Das Landexamen

„…aus der Geschichte der höheren Bildung in Württemberg …“

Hier herrschten bis zum Ende des 18. Jahrhunderts im Grunde noch die Verhältnisse, die Herzog Christoph im Zuge der Durchführung der Reformation 1559 mit seiner „Großen Kirchenordnung“ geschaffen hatte. Über ungefähr 50 im Lande verteilten städtischen Lateinschulen erhoben sich 13 Klosterschulen sowie die Pädagogien in Tübingen und Stuttgart (hier als Vorgänger des Gymnasiums). Die Klosterschulen bereiteten ihre Absolventen auf das Studium der Theologie in Tübingen vor, die Pädagogien sollten auch den Weg in die anderen Fakultäten öffnen.

Dieses System zielte als Teil einer Kirchenordnung mit dem Konsistorium an der Spitze seinem Ursprung nach darauf ab, die Reformation dauerhaft zu verankern und dafür Begabungsreserven aus dem ganzen Lande und aus allen Ständen zu erschließen.
Tatsächlich aber wurde die gelehrte Bildung zu einer Angelegenheit der „Ehrbarkeit“, jenes Kreises städtischer Familien, die höhere Beamte und Geistliche hervorbrachten. Die entscheidende Hürde stellte auf diesem Bildungsweg das Landexamen dar, die berüchtigte Konkursprüfung, die den Zugang zu den Klosterschulen, später Seminarien (z.B. Maulbronn) regulierte. Wie sehr das Landexamen bzw. die Zulassung zu ihm zu einem sozialen Filter geworden war, zeigt folgende Bemerkung in einem Reskript von 1811:

„… so wie die Söhne der Handwerker und Bauern überhaupt nicht studiren sollen, so kann bei denselben auch die Aufnahme in die zur Bildung evangelischer Geistlicher bestimmten Seminarien nicht stattfinden“.

Die gelehrte Bildung durch alte Sprachen, die im 16. Jahrhundert ihren reformatorischen Sinn gehabt hatte, diente nunmehr der Abschließung einer kirchlichen und nach Ausweitung der Staatstätigkeit auch bürokratischen Elite, die hohes Interesse daran hatte, den alt- und später neuhumanistischen Bildungsgang rein zu erhalten. Die Tendenz kann mühelos noch durch das ganze 19. Jahrhundert verfolgt werden:

Bei der Debatte 1881 in der Abgeordnetenkammer des Landtags über die Finanzierung eines zweiten Gymnasiums in Stuttgart – 1885 öffnete es als Karlsgymnasium – wurde z.B. dessen Notwendigkeit nicht mit dem beachtlichen Wachstum Stuttgarts begründet, sondern mit der „Zentralisierung der Verwaltung“ in der Residenz, die zu erhöhter „Frequenz“ des Gymnasiums geführt habe, und daher sei „der Staat für die Ausbildung der Söhne dieser Beamten zu sorgen“ verpflichtet.

Quelle: Die Geschichte des Friedrich-Eugen-Gymnasiums (Stuttgart), von Dr. Abelein,
im Internet unter:
https://www.zum.de/Faecher/D/BW/gym/hesse/u_material.htm
http://www.feg.s.bw.schule.de/VonDrWAbelein.htm (365 kb)

Weblinks und Verweise

Evangelische Seminare Maulbronn und Blaubeuren

Eingestellt am 28. Mai 2023