Den Pfad, den du so oft gezogen (Zeller #42)

Den Pfad, den du so oft gezogen,
Den ich mit dir gewandelt bin,
Schon decken ihn des Kornes Wogen,
Und Blumen nicken drüber hin;
Nur an der dichtern Lebensfülle
Erkenn‘ ich noch die liebe Spur,
Sonst birgt sie in der weiten Hülle
Die unermeßlich reiche Flur!

So wie der Pfad verlor dein Leben
Sich in dem reichsten Segensmeer,
Und meine frohen Blicke schweben
Gleich Sonnenstrahlen drüber her:
Wie hat der Herr dein Seyn gesegnet
Und deiner treuen Hände Saat!
Auf jedem Schritt und Tritt begegnet
Mir deine stille Liebesthat.

Umflossen von des Höchsten Güte,
Umfangen wie vom Mutterarm,
Wie fühl‘ ich ferner im Gemüthe
Verlassen mich, verwaist und arm!
Kein Klagen rührt sich, kein Begehren;
Erfüllung strömet um mich her;
Ein licht= und gnadenvoll Gewähren,
Als ob ich mit vollendet wär!

Sollt ich auch hoffen und nicht schauen?
Das Schauen ist des Hoffens Kern,
Wenn auch dem hoffendsten Vertrauen
Der volle Aufgang ist noch fern.
Du bist bei Ihm, in seiner Nähe
Fühl ich die deine wunderbar;
Ich bin gehalten und ich sehe
Doch in der Liebe Tiefen klar.

Liedtext: Albert Zeller (1804-1877)

Quelle: Albert Zeller, Lieder des Leids, S. 80f. (Druck und Verlag von Georg Reimer, Berlin 1865) [Digitalisat]

Eingestellt am 16. März 2023