O Liebe, die den Himmel hat zerrissen (Richter, Christliches Hausbüchlein #4)

Von der Menschwerdung des Sohnes Gottes.

Weise: »Wie herrlich ist’s, ein Schäflein Christi werden«

1) O Liebe, die den Himmel hat zerrissen,
Die sich zu mir ins Elend niederließ,
Was für ein Trieb hat dich bewegen müssen,
Der dich zu mir ins Jammertal verwies?
Die Liebe hat es selbst getan,
Sie schaut als Mutter mich in meinem Jammer an.

2) Die Liebe ist so groß in deinem Herzen,
Daß du für mich das größte Wunder tust:
Die Liebe macht dir meinetwegen Schmerzen,
Daß mir zu gut du unter Dornen ruhst;
O unerhörter Liebesgrad,
Der selbst des Vaters Wort ins Fleisch gesenket hat.

3) Die Liebe ist mein Anverwandter worden,
Mein Bruder ist selbst die Barmherzigkeit,
Der Gottheit Quell lebt nun in meinem Orden,
Die Ewigkeit vermählt sich mit der Zeit.
Das Leben selbst ist Mensch geborn,
Der Glanz der Herrlicheit, das Licht das wir verlorn.

4) In ihm wird nun die Menschheit ausgesöhnet,
Die Reinigkeit der Seele wiederbracht,
Sie wird als Braut der Gottheit nun gekrönet,
Da sie der Himmel selbst so angelacht;
Die Menschheit wird nun ganz erneut,
Und als ein reiner Thron der Gottheit eingeweiht.

5) Die Weisheit spielt nun wieder auf der Erden,
Dadurch das Paradies im Menschen grünt;
Nun können wir aus Gott geboren werden,
Weil die Geburt des Herren dazu dient;
Die wohlgeborne Seele spürt,
Daß sie ein andrer Geist aus ihrem Ursprung rührt.

6) Kein Elend kann nun unsern Herzen schaden;
Immanuel ist bei uns in der Not,
Ich gehe nur zu ihm, den Quell der Gnaden,
So dient mir selbst das Elend und der Tod:
Der Jammer hängt mir nur noch an,
Der mir in Christo doch nicht schädlich werden kann.

7) Die Sünde kann mich auch nicht mehr verdammen,
Dieweil sie selbst durch ihn verdammet ist.
Was schaden nun der Seelen ihre Flammen,
Weil Christi Blut und Wasser in sie fließt?
Immanuel löscht ihren Trieb;
Er läßt die Seele nicht, er hat sie viel zu lieb.

8) Ich habe nun ein ewig Leben funden,
Viel Reichtum, Ehr und Wonne schenkt er mir;
Ich bin mit ihm, er ist mit mir verbunden,
Den ich in mir mit Liebeswirkung spür;
Ich bin vergnügt und ganz gestillt,
Weil mich der lautre Strom aus seiner Lieb‘ erfüllt.

9) Auf! auf, mein Geist, vergiß die Trauerlieder,
Erfreue dich in dieser Liebesmacht!
Des Himmels Kraft und Glanz bestrahlt dich wieder,
Und der Verlust ist völlig wiederbracht.
O ewig, ewig wohl ist mir,
Daß ich in Christo nun ein Wohlgefallen spür.

Liedtext: Christian Friedrich Richter (1676-1711)
Melodie: Christian David Friedrich Palmer (1811-1875)

Quelle:

Lied Nr. 4, in: Christliches Hausbüchlein. Von Pfarrer Gottlob Baumann in Kemnat. Eine Sammlung meist alter, bewährter Gebete und Lieder, besonders über die Heilsordnung, 15. Auflage, Seite 64f. Verlag der Evangelischen Gesellschaft, Färberstraße 2,  Stuttgart 1910.

Weblinks und Verweise

Liedeintrag bei Hymnary.org

Liedeintrag im Alojado Lieder Archiv

Lied Nr. 45, in: Erbauliche Lieder-Sammlung zum gottesdienstlichen Gebrauch in den Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Gemeinen in Pennsylvanien und den benachbarten Staaten (Die Achte, vermehrte und mit einem Melodienregister versehene Auflage). Gesammlet, eingerichtet und zum Druck befördert durch das hiesige Deutsche Evangelisch-Lutherische Ministerium. Herausgegeben von D. Heinrich Melchior Mühlenberg. Germantaun: Gedruckt bei M. Billmeyer, 1826. [Digitalisat]

Notensatz 1, 4stimmig (im pdf-Format, Palmer, »Wie herrlich ist’s, ein Schäflein Christi werden«, externer Link zu liederindex.de)

Notensatz 2, 4stimmig (im pdf-Format, Komponist unbekannt, »Wie herrlich ist’s, ein Schäflein Christi werden«, externer Link zu liederindex.de)

Audiofile 1 (Palmer) und Audiofile 2 (Komp. unbekannt), jeweils im mp3-Format, externe Links zu liederindex.de)

Notensatz, 4stimmig (JPEG-Grafik, externer Link zu Hymnary.org)


Eingestellt am 1. Oktober 2024 – Letzte Überarbeitung am 3. November 2024