Und wir sehen, daß sie nicht haben können hineinkommen um des Unglaubens willen. (Hebräer 3, 19)
Nachdem der Apostel im ersten und zweiten Kapitel die Erhabenheit Christi über die Engel, durch die das Gesetz gegeben worden, nachgewiesen hat, geht er nun in der Darstellung der Erhabenheit des Neuen Bundes über den Alten weiter und zeigt V. 1-6, wie hoch Christus auch über dem irdischen Mittler des Alten Bundes, Moses, stehe. Der höchste Diener sei Moses gewesen im ganzen Hause Gottes; aber dennoch nur ein Knecht des Hauses und ein Teil desselben und daher dem nicht zu vergleichen, der selbst das Haus unmittelbar im Namen Gottes als sein Haus, des Sohnes Haus, bereitet hat.
An diese Lehrdarstellung schließt sich dann gleich eine Warnung vor dem Unglauben an, durch welchen Israel den Eingang in Gottes Ruhe verscherzt hat, und die Ermahnung an uns, die irdische Gnadenzeit zu benutzen, so lange sie noch da ist, so lange es noch heute heißt. Dies Heute ist keine Ewigkeit, sondern eine eingeschränkte und für einen jeden Menschen abgemessene Zeit, in der er Gottes Stimme oder Gottes Wort hören kann, und wo es darauf ankommt, daß er glaube, was Gott geredet hat, und durch den Glauben den Ruhm der Hoffnung der ewigen Ruhe erlange, und diesen Ruhm bis ans Ende fest behalte, und alsdann in die ewige Ruhe Gottes eingehe.
Wehe, wer nicht hört und die Seligkeit verscherzt! Um diesem Jammer zu entgehen, sollen die Christen einander selbst alle Tage, so lange es heute heißt, ermahnen, folglich die Gefahr nicht für entfernt und den Abfall nicht für unmöglich halten. Auch wer steht, soll zusehen, daß er nicht falle. Die Sünde schleicht so leicht beim Menschen unter dem Schein des Rechts, der christlichen Freiheit, der Notwendigkeit ein, ja, entsteht nicht bloß aus ihrer scheinbaren Anmut, sondern auch bei dem Anblick ihrer Häßlichkeit kann der sichere Mensch fallen, weil er glaubt, sie könne ihn nicht blenden; von der bösen und guten Seite des Herzens ist daher täglich Gefahr zu fürchten.
Wohlan, laß mich Deine warnende Stimme hören, o Herr; bewahre mich vor Sicherheit und vor Betrug der Sünde, laß mich meine Seele stündlich in Händen tragen und des Glaubens und ewigen Lebens ja nicht verlustig gehen. Amen.
(Johann Friedrich Wilhelm Arndt)
Die Epistel an die Hebräer, die allen Umständen nach der Apostel Paulus geschrieben, ist gleich den übrigen Büchern der Heiligen Schrift sehr hoch und wert zu achten, weil sie uns die vornehmsten Stücke der jüdischen Zeremonien und Gottesdienste erklärt, die alle schöne Vorbilder auf Christum und die christliche Kirche gewesen sind.
In dem dritten Kapitel wiederholt St. Paulus die Vermahnungen, die er allbereits in den zwei vorhergehenden von Christo Jesu getan, nämlich wie Er als der ewige Sohn Gottes um unserer Seligkeit willen Sich so tief erniedriget habe, daß Er wahre menschliche Natur annahm, nur damit Er leiden und sterben – und ein Opfer für unsere Versöhnung bei Gott, Seinem Vater im Himmel werden könnte. Darum sollen wir Ihn und Sein heiliges Evangelium nicht verachten, sondern vielmehr, weil wir dadurch einen himmlischen Beruf zum ewigen Leben und zur ewigen Seligkeit erlangt haben, mit herzlichem Glauben annehmen und bekennen.
In solchem Glauben aber uns zu stärken, wird Christus von Paulus ein Apostel und Hohepriester genennet, die Gläubigen dagegen heilige Brüder. Einen Apostel nennt er Christum, weil Er ein Gesandter Gottes des himmlischen Vaters ist, dessen Willen und den Weg zur Seligkeit Er uns getreulich verkündigt. Wir sollen Ihm denn auch willige Folge leisten und an Ihn glauben, weil Er nicht von Ihm selber geredet, sondern in dem Namen des Vaters, der Ihn gesandt hat. Einen Hohenpriester aber nennt er Ihn, weil Er uns durch Sein heiliges Opfer bei Gott dem Vater in die Gnade gebracht und ausgesöhnt [hat].
Daher sollen wir nicht durch mutwillige Sünden Seinen Zorn über uns erregen, weil wir außer Ihm kein anderes Opfer für unsere Sünden haben. Heilige Brüder nennt er endlich die Gläubigen an Christum, weil sie durch Sein teuer wertes Blut – der anhangenden sündlichen Schwachheiten ungeachtet – vor Gott geheiligt sind, nur daß sie aber wohl zusehen, daß sie nicht mit unheiligem Leben und Wandel solche Ehre und Würde aufs neue beschmutzen – oder wohl gar verscherzen.
Denn der himmlische Beruf zur Erbschaft der ewigen Seligkeit soll uns von den irdischen, sündlichen Wollüsten ganz und gar zurückhalten, so daß wir „vergessen, was dahinten ist, und uns strecken zu dem, das da vorne ist, und nachjagen dem vorgesteckten Ziel, dem Kleinod, welches vorhält die himmlische Berufung Gottes in Christo Jesu.“
Um dieser Ursache willen sollen wir ja Christum und Seine Gnade zu unserm Heil nicht verachten, sondern vielmehr das Exempel des Volks Israel betrachten, welches Paulus aus dem 95. Psalm anführt, wie sehr dasselbe gestraft worden ist, da es dem Moses wider den göttlichen Befehl ungehorsam gewesen war, daß nämlich Gott sie niedergeschlagen in der Wüste, und daß der mehrste Theil desselben gestorben – und um der Sünde willen das Leben hat lassen müssen. Nun aber ist Moses nichts weiter gewesen, als nur ein Knecht oder Diener Gottes, der in dem Hause Gottes von Christo Jesu gezeugt [hat]. Daher ist leicht zu erachten, wie weit größere Strafe alle diejenigen treffen werde, die sich gar an Christo Jesu selber versündigen, der kein bloßer Knecht oder Diener ist, sondern gar der Herr selber in Seinem Haus – oder in Seiner Kirche.
Gleichwie aber Paulus gar bedenklich hinzusetzt: Wir sind das Haus Gottes, (worunter er die neubekehrten Hebräer und alle Frommen und Gläubigen versteht), so haben wir dabei mit dankbarem Herzen die hohe Ehre zu erkennen, die uns widerfährt, daß wir Gottes Haus, Wohnung und Tempel heißen, darinnen die heilige Dreifaltigkeit mit allen Gnaden wohnen will; wie der heilige Geist hin und wieder in heiliger göttlicher Schrift sehr herrlich bezeugt. Dessen können die Gläubigen sich herzlich trösten – und freudig trotzen wider alle ihre Feinde und Verfolger, sonderlich wider den Teufel und der Hölle Pforten, gegen welche Gott Sein Haus und Seinen Tempel wohl wird zu bewahren wissen, daß sie auch zu keiner Zeit und Stunde dieselbigen überwältigen sollen.
Lasset uns nur allesamt wohl zusehen, daß wir die nachdrückliche Warnung des heiligen Geistes nicht in den Wind schlagen – und uns vor der Verstockung und dem Unglauben unsers Herzens so viel als möglich bewahren, damit nicht Gott durch uns erbittert – und zum Zorn über uns gereizet werde, wie über das ungehorsame israelitische Volk. Denn dieses und andere dergleichen Exempel der heiligen Schrift sollen wir nicht lesen oder hören als bloße Historien und Dinge, die längst geschehen sind – und uns weiter nichts angehen, sondern sollen wissen, daß alles, was andern Gutes oder Böses widerfahren, uns zum Vorbild geschehen sei, daß wir also entweder Strafe zu gewarten haben, wenn wir dem Bösen folgen, oder Belohnung, wenn wir das Gute tun.
Gott, der uns berufen und zubereitet hat zu Jesu Christi Haus und Wohnung, der bewahre uns durch Seinen heiligen Geist, daß wir nimmermehr von Ihm, dem lebendigen Gott, abtreten – noch unsere Herzen verstocken, wider denselben zu murren – oder Ihn zu versuchen. Er verleihe, daß wir den guten Warnungen und Vermahnungen Seines Worts nachkommen, weil wir noch Zeit haben, damit wir nicht in Unglauben und Sünde verfallen, wodurch Leib und Seele verderbt werden, sondern daß wir unser Vertrauen und den Ruhm der Hoffnung bis an’s Ende fest behalten, einzugehen in das himmlische Land der Verheißung und in die ewige Ruhe.
Amen.
Quelle:
Querverweis
Heute, so ihr seine Stimme höret, so verstocket euer Herz nicht, wie zu Meriba geschah, wie zu Massa in der Wüste, da mich eure Väter versuchten, mich prüften und sahen mein Werk. Vierzig Jahre hatte ich Mühe mit diesem Volk und sprach: Es sind Leute, deren Herz immer den Irrweg will und die meine Wege nicht lernen wollen; daß ich schwur in meinem Zorn: Sie sollen nicht zu meiner Ruhe kommen. (Psalm 95, 7-11)
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