Smyrna.

Offenbarung 2, 8-11:

Und dem Engel der Gemeinde zu Smyrna schreibe: das sagt der Erste und der Letzte, der tot war und ist lebendig geworden: Ich weiß deine Werke und deine Trübsal und deine Armut (du bist aber reich) und die Lästerung von denen, die da sagen, sie seien Juden, und sind’s nicht, sondern sind des Satans Schule. Fürchte dich vor der keinem, das du leiden wirst! Siehe, der Teufel wird etliche von euch ins Gefängnis werfen, auf daß ihr versucht werdet, und werdet Trübsal haben zehn Tage. Sei getrost bis an den Tod, so will ich dir die Krone des Lebens geben. Wer Ohren hat, der höre, was der Geist den Gemeinden sagt: Wer überwindet, dem soll kein Leid geschehen von dem andern Tode.

Wir haben gehört, wie der Herr Jesus schmerzerfüllt klagte, daß die Seinigen „die erste Liebe verlassen“ hätten (Kap. 2, Vers 4). Dieser ernste Rückgang im göttlichen Leben und in der innigen Verbindung mit dem Herrn öffnete dem Verfall und Verderben Tür und Tor in der ganzen bekennenden Kirche. So ist es in der Gesamtheit wie im Einzelnen noch heute. Wenn das Herz, welches sich zum Herrn und Heiland bekehrt hat, nicht in inniger Gemeinschaft mit seinem Erlöser verbleibt, seine wunderbare Liebe nicht treu erwidert, so geht der Weg des Bekehrten niederwärts und zur Welt zurück. Aber der Herr in seiner Treue tritt dem Untreuen oftmals durch Züchtigungen und Leiden in den Weg und hält ihn auf. So kam der Herr seiner Gemeinde gleich zu Anfang zu Hilfe, als sie, die einst so innig zu ihm stand, die erste Liebe verlassen hatte. Er erlaubte dem Teufel, die Kirche zu sichten, um sie durch bittere Verfolgungen von der gleißnerischen Welt, der sie sich wieder genähert hatte, weg zu wenden. Satan durfte die Geliebten des Herrn „ins Gefängnis werfen“. – Wir wissen, daß die apostolische Gemeinde, wie man die Kirche bis zum Jahre 100 nach Christi nennen kann, allmählich zu einer Märtyrerkirche wurde bis zur Regierung des Kaisers Konstantin (325 n. Chr.). Es war dies die Zeit der Christenverfolgungen. –

Auf diese zweite Periode der christlichen Kirche, die Zeit der bitteren und blutigen Christenverfolgungen, weist auch schon der Name hin, welchen die Versammlung trägt, an die das zweite Sendschreiben gerichtet ist.  S m y r n a  ist nämlich nur eine andere Form für Myrrhe, welches „Bitterkeit“ bedeutet. Myrrhe ist das in Palästina und Arabien wohlbekannte wohlriechende Harz, aus welchem das Salböl der Priester bereitet wurde, wie auch der Balsam, mit welchem man die Toten vor Verwesung schützte, das ferner auch als duftendes Rauchwerk verbrannt wurde.

War aber die Versammlung oder Gemeinde Christi im zweiten und dritten Jahrhundert nicht gerade mit der Flut bitterer Leiden übergossen bis zum Tode? Es war die Zeit, da die Geliebten des Herrn in den Katakomben und Gräbern sich sammeln mußten und in den Wüsten und Höhlen lebten, die Zeit der Verfolgungen und des Märtyrertodes, da Tausende für den Herrn ihr Leben opferten. Aber der Herr Jesus ruft den geliebten Seinen zum Trost zu: „Ich bin der erste und der letzte, ich war tot und bin lebendig geworden!“ – Auch er hatte Gott mit seinem Tode gepriesen, wie sie es jetzt tun mußten, aber er lebte nun; Und er hatte dem Tode den Stachel genommen und den Sieg. Satan konnte wohl die Gläubigen verfolgen und ins Gefängnis werfen und zum Tode führen, aber weiter reichte seine Macht nicht. Was darüber hinaus lag, war nicht mehr in Satans Bereich und Macht. Darum tröstet der Herr die Seinigen und ruft ihnen zu:

„Ich kenne deine Trübsal und deine Armut, du bist aber reich … Fürchte nichts von dem, was du leiden wirst … Sei getreu bis zum Tode, und ich will dir die Krone des Lebens geben … Wer überwindet, wird nicht beschädigt werden (keinerlei Leid erfahren) vom zweiten Tode.“

Der zweite oder andere Tod ist die ewige Trennung der Seele von Gott, wie der erste Tod die Trennung der Seele vom Leibe ist. Wenn Gott sagt: „Der Lohn (der Sold) der Sünde ist der Tod“, so ist unter dem Tod hier der erste und der zweite Tod zu verstehen.

Aber der Sieger über den Tod ruft den Seinigen zu: „Ich bin der erste und der letzte, der tot war und lebte“. Wie düster auch alles für sie aussah, so konnte doch eher der Sieger über den Tod ihre Sache herrlich hinausführen. Er ist „der erste und der letzte“ auf dem Plan. Und sollten sie den Tod finden, so teilten sie nur sein Los, der selbst gestorben war, aber nun lebte. Er konnte sie verherrlicht auferwecken und ihnen die verheißene Krone des Lebens geben; es ist dies die Krone, welche der Herr für treue Bewährung in Trübsal und Prüfungen verleiht. So lesen wir anderswo: „Glückselig der Mann, der die Versuchung erduldet, denn nachdem er bewährt ist, wird er die Krone des Lebens empfangen“ (Jakobus 1, 12). Welche Ermunterung zum Ausharren und zu treuer Arbeit liegt in dem Hinweis auf die Auferstehung des Erlösers und auf unsere eigene Auferstehung, um bei ihm zu sein allezeit! So ermahnt auch der Apostel Paulus, nachdem er triumphierend ausgerufen hat: „Verschlungen ist der Tod in Sieg, wo ist, o Tod, dein Stachel? Wo ist, o Tod, dein Sieg?“ uns also: „Daher, meine geliebten Brüder, seid fest, unbeweglich, allezeit überströmend im Werke des Herrn, da ihr wisset, daß eure Mühe nicht vergeblich ist im Herrn“ (1. Kor. 15, 54-58).

Wie tröstlich sind ferner die Worte des Herrn, des mitleidvollen Hohenpriesters, an die verfolgten Gläubigen in Smyrna: „Ich kenne deine Trübsal und deine Armut, du bist aber reich“. Mit Recht können wir singen:

„Huldreich blickst du auf uns nieder,
Dort aus deiner Herrlichkeit;
Sende Trost in’s bange Herz
Bei Verfolgung, Kampf und Schmerz;
Jeden Schlag,
Spott und Schmach,
Fühlst du als dein eig’nes Leid.“

(Emil Dönges)

Quelle: „Was bald geschehen muß“: Betrachtung über die Offenbarung. Erschienen bei: Verlag Geschw. Dönges, Dillenburg (2. Auflage, 1921); CV Dillenburg (1987) [Download im pdf-Format bei Martin Arhelger möglich]


Eingestellt am 11. Oktober 2023