9 Es ist das Herz ein trotzig und verzagtes Ding; wer kann es ergründen?
10 Ich, der HERR, kann das Herz ergründen und die Nieren prüfen und gebe einem jeglichen nach seinem Tun, nach den Früchten seiner Werke.
11 Denn gleichwie ein Vogel, der sich über Eier setzt und brütet sie nicht aus, also ist der, so unrecht Gut sammelt; denn er muß davon, wenn er’s am wenigsten achtet, und muß zuletzt Spott dazu haben.
12 Aber die Stätte unsers Heiligtums, der Thron göttlicher Ehre, ist allezeit fest geblieben.
13 Denn, HERR, du bist die Hoffnung Israels. Alle, die dich verlassen, müssen zu Schanden werden, und die Abtrünnigen müssen in die Erde geschrieben werden; denn sie verlassen den HERRN, die Quelle des lebendigen Wassers.
14 Heile du mich, HERR, so werde ich heil; hilf du mir, so ist mir geholfen; denn du bist mein Ruhm.
Wenn er [ein Mensch] Lust hat, mit ihm zu rechten, so kann er ihm auf tausend nicht eins antworten. (Hiob 9, 3)
Mein Herz, du rühmst dich des Ewigen, und ist doch wohl nur Irdisches in dir?
Steige tiefer hinab. Ist deine Stille auch eine wahre Stille?
Gedenkst du des Sabbats, ihn stündlich zu heiligen?
Oder wirken deine Leidenschaften unter dem Schlummer der Trägheit ihr Werk, und nur deine Schwachheit hindert sie, in Flammen auszubrechen?
Hält vielleicht eine Sünde die andere im Zaum? – Du bist mäßig aus Geiz? edel, weil du eitel bist? liebreich aus Absichten? tätig aus Ruhmsucht?
Herrschest streng über Andere, schlaff über dich selbst? – Stehst du ganz im Dienste deines Herrn, und liebst den über Alles, der dich mit seinem Blute geliebt hat?
Wie wäre es, wenn du für Ihn sterben sollst? oder Ihm zu Ehren wider deine Neigung leben?
Bist du ganz frei von dir, daß du in vollem Ernst sagen kannst. Dein Wille geschehe? –
Gestehe es nur, du hast noch gar nicht recht angefangen, dich selbst zu verleugnen, und gibst nur einen Willen dran, um einen andern zu erkaufen. Dich bändigt nicht deine Tugend, sondern dein Schicksal. Deine Natur ist etwa so glücklich, stumpf zu sein für einen Reiz, den du an deinem Nächsten richtest.
Für Wollust begnügst du dich mit Tändelei; du marktest mit deinen Begierden, und dünkst dir ein Heiliger, wenn du ihnen einen Groschen abgedungen hast.
Manchmal fällst du schrecklich hinein, und willst dich glauben machen, das habe ein Anderer gethan.
Gift und Schwefel fährt aus deinem Munde, wenn dein Ich mit einer Nadel berührt wird; aber das Lob ist dir linde wie Oel.
Wenn du für das Recht streitest, so ist’s nicht das Recht, sondern der Streit, was dir anliegt.
Deinen Sinn zu verfechten, das dünkt dich eine Heldenschaft. Opferst du ihn aber auf, was gilt’s, es steht ein Schreckbild hinter der Hecke, das du zu sühnen meinst, wenn du sprichst: Ich tue es gern.
Hilfst du, so hoffst du Hilfe; leihest du, so locken dich die Zinsen.
Wenn du liebst, so liebst du dich selbst, und willst nicht deinen Gegenstand, sondern dich beglücken.
Bist du nicht der ewige Götze deines Dienstes?
Trauerst du um etwas Anderes, als um deinen Verlust?
Möchtest du doch reich sein, um wohlzutun, nämlich daß der Arme dir viel zu danken hätte; und bist du reich, so machst du dich selber arm, denn du sorgst für den morgenden Tag.
Du hast die Erde noch lange nicht aufgegeben wie ein Totkranker, und der Himmel, der dir angeboten ist, liegt dir noch fern im Raum, wie das Gericht in der Zeit.
Sogar finden sich Flecken ganz kindischer Gefallsucht an dir; und du schämst dich nur, wenn sie dich nicht den Allervortrefflichsten heißen.
Macht dir auch eine Sünde so heiß, wie ein dummer Streich in der Gesellschaft?
Sind also die Leute die Götter, und Gott weniger als ein Mensch?
Du richtest deine Schuldigkeit aus, um dich bei dir selbst zu benedeien; erließe man’s dir aber, so wäre dir’s eben recht.
Hast du je des Andern Kreuz getragen? Oder ist dein eigenes dir süß geworden?
Hast du Gott gedankt, wenn Er dich äußerlich gebunden hat, um dich innerlich frei zu machen?
Hast du dann recht gejauchzt, als du merktest, der schönste der Siege sei die Selbstüberwindung? –
Hast du es schon in Gedanken versucht, für Feinde dein Leben zu lassen?
Hast du auch schon versucht, deines Dieners Diener zu sein, was doch die Heiden taten; und hast du Füße gewaschen, ohne daß es Jerusalem wußte? –
Kannst du besser ausüben, als predigen, und liebst du vielleicht nur unter Rednern zu sein, und nicht unter Tätern? –
Ergrimmst du auch fein über den Strafprediger in dir, und schlägst ihm auf’s Maul, daß er dir Ruhe lasse, die noch schlimmer ist als er? –
Kostet dich’s gar keinen Kampf, dich zu überzeugen, daß du ein sündig Ding und ein Nichts bist; und weißt dich auch Nichts damit, dieses zu wissen und zu bekennen? –
Siehe, kannst du dir selbst auf Tausend nicht Eins antworten: wie denn dem Allwissenden? und hat Jeremias nicht Recht, wenn er sagt:
„Das Herz ist ein trotzig und verzagt Ding, wer kann es ergründen?“ –
Was soll ich aber tun, sprichst du, da ich sehe, daß ich so unergründlich schlecht bin?“ – Geh’, und wasche dich täglich dreimal im Blute der Erlösung, und siebenmal im Jordan des Geistes, so wirst du rein werden. Tue Buße und laß es dir ein Fest sein, besser zu werden, so wirst du besser werden. Wisse auch, daß, wie du bist, so sind Andere, und Andere wie du, und habe Mitleid mit dem Fleisch, das wir alle zusammen gemein haben. Denn Gott, welcher größer ist als du, mein Herz, hat Mitleid mit uns Allen.
Herr, wie weit bin ich noch davon entfernt, ein wahrer Christ zu sein! Bedecke, was ich gelebt habe; regiere meine Zukunft und mache Du selbst mein Leben zu einem Advent für die Ewigkeit. Amen.
Quelle: Arndt, Friedrich – 24. Andachten zu Jeremia, aus: Glaubensstimme