Offenbarung 8, 1+2

1 Und da es das siebente Siegel auftat, ward eine Stille in dem Himmel bei einer halben Stunde. (Habakuk 2.20)  (Sacharja 2.17) 
2Und ich sah die sieben Engel, die da stehen vor Gott, und ihnen wurden sieben Posaunen gegeben (Matthäus 24.31) (Offenbarung 8, 1+2).

Es beginnt also jetzt offensichtlich ein ganz neuer Abschnitt in der Weltgeschichte. Ja, es ist, als zögere auch die himmlische Welt, den Weg freizugeben, an dem die Menschheit in ihrem gottvergessenen Sturm und Drang und ihrem von Gott gelösten Herrschaftswillen über die Erde nun angekommen ist. Darum diese Stille im Himmel von einer halben Stunde. Wir wissen, wie in manchen Situationen, wenn wir etwa in spannender Erwartung auf etwas ja harren oder ein wichtiges Gespräch unterbrochen wurde, uns schon wenige Minuten unendlich lange werden können. Was für eine lange Pause ist es also, wenn dort, wo sonst alles in heiliger Bewegung ist, eine halbe Stunde feierliche Stille herrscht. Die ganze himmlische Welt hält gleichsam den Atem an angesichts dessen, was geschehen soll. Aber dann muss es geschehen. Denn auch die Gebete der kämpfenden Gemeinde auf Erden steigen zu Gott empor und bitten um das Kommen seines Reiches (Kapitel 8, 3).

Nun wäre es ja sonderbar, wenn dieser ganz neue tiefe Einschnitt in der Menschheitsgeschichte, das Atomzeitalter mit seinen schreckensvollen Gefahren, in diesem letzten Buch der Bibel, das doch die Zeit bis zu Jesu Wiederkunft im Blickfeld hat, nicht gebührend vermerkt wäre. Aber – so wird uns gesagt – er ist vermerkt, und sogar sehr deutlich vermerkt. Wir müssen diese Abschnitte der Offenbarung nur so lesen wie sie da stehen. In der Tat: die Gefahr eines atomaren Krieges mit solchen verheerenden Folgen liegt wie ein Alpdruck über unserer Welt. Hunderte von künstlichen Satelliten kreisen wie aufgescheuchte Geier um unseren Erdball und warten auf den Augenblick, wo sie niederstürzen können.

Überall auf der Welt ist man auf der Suche nach atomsicheren Felsenklüften, wie wir es am Schluss des sechsten Kapitels gelesen haben. Noch wagt niemand, mit diesen Dingen zu beginnen. Warum nicht? Unser Wort sagt: Gott hat den Weg dazu noch nicht freigegeben. Noch stehen die Engel Gottes des Gerichts mit den Posaunen in der Hand. Noch warten sie auf das Zeichen Gottes. Noch muss das Evangelium vom reich verkündigt werden in der ganzen Welt zu einem Zeugnis über alle Völker. Noch wird auf Erden die Endzeitliche Gemeinde versiegelt; sie darf ihre Berufung und Erwähnung im Hören auf Gottes Wort und in der Kraft des Heiligen Geistes und in betendem Umgang mit ihrem Herrn und in gelebter Treue zu seinem Werk auf Erden festmachen. Darum müssen die Mächtigen auf Erden noch verhandeln.

Das darf uns also auch hier sehr tröstlich sein: Keine Minute früher werden diese furchtbaren Ereignisse eintreten, als Gott den Weg dazu frei gibt. Aber wie ernst ist auch diese Schau: Im Hintergrund der kreisenden Satelliten und aller Rüstungen und Verhandlungen der Großmächte stehen Engel des Gerichts, bereit auf Tag und Stunde, um auf Gottes Geheiß den Weg freizugeben, den sich eine Gott verleugnende und unbußfertige Welt selbst bereitet hat.

(Fritz Steinwender: Die kommende neue Welt)

Das Gesicht von den 7 Siegeln ist zu Ende. Es hat uns in großen, markigen Strichen den Weltverlauf dargestellt von Jesu Erhöhung bis zum jüngsten Tag und bis zum Anbruch der ewig-seligen Vollendung.

Nun beginnt ein ganz neues Gesicht, gekennzeichnet durch die  s i e b e n  P o s a u n e n. Fast graut es uns, in die Bilder hineinzuschauen, die sich nunmehr entrollen. Das Gesicht von den 7 Siegeln war großzügig und erhebend; es schilderte in den 4 ersten Siegeln die gewaltigen Mächte, die in dieser Weltzeit am Werke sind: Evangelium, Krieg, Teuerung und den Würger Tod in ihrer Majestät; es ließ einen Blick tun in das Warten und Ruhen der Seelen, die  schon drüben sind, im 5. Siegel; dann folgte mit dem 6. Siegel das erschütternd großartige Bild vom „großen Tag des Zorns(Offb. 6, 17), das nur die gewaltigen Höhepunkte der letzten Entscheidungen heraushob; dann sahen wir Gottes Walten über seiner Gemeinde, wie er die streitende Gemeinde auf Erden als sein ihm versiegeltes Eigentum schützt und was es um die Herrlichkeit der unzählbaren triumphierenden Gemeinde im Himmel ist. Und endlich das 7. Siegel, dessen Eröffnung das bringt, was kein Menschenmund aussprechen kann, die ewige göttliche Vollendung in unausdenkbarer Herrlichkeit! Wir hätten fast genug gesehen, mag es uns dünken. Es ist, wenn der Vergleich gestattet ist, wie wenn wir von einem Krieg nur die staunenerregenden Kräfte, die imposanten Entscheidungen, die herrlichen Siege und endlich den großen Triumphzug im Bilde zu sehen bekommen. Man vergißt darüber beinahe die Greuel, die Ströme des Bluts, das furchtbare Ringen mit allem dem Entsetzlichen, das es in sich schließt und nach sich zieht, und wer es nicht miterlebt hat, begeistert sich ohne Grauen an den Heldentaten und großen Siegen. So wäre es etwa, wenn das Buch der Offenbarung nur die 7 Sendschreiben und die 7 Siegelgesichte und dann etwa den Schluß (Kap. 2022), die Überwindung des Satans, die Gerichtsszene und das Bild des neuen Himmels und der neuen Erde und der Gottesstadt Jerusalem darböte. Es wäre für unser Empfinden wohl so das Erhebendste. Aber dem großen Gesicht von den 7 Siegeln folgt eine Reihe anderer Gesichte, die uns fremd und schaurig anmuten. Aber wir sollen sie dennoch sehen und für unser Leben, Glauben und Hoffen daraus lernen.

Quelle: Christian Römer, weil. Prälat und Stiftsprediger zu Stuttgart: Die Offenbarung des Johannes, in Bibelstunden erläutert , S. 85f. (Verlag von D. Gundert, Stuttgart 1916)

Verweise

Bibelverse zum Thema: Zorn Gottes

Eingestellt am 18. Juli 2023