1. Johannes 2, 20 (Eichhorn)

Ihr habt die Salbung von dem, der da heilig ist, und wisset alles. (1. Joh. 2, 20)

Wir lesen statt „alles“ richtiger: „alle“. Christen, welche die Salbung des Heiligen Geistes haben, besitzen alle ein Wissen: Sie sind im Besitz der Wahrheit und haben etwas Gewisses. „Sie werden alle von Gott gelehrt sein“. Dies Wort erfüllt sich bei denen, die in die Schule des Heiligen Geistes gehen. Denn „er wird es euch alles lehren und euch in alle Wahrheit leiten“, so verheißt der Herr Jesus. Es braucht keiner den andern, noch jemand seinen Bruder zu lehren: Erkenne den Herrn!; denn sie sollen mich alle kennen, von dem Kleinsten bis zu dem Größten (Hebr. 8, 11). –

Es ist ein großer Unterschied, ob Menschen uns etwas beibringen oder ob der Heilige Geist uns eine Wahrheit ins Herz prägt. Was Menschen uns zuführen, können auch Menschen wieder fortnehmen. Wer von göttlichen Dingen nur durch menschliche Belehrung weiß, der hat noch nichts Klares, Festes und Gewisses. Es kann ihm leicht durch die Lehren des Unglaubens erschüttert, in Zweifel gestellt oder ganz entrissen werden. Der Heilige Geist schafft eine frohe Gewißheit, die nicht mit peinlicher Ungewißheit wechselt. Was wir durch seine Erleuchtung erkennen, das besitzen wir wahrhaftig. Es wird unser innerstes Eigentum, sozusagen ein Stück von uns selbst. Es vermischt sich mit unserem Innern. Es wird zu tiefer und bleibender Überzeugung, die wir uns von niemand umstoßen lassen. Das äußere Wort Gottes, das an unser Ohr dringt, wird durch den Heiligen Geist zum inneren Wort. Es wird „in uns gepflanzt“, wie der Apostel Jakobus sagt. Es verwächst mit unserm Herzen. Das Wort Gottes oder die Wahrheit ist dann in uns (1. Joh. 1, 8.10). Es bleibt nicht auf der Oberfläche liegen wie der Same auf dem harten Wegboden, es ist eingedrungen. Man hat es und vergißt es nicht wieder. –

„Sie lernen immerdar und kommen nie zur Erkenntnis der Wahrheit“ (2. Tim. 8, 7): traurige Klasse von Christen! Sie wollen Lehrer der Schrift sein und verstehen selbst nicht, was sie sagen, und worüber sie sich so zuversichtlich äußern (1. Tim. 1, 7). Gehören wir auch zu diesen Hörern, die beständig unter den Schall des Wortes kommen und doch leer bleiben, weil der Einblick in die Geheimnisse Gottes oder die innere Anschauung der Wahrheit fehlt?

Es ist nur eine Summe von Wissen im Gedächtnis aufgestapelt. Es ist alles nur mit dem Verstand erfaßt, und dabei ist man eingebildet, aufgeblasen, will andere lehren und ist ein blinder Blindenleiter. – Erleuchtete Kinder Gottes sind dankbar für jede Belehrung. Aber was durch menschliche Werkzeuge ihnen nahegebracht wird, das muß durch den Heiligen Geist an ihrem Innern sich beglaubigen, ob es von Gott ist. Was Irrtum ist, das prallt ab, es sei denn, daß kein reines Geistesleben bei ihnen vorhanden ist. Dann fallen sie auf Irrlehren herein, die dem Hochmut oder auch der Trägheit des alten Menschen schmeicheln. Wer in lauterem Sinn steht, den führt der Geist Gottes von Klarheit zu Klarheit.

(Dr. Carl Eichhorn: Das Werk Gottes an der Seele)


Bildnachweis:
Portrait Dr. Carl Eichhorn: Photograph unbek., in: 100 Jahre Kirche Haag (1923-2023) – Festabend am 13.5.2023 in Haag [pdf-Format]
Eingestellt am 22. Mai 2024