Seid fröhlich in Hoffnung, geduldig in Trübsal, haltet an am Gebet.
(Römer 12, 12)
Seid fröhlich in Hoffnung!
Mit der Hoffnung meint der Apostel Paulus das Warten der Gläubigen auf die zukünftige Herrlichkeit. Der Glaube umfaßt die gegenwärtige Gnade Gottes, die Hoffnung aber blickt empor zu „der Herrlichkeit, die Gott geben wird“. Nun sagt der Apostel, daß wir in dieser Hoffnung fröhlich sein sollen – als nicht über etwas Geringes oder Vergängliches, sondern er hält uns die Hoffnung auf die ewige Seligkeit zum Freudengegenstand vor. Wenn wir recht bedächten, zu welcher Hoffnung wir berufen sind, und wenn wir recht lebendig der Verheißung Gottes glaubten, dann würden wir gewiß voller Freude sein – und zwar nicht allein in den Tagen unseres Wohlergehens, sondern auch in unserer traurigsten Erfahrung hier auf Erden. Und diese Freude, das Fröhlichsein in der Hoffnung, ist von weit größerem Segen, als wir gewöhnlich denken, sie gibt unserem ganzen Christentum eine neue Kraft.
Laßt uns deshalb dieses Thema etwas näher betrachten!
Was den Gegenstand der Hoffnung oder die herrlichen Dinge betrifft, die wir von Gott erwarten, so werden wir dieselben hier nie recht zu fassen vermögen. „Was kein Auge gesehen und kein Ohr gehört hat, das hat Gott bereitet denen, die Ihn lieben“ (1. Korinther 2, 9). Aber schon das, was wir in den Verheißungen Gottes sehen und daraus ahnen, ist so groß und so herrlich, daß kein Mensch es ganz auszusprechen vermag. Wer vermag zu sagen, wieviel das enthält, daß wir Gottes Erben und Christi Miterben sein werden? Und wer sind die, die solcher Ehre und Seligkeit voll werden sollen? Ausdrücklich alle, die hier Gottes Kinder sind; denn die Worte lauten so: „Sind wir denn Kinder, so sind wir auch Erben, nämlich Gottes Erben und Miterben Christi, so wir anders mit leiden, auf daß wir auch mit zur Herrlichkeit erhoben werden“ (Römer 8, 17).
Das gilt jedem, den der Herr Jesus von der Welt erwählt hat und der durch das Wort und den Geist Gottes aus dem Sündenschlaf erweckt wurde und seine Seligkeit nur in Christus gefunden hat; jedem, der noch immer mit allen seinen Gebrechen Ihm anhängt und Ihn und Seine Gnade und Freundschaft, ja, Sein Fleisch und Sein Blut, d. h., Seine Versöhnung nicht entbehren kann, sondern darin seine Seelenspeise und sein Lebensbedürfnis hat. Der Herr Christus spricht: „Wer Mein Fleisch ißt und trinkt Mein Blut, der hat das ewige Leben, und Ich werde ihn am Jüngsten Tag auferwecken“ (Johannes 6, 54). – Glaubst du das?
Bedenke! Der Herr Jesus sagt von solchen Menschen, die in Seiner Versöhnung ihren Trost haben, daß sie die Seligkeit des ewigen Lebens haben werden. Und das sagt Er ganz entschieden und wiederholt es zu verschiedenen Malen. Wer vermag dann zu sagen, wie glücklich ein solcher Mensch ist? Und wer vermöchte auszusprechen, wieviel jene Worte Christi enthalten: „Dann werden die Gerechten leuchten wie die Sonne in ihres Vaters Reich“ (Matthäus 13, 43)? Wer vermöchte auszusprechen, wieviel das enthält, was Johannes sagt: „Dann werden wir Ihm gleich sein; denn wir werden Ihn sehen, wie Er ist“ (1. Johannes 3, 2)? Schon David hatte diese Hoffnung, als er sagte: „Ich will schauen Dein Antlitz in Gerechtigkeit; ich will satt werden, wenn ich erwache, an Deinem Bilde“ (Psalm 17, 15). Der Herr Christus hat ausdrücklich erklärt: „Vater, Ich will, daß, wo Ich bin, auch die bei Mir seien, die Du Mir gegeben hast, daß sie Meine Herrlichkeit sehen, die Du Mir gegeben hast“ (Johannes 17, 24). Was aber kann gewisser sein als das, was Er selbst sagt? Unsere Seligkeitshoffnung hat also einen ganz untrüglichen Grund, weshalb sie auch „ein sicherer und fester Anker unserer Seele“ (Hebräer 6, 19) genannt wird.
Da wir nun eine so herrliche und so fest begründete Hoffnung auf die ewigen Freuden haben, so müßten wir allen irdischen Sorgen den Abschied geben und sprechen: Hinweg Trübsal! Hinweg Angst und Unruhe! Ich habe ein ewiges Glück, ich gehe einer ewigen Freude entgegen, so wahr die Seligkeitshoffnung nicht auf unsere Würdigkeit oder auf unsere Gedanken gegründet ist, sondern auf Gottes eigenen Taten und Seinem ewigen Ratschluß beruht. Es ist der Bekenner Christi unwürdig und auch ein großer Schade für unser Christentum, wenn wir unsere Seligkeitshoffnung vergessen und uns nicht darüber freuen, sondern nur schweren Schrittes und seufzend den Freuden des Himmels entgegengehen. Würden wir uns mit größerem Ernst und Eifer unserer Seligkeitshoffnung befleißigen, dann würde dadurch unser Christentum gestärkt werden. Wir würden viel eifriger nach dem rechten Weg zum Leben trachten, und alles Irdische würde uns gleichgültiger sein. Diese Seligkeitshoffnung würde unsere Geduld und Ausdauer in den Kämpfen für die Krone beleben. Darum wird die Hoffnung zur Seligkeit auch ein Helm genannt (1. Thessalonicher 5, 8, Epheser 6, 17).
Der Helm ist ein wichtiger Teil der Waffenrüstung; er bewirkt, daß wir mit größerem Mut im Kampfe vorwärtslaufen. Und indem der Apostel diese Hoffnung „einen sicheren und festen Anker unserer Seele“ nennt, hat er damit ausdrücklich gesagt, daß die Hoffnung auf die Seligkeit uns unter allen Stürmen der Versuchung und Anfechtung bei dem Herrn erhalten wird, so daß wir von dem wilden Weltstrudel nicht gänzlich verschlungen werden. Eine lebendige und feste Hoffnung wird in den Zeiten des Leidens und der Not uns zu den ewigen, himmlischen Erquickungen führen und uns in den Tagen des irdischen Glücks und der zeitlichen Freude nüchtern und verständig erhalten, so daß wir mit dem Apostel sagen können: „Ich habe Lust abzuscheiden und bei Christus zu sein, was auch viel besser wäre“ (Philipper 1, 23). Ach, möchte Gott uns unseren Unglauben vergeben, daß wir so wenig in der Hoffnung fröhlich sind! Und möchte Er uns hierin zur Besserung verhelfen!
O Gott, ist hier ein Tröpflein schon so süße;
Wenn ich in Deiner Liebe Kraft zerfließe,
Was wird das ganze Meer
In jenem Leben
Für Wonne geben!
Seid geduldig in Trübsal!
Trübsal ist eine Frucht der Seligkeitshoffnung. Hoffnung auf die ewigen Freuden soll uns in allen Trübsalen der Zeit geduldig machen. Diese Trübsal ist bald vorbei; sie währt nicht ewig. Freue dich vielmehr, daß Christus dich vor der ewigen Trübsal errettet hat und du der ewigen Freude entgegengehst. Wenn du ein Christ bist, mußt du dies tief bedenken.
Zudem ist hier aber eine Ermahnung: „Seid geduldig in der Trübsal“, im Mißgeschick, im Leiden – und eine apostolische Ermahnung, die uns auf unsere Pflicht gegen den Herrn hinweist. Wir sollen um des Herrn willen geduldig in Trübsalen sein – und dies um so mehr, weil unser himmlischer Vater derjenige ist, der uns jedes Leiden sendet. Glaubst du das, so wird diese Tatsache deine Ungeduld kräftig stillen, wenn du unter denen bist, die Gott liebhaben. Glaubst du den eigenen Worten des Herrn Christus: „Auch sind die Haare auf eurem Haupte alle gezählt“? Und wiederum spricht Er: „Ein Haar von eurem Haupte soll nicht umkommen ohne den Willen Meines Vaters“. Glaubst du, daß auch alle Leiden, die der Teufel und andere Menschen dir zufügen, dir aufs genaueste von Gott zugemessen sind? Das lehrt die Schrift ausdrücklich.
Bedenke, mit welcher Genauigkeit der Herr festsetzte, wie weit der Satan mit seinen Plagen bei Hiob gehen durfte. Und als dann die Araber die Knaben Hiobs erschlagen, die Chaldäer seine Kamele genommen hatten und der Sturm das Haus über seine Söhne zusammengestürzt hatte, da sah Hiob in allem nur den Herrn. Er sagte:
„Der Herr hat es gegeben, der Herr hat es genommen, der Name des Herrn sei gelobt“.
Als der Bösewicht Simei David fluchte, weil er vor seinem Sohn Absalom floh, da sprach der betrübte König zu seinem treuen Abisai: „Laß ihn fluchen, denn der Herr hat es ihn geheißen: Fluche David! Wer kann nun sagen: Warum tust du also?“
Auch Jeremia spricht: „Wer darf sagen, daß solches geschehe ohne des Herrn Befehl?“
Und Gott spricht so: „Ich bin der Herr und sonst keiner mehr; der Ich das Licht mache und schaffe die Finsternis; der Ich Frieden gebe und schaffe das Übel. Ich bin der Herr, der solches alles tut“.
Über wen sollen wir dann ungeduldig klagen und murren? Wer bist du, daß du mit Gott rechten willst? „Hast du Ihm etwas zuvor gegeben, daß Er es dir vergelte?“ – Ist der Herr zu hart gegen dich? Was ist denn dein Verdienst, deine Forderung? Wenn der Herr mit uns rechten wollte, dann könnten wir Ihm „auf tausend nicht eins antworten“. Wenn der Herr nach unseren Sünden mit uns handeln und uns nach unseren Missetaten vergelten wollte, dann müßten wir in der Hölle und in der Qual sein und würden keinen Tropfen Wassers haben. Man muß auch so sagen und denken: „Unzählige Menschen leiden viel mehr, als ich leide, warum sollte mein Leiden geringer sein, da ich teils den Zorn Gottes verdient habe, teils auch noch als Glaubender auf eine ewige Freude hoffe?“
O Gott, vergib uns alle Ungeduld!
Gott, vergib uns und hilf uns hinfort,
„geduldig in der Trübsal zu sein!“
Außer aber, daß wir nicht darüber zu klagen hätten, wenn der Herr mit uns nach unseren Sünden handelte, kommt noch hinzu, daß Er nie so mit uns handelt, weil wir nun durch den Glauben an den Sohn in Seiner Gnade stehen. Alle unsere Leiden werden uns nur aus Seiner höchsten Treue und Liebe zugesandt. Einst wird der Tag kommen, wo wir in dem ewigen Lichte das Geheimnis der wundersamen Führungen Gottes mit uns sehen werden. Dann werden wir sehen, wie unser Trübsalsbecher nicht einen einzigen Tropfen mehr enthielt, als zu unserem wahren und ewigen Wohl notwendig war. Dann werden wir sehen, daß uns unsere schmerzlichsten Erfahrungen zu unserer höheren Erziehung oder zur Vermehrung unserer ewigen Freude und Herrlichkeit und aus anderen weisen Absichten Gottes gesandt wurden. Ja, wer wagt zu versichern:
„Herr, Ich werde schon den Himmel einnehmen, auch wenn Du nicht soviel Bitteres über mich kommen läßt; ich töte mein Fleisch auch ohne dieses Bittere“?
Wenn wir unsere große Trägheit, Untreue und Verweichlichung des Fleisches fühlen, dann beten wir oft, daß der Herr es in uns töten möge. Aber wie könnte Er solches tun, ohne uns Leiden zu senden? Wir beten oft, daß Er die Weise anwenden möge, die Er für die beste hält, nur, daß Er Sein Werk in uns vollführe, unser Herz gewinne, unseren Glauben, unser Gebet, unseren Ernst mehre und unser ganzes Wesen heilige. Aber wenn der Herr solches Gebet erhören will, dann muß Er viele bittere Mittel dazu anwenden, und dann klagen und jammern wir, als ob dies jetzt etwas Schlimmes sei, und bedenken nicht, daß wir selbst Ihn darum gebeten haben. Kurz, wenn einmal unsere Augen geöffnet werden, um zu sehen, wie Gott durch unsere Leiden die Ehre Seines Namens und unser Wohl fördert, wie Er durch das Kreuz unserem willigen, aber schwachen Geist zu Hilfe kommt gegen das Fleisch, ja, wenn wir einmal die Wahrheit der Worte recht erfahren haben, daß „der Gerechte kaum erhalten wird“ (1. Petrus 4, 18), dann werden wir nicht nur gern geduldig in der Trübsal sein, sondern auch dankbar für dieselbe sein und mit Hiskia sagen:
„Ich werde danken alle meine Lebenstage für solche Betrübnis meiner Seele.“ (Jesaja 38, 15, wiedergegeben nach der schwedischen Bibelübersetzung.)
Möcht‘ ich niemals doch vergessen,
Wenn mich Leid und Sorgen pressen,
Daß ein Vaterauge wacht!
Selbst die Haare auf dem Haupte
Zählet Er. O, daß ich’s glaubte!
Auch aufs Kleinste gibt Er acht.
Warum sollt‘ Ich mich dann ängsten?
Sind nicht auch die allerbängsten
Nächte von Ihm vorgesehn?
Vor’m Beginn kennt Er das Ende,
Und es führen Seine Hände
Alles, wie es soll gescheh’n.
Autor der Versbetrachtungen: Carl Olof Rosenius (1816-1868)