Darum hat sie auch Gott dahingegeben in ihrer Herzen Gelüste, in Unreinigkeit, zu schänden ihre eigenen Leiber an sich selbst; (Röm. 1, 24)
Es ist hier von einem doppelten Sinken die Rede, zuerst V. 24f. von Wollustsünden überhaupt, wie sie dem zügellosen Wesen des Heidentums entsprechen, ja durch allerlei Götterfabeln entschuldigt und geheiligt werden, bis endlich gar der Wollustdienst zum Kultus wird (V. 25):
…sie, die Gottes Wahrheit haben verwandelt in die Lüge und haben geehrt und gedient dem Geschöpfe mehr denn dem Schöpfer, der da gelobt ist in Ewigkeit. Amen. (Röm. 1, 25)
Haben sie dann die Wahrheit Gottes verschleudert, so werden sie auch (V. 26f.) in eine Lügenform der Geschlechtslust dahingegeben, eine Folge, die Paulus nicht beschreiben kann, ohne erst den so allgemein vergessenen Schöpfer zu preisen. Es kam so weit, daß Weiber mit Weibern Schande trieben, das sogenannte lesbische Laster; daß die Knabenliebe (Päderastie) in Griechenland und Rom [s. unten, Lit. 1] allgemeine Mode wurde und die zerrüttendsten Folgen eintraten. So zeigt sich nun das Heidentum als eine Anhäufung von Lastern, die in der Ungerechtigkeit (V. 29) ihre Wurzel haben, sich in Neid und anderen Missetaten äußern, allerhand böse Charaktere, wie Ohrenbläser etc. bilden, und alle Gottesgaben (V. 31) vergiften und ertöten. Der höchste (fünfte) Grad wird in V. 32 erreicht im dämonischen Wohlgefallen am Bösen, da man es nicht nur selbst übt, sondern auch an andern billigt.
Gott strafte diese Sünder durch die furchtbarste Strafe, die Sünde selbst, indem er sie ihren Sünden preisgab. Und zwar stehen die Unzuchtsünden obenan, die überall mit dem Götzendienst eng verbunden sind, und den Menschen am tiefsten entwürdigen (4. Mose 25, 1; 3. Mose 18). Betet der Mensch das Geschöpf an, statt des Schöpfers, so vergöttert er auch die fleischlichen Triebe, und zwar vorzugsweise die erzeugende Kraft in der Natur als die mächtigste von allen. So wird er in schändliche Unzucht verführt, die, nach der Art aller Sünde, stets neue Weisen der Befriedigung ersinnt. Je unnatürlicher und schändlicher, desto mehr zeigt sich dann die Sünde als Strafe.
Quelle: Handbuch der Bibelerklärung, Zweiter Band. Das Neue Testament, S. 401f. Mit zwei Karten. Fünfte umgearbeitete Auflage. Calw und Stuttgart, Verlag der Vereinsbuchhandlung.
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Wenn Gott nun zur gerechten Strafe für die Verachtung und Mißdeutung Seines Liebesrates diese Hindernisse für die Ausbrüche der Sünde wegnimmt und den Menschen sich selbst und der Eingebung des bösen Feindes überläßt, dann überflutet die Macht der Bosheit alle Schranken und Grenzen. Dann sieht man jene erschrecklichen Sündenausbrüche, die der Apostel hier (Römer 1) aus dem Leben der Heiden anführt und die man oft genug auch in der Christenheit gewahr wird; diese schauerlichen Schreck-Beispiele, da auch solche Menschen, die allgemein für weise und für verständig angesehen wurden, plötzlich in eine schreckliche Sünde und Torheit verstrickt erfunden werden, so daß der eine ein Dieb oder Fälscher, der andere ein Mörder ist, ein dritter frönt einem widerlichen, verderblichen Laster, ein vierter nimmt sich das Leben usw. Und wenn sie vielleicht kurz zuvor für kluge, ehrbare Menschen gehalten wurden, jetzt aber in dieser jämmerlichen Art und Weise enden, dann steht die Welt da und staunt und kann nicht fassen, wie solches zuging; denn niemals hätte der kluge und gute Mensch das getan haben wollen, was er jetzt getan hat. Wie ist das dann zugegangen? In keiner anderen Weise als der, die der Apostel uns in Vers 21 sagt: „Weil sie wußten, daß ein Gott ist, und haben Ihn nicht als einen Gott gepriesen.“ Sie vernahmen die Stimme Gottes, wollten sich aber nicht beugen, sondern „hielten die Wahrheit in Ungerechtigkeit auf“, sie „hielten sich selbst für weise“ und wollten nicht glauben, was Gott ihnen sagte. Deswegen hat Er sie nun in ihrer Herzen Gelüste dahingegeben, und auf diese Weise „sind sie zu Narren geworden„.
Ach, daß ein jeder Mensch, der noch zu einiger Besinnung fähig ist, beizeiten bedenken wollte, was der Apostel des Herrn uns hier lehrt! Mancher Jüngling, manches junge Mädchen hört frühzeitig von liebevollen, erleuchteten Eltern oder Lehrern den Ratschluß Gottes sowohl für unser zeitliches als auch für unser ewiges Wohlergehen. Sie hören und verstehen, wie der allmächtige Gott ernstlich will und befiehlt, daß alle Menschen sich zu Ihm bekehren, Ihn fürchten und lieben, Ihm glauben, gehorchen und Ihm im Leben nachfolgen sollen. Aber diesem Rat Gottes wollen sie nicht gehorchen. Sie wollen noch ihren eigenen Lüsten und der Welt folgen. Sie meinen, daß sie sich jederzeit hüten könnten, es zu grob zu machen und zu tief in den Schlamm der Sünde zu versinken. Sie meinen, es stehe in ihrer Macht, ein gewisses Maß zu halten. Sie wollen nicht ganz dem Herrn angehören, bei Ihm bleiben und in Seinem Reiche unter Ihm leben, aber sie gedenken doch, sich vor einem zu tiefen Fall zu hüten. Das wird ihnen jedoch nicht gelingen: „Gott lässt sich nicht spotten“. Wenn du Seine Worte nicht hören und dich nicht ganz bekehren willst, dann helfen hinfort weder Klugheit noch Wachsamkeit, du mußt hinab in die Tiefe. Früher oder später, hier in der Zeit oder einst in der Ewigkeit wirst du bitter erfahren, daß es deine große Unbesonnenheit war, diesem Herrn nicht zu gehorchen, sondern Seinem Willen und Ratschluß zu trotzen.
Ach Volk, wer Ohren hat zu hören,
Der höre, denn die Zeit ist da;
Gott ruft, die Sünder zu bekehren,
Vom Sinai, von Golgatha,
Mit Donnern und im süßen Ton.
Erwacht und eilt zum Gnadenthron!
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Die Folge davon, daß die Heidenwelt die hohe Gnade der Gotteserkenntnis nicht gewürdigt [hat], war ein göttliches Strafgericht: sie hatten Gott herabgewürdigt selbst unter den Menschen zur Tiergestalt; so trifft sie die Strafe, daß der Mensch sich selbst unter das Tier herabwürdigt, indem er in ganz unnatiirlicher Weise Wollust treibt (Tholuck). Die Folgen seines Abfalls von Gott hat der Mensch nicht mehr in seiner
Gewalt, sondern nach Gottes Ordnung, Veranstaltung und Gericht treten sie in den verschiedenartigsten Formen der Sünde auf (Ps. 69, 27.28, 2. Sam. 24, 1 Anm.).
Allerdings entwickeln sich diese Sünden nur, indem der Geist Gottes vom Abgefallenen zurückweicht, nicht indem er sie selbst wirkt; aber doch vollzieht sich in diesem Zurückweichen und seinen Folgen, nämlich in dem Betreten der Bahn ungezügelter Frevel und Laster, zu der Gott dem Menschen die Zugänge eröffnet und ebnet, ein positives göttliches Strafverhängnis (Ps. 81, 12f.; Jes. 6, 9f.; Mark. 4, 12; 2. Thess. 2, 11f).
In der Tat ist nun auch das vom Apostel hier erwähnte Laster ein spezifisch heidnisches, und war zugleich ein besonders in der damaligen Zeit weit verbreitetes Laster (an dem selbst der edelste unter den Heiden, Socrates, auf die schamloseste Weise sich beteiligt hat); im Umkreise auch der entartetsten Christenheit ist es doch immer nur sporadisch vorgekommen und nur heimlich geübt, niemals aber vom öffentlichen Urteil entschuldigt oder gar gebilligt worden. Die Lasterhaftigkeit innerhalb der christlichen Kirche ist Abfall vom Christentum und nimmt darum mit dem zunehmenden Abfall und dem Rückfall in den heidnischen Sinn selber zu; hingegen die Lasterhaftigkeit innerhalb des Heidentums ist Konsequenz des Götzendienstes, wofür auch die vielen wollüstigen Gottesverehrungen des Heidentums Zeugnis geben (Philippi.)
Quelle: Die Bibel oder die ganze Heilige Schrift mit in den Text eingefügter Auslegung, ausführlichen Inhaltsangaben und erläuternden Bemerkungen; herausgegeben von K. August Dächsel, Pastor prim. zu Neusalz a. d. O., Band 7: Das Neue Testament
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Diese Verse der Heiligen Schrift unterstreichen den Ernst, mit dem Gott diese Verfehlungen sieht. Gleichwohl ist durch die Hinwendung zu Jesus Christus eine Umkehr zu Gott, Befreiung und Vergebung auch für diese gravierenden Sünden möglich. Der Ausleger Prof. Bob Utley schreibt dazu in seinem Kommentar zum Römerbrief [siehe Lit. 2]:
„Bevor ich mich jedoch von diesem Thema wieder abwende, möchte ich Gottes Liebe und Vergebung für alle rebellischen Menschen unterstreichen. Christen haben kein Recht, gegen diese spezielle Sünde mit Haß und Arroganz vorzugehen, im besonderen, wenn es offensichtlich ist, daß wir alle sündigen. Gebet, Interesse, Zeugnis und Mitgefühl bewirken auf diesem Gebiet wesentlich mehr als vehemente Verurteilung. Gottes Wort und Sein Geist werden die Verurteilung übernehmen, wenn wir sie lassen. Alle sexuellen Sünden, nicht nur diese, sind Gott zuwider und führen zum Gericht. Sexualität ist ein Geschenk von Gott zum Wohle des Menschen, zu seiner Freude und für eine stabile Gesellschaft. Dieser mächtige, von Gott gegebene Drang wird jedoch oft in ein rebellisches, ich-bezogenes, Vergnügen suchendes Leben nach dem Motto ´mehr-für-mich-um-jeden-Preis´ verkehrt“ (s. Röm. 8, 1-8; Gal. 6, 7-8).
Literaturangaben und Verweise: