8. Die Gottseligkeit ein Gewerbe

Es geht mir wie Ihnen: Ich habe auch Anstoß daran genommen, daß N. der Versuchung unterliegt, das Christentum für geschäftliche Vorteile zu benützen. Das apostolische Wort ist ein herrliches Wort:

„Die Gottseligkeit ist zu allen Dingen nütze und hat die Verheißung dieses und des künftigen Lebens“ (1. Tim. 4, 8)

Aber es hat nichts zu tun mit geschäftlichen Kunstgriffen, sondern will einfach sagen: Die Gottseligen haben auch in irdischen Dingen den Segen Gottes. Auf kritische und zugleich zartfühlende Menschen macht es einen bedenklichen Eindruck, wenn sie merken, man nützt jede Gelegenheit, unter christlicher Flagge ein gutes Geschäft zu machen. Dieser bedenkliche Eindruck wird nicht aufgehoben, wenn man nachher auch wieder reichlich gibt. Gerade in dieser Zeit des Mammonismus müssen alle, die den Anspruch erheben, Christen zu sein, im geschäftlichen Leben wachen, reine Finger zu haben.

Es berührt mich auch immer unangenehm, wenn Christen bei literarischen Unternehmungen oder bei öffentlichen Reden durch das Sensationelle Erfolg erzielen wollen. Ich vermisse in solchen Fällen immer die Keuschheit, die von oben stammt. Man beweist mit dieser fraglichen Art, daß man den gewünschten Segen und Erfolg nicht allein vom Herrn erwartet, sondern meint, ihn selber machen zu müssen. Ja, man tut sich etwas darauf zugut, auf diese Weise dem Reich Gottes aufzuhelfen. Ein besonders hervortretender Zug in den Erscheinungen unserer Zeit ist der Mischmasch von Göttlichem und Menschlichem, von Wahrheit und Lüge. Diesen Zug sehen wir auch im geschäftlichen Leben und besonders in der christlichen Literatur; er bildet eine besondere Gefahr. Wir kommen nur vorwärts mit der Wahrheit und Lauterkeit. Wie sehr erschwert uns der Mischmasch auf religiösem Gebiet unsere Arbeit!

Wie ist dadurch der Sinn für Wahrheit abhanden gekommen, so daß es schwer wird, Wahrheit und Lüge voneinander zu scheiden. Und doch muß diese Scheidung kommen. Sie kann nur herbeigeführt werden durch das Schwert des Geistes, das Wort der Wahrheit.

Aber auch im geschäftlichen Leben, wo so oft Christliches und Menschliches gemischt erscheint, muß Scheidung folgen. Aller Erwerb, der durch Kunstgriffe zustande kommt, fällt bälder oder später unter das göttliche Messer: Was nicht mit Gott gesammelt ist, kommt ganz sicher auf das Verlustkonto; es ist kein Segen darauf. Unsere überkluge Welt muß wieder lernen, daß an Gottes Segen alles gelegen ist. Wenn große Krisen kommen – und sie können sehr bald kommen – dann wird die Not im geschäftlichen Leben und im Besitzstand ganz entsetzlich werden, weil wir so viele eingebildete Werte haben. Da werden dann viele, die jetzt das Machen und Erwerben so gut verstehen, unten anfangen müssen im Buchstabieren der Bitte:  U n s e r  t ä g l i c h e s  B r o t  gib uns heute! Es wird ihnen sauer werden. O, möchte an den Wänden von jedem Büro und jedem Geschäftsraum mit Flammenschrift geschrieben stehen: „Die Furcht des Herrn ist der Weisheit Anfang“, der Weisheit Anfang auch im Geschäftsleben.

Quelle: Elias Schrenk, Seelsorgerliche Briefe für allerlei Leute, 3. Band, S. 32-34. Verlag von Ernst Röttger, Kassel 1911