5, 24). Und am andern Ort: „Denn Gott ist’s, der in euch wirket beides, das Wollen und das Vollbringen, nach seinem Wohlgefallen“ (Phil. 2, 13). Abermal sagt er: „Der Glaube ist nicht Jedermanns Ding. Aber der Herr ist treu, der wird euch stärken und bewahren vor dem Argen“ (2. Thess. 3, 2. 3). —

Siehe, liebes Herz, eine solche Gelegenheit hat es mit dem rechten Lauf der Wiedergeburt, und also muß das ganze Werk keinem Anderen im Himmel noch auf Erden, denn allein unserem lieben Gott assigniert und zugeschrieben werden. Denn wie ein zartes Kindlein im Mutterleib nichts von sich selbst dazu tut noch dazu tun kann, daß es empfangen und mit natürlichem Leben angezündet werde, sondern läßt sich formieren und bereiten, und erlangt daher sein Leben, daß es anfängt sich etlichermaaßen zu regen und zu rühren: also liegt auch ein Christ auf dieser Welt unserem lieben Gott in seinem Wort gleich als in seinem Leibe oder in der Mutier seiner christlichen Kirche verschlossen, und kann nicht aus eigner menschlicher Kraft des geistlichen Lebens teilhaftig werden, sondern muß sich dazu lassen durchs Evangelium bereiten, erleuchten und mit dem seligmachenden Glauben anzünden, daß er also anhebe geistlich zu leben, und lasse die Geschäfte oder Bewegungen solches Lebens in einem gottseligen Wandel und christlichen Tugenden offentlich sehen. —

Willst du nun noch wissen, wie lange diese Wiedergeburt währet: da antwortet dir St. Paulus. „Dieweil wir, sagt er, in der Hütte sind, sehnen wir uns, und sind beschweret. Sintemal wir lieber wollten nicht entkleidet, sondern überkleidet werden, auf daß das Sterbliche verschlungen würde von dem Leben. Der uns aber zu demselben bereitet, das ist Gott, der uns das Pfand, den Geist, gegeben hat. Wir sind aber getrost allezeit, und wissen, daß, dieweil wir im Leibe wohnen, so wallen wir dem Herrn. Denn wir wandeln im Glauben, und nicht im Schauen. Wir sind aber getrost, und haben viel mehr Lust, außer dem Leibe zu wallen, und daheim zu sein bei dem Herrn. Darum fleißigen wir uns auch, wir sind daheim, oder wallen, daß wir ihm wohlgefallen“ (2 Kor. 5, 4 — 9).

Aus diesen Worten wird klar genug, wie unsere Wiedergeburt im Laufe dieses zeitlichen Lebens ihr Ende nicht erreiche, sondern von der Taufe an währe bis in den Tod. So lange müssen wir Uns immer durch Gottes Wort berufen, erleuchten, strafen, trösten, regieren und führen lassen, und unter dem Kreuz gleich als in der Zuchtschule unserem lieben Gott aussagen, was wir aus seinem Wort gelernt haben, wie stark wir ihm vertrauen, wie wir beten, wie wir von Sünden ablassen, Buße tun und mit Werken der christlichen Liebe umgehen.

Und ist solches wider die Papisten sonderlich zu merken und zu behalten, welche vorgeben daß in der Taufe die Wiedergeburt ganz vollendet und die Kinder aller Sünden gänzlich los werden, so daß in ihrem Fleisch nichts Sündliches mehr über bleibe. Dieser Irrtum entsteht, wenn man das Geheimnis der Wiedergeburt nicht recht versteht. Denn es gehet solches nicht eilend zu in einem Hui oder Augenblick, wie auch leiblicher Weise der Mensch nicht in einer Stunde zugleich empfangen, formiert und geboren wird, sondern es hat alles seine Zeit und seinen stillen Fortgang. Durch die Taufe hat uns unsere geistliche Mutter, die christliche Kirche, vom heiligen Geist empfangen; und nun liegen wir der Mutter in ihrem Leibe, d. i. in Gottes Leibe und in Gottes Mutter, und lassen uns darin zu Gottes Kindern bereiten, bis er uns durch den zeitlichen Tod von dieser Welt absondert und zum ewigen Leben einbringt. Mittlerweile müssen wir als die Quasimodogeniti, als die jüngst geborenen Kinder Gottes, immer Gottes Wort hören, immer unsere Sünde beweinen, immer um Vergebung bitten, auch stets uns im Glauben üben, wider die Sünde streiten, beten, und in neuem Gehorsam wandeln.

Das Ende aber dieses ganzen Heilwerkes ist der zeitliche Tod, dadurch Gott seine Kinder von allem Jammer, Not und Widerwärtigkeit väterlich entbindet, daß die Seele aufhöret zu sündigen, wird engelrein und kommt aus der baufälligen Herberge ihres Leibes in das Vaterland des ewigen Lebens. Der Leib aber ruhet unter der Erde bis zum jüngsten Tage. Alsdann soll er ohne alle Gebrechen und Mängel in vollkommener Klarheit, Kraft und Herrlichkeit wieder aufstehen und, mit der Seele vereinigt, dem Sohne Gottes entgegen ziehen in den Wolken des Himmels und ewig bei ihm sein.

Nach solchem Ende hat den heiligen Paulus herzlich verlanget.

Quelle: Philipp Nicolai, Freudenspiegel des ewigen Lebens. 14