Da sie das hörten, schwiegen sie still und lobten Gott und sprachen: So hat Gott auch den Heiden Buße gegeben zum Leben! (Apg. 11, 18)
Die Propheten des Alten Testaments haben zwar oft geweissagt, daß auch den Heiden durch den Messias Gnade widerfahren werde, und diese Weissagungen waren ohne Zweifel den Aposteln und den übrigen Christen zu ihrer Zeit wohl bekannt. Sie dachten aber zu den Worten der Propheten etwas hinzu, daß nämlich die Heiden die Beschneidung annehmen, und Judengenossen werden müßten, wenn sie zum Volk Gottes gerechnet werden sollten, oder widrigenfalls nur Gäste und Fremdlinge unter diesem Volk sein müssen.
Diesen Gedanken hielten sie so fest, daß Petrus Ap. Gesch. 10. durch ein Gesicht und durch eine himmlische Stimme belehrt werden mußte, daß er unbeschnittene Heiden nicht mehr für unrein halten sollte, und daß hernach die mit der Gabe fremder Sprachen begleitete Ausgießung des Heiligen Geistes beweisen mußte, daß der Hauptmann Cornelius und die Seinigen getauft werden dürfen. Petrus mußte dieses Alles zu seiner Rechtfertigung anführen, als hernach beschnittene Christen mit ihm zankten, daß er zu Männern, die Vorhaut haben, eingegangen sei, und mit ihnen gegessen habe. Doch, da diese beschnittenen Christen dieses Alles höreten, so schwiegen sie stille, und lobeten Gott, und sprachen: so hat Gott auch den Heiden Buße gegeben zum Leben, ohne daß sie nämlich Judengenossen worden wären.
Wir stammen auch von Heiden ab; und sollen’s, wenn wir auf unsere Voreltern zurück sehen, für eine überschwengliche Gnade halten, daß sich Gott zu ihnen und uns gewendet hat, und im Evangelio den Frieden verkündigen lassen. Paulus nennt den Beruf der Heiden Eph. 3, 4. ein Geheimnis Christi, und sagt V. 5., es sei in vorigen Zeiten den Menschenkindern nicht kundgetan gewesen, wie es hernach Seinen heiligen Aposteln und Propheten durch den Geist geoffenbaret worden, nämlich daß die Heiden (ohne Beschneidung) Miterben seien, und mit eingeleibt, und Mitgenossen Seiner Verheißung in Christo durch’s Evangelium.
Die Propheten des Alten Testaments haben freilich, wenn sie von der Begnadigung der Heiden weissagten, die Bedingung nie hinzugesetzt, daß sie beschnitten werden, und das ganze Ceremonialgesetz halten müßten: sie haben aber auch nicht gesagt, daß diese Bedingung nicht dabei sein werde. Es war also Alles auf eine neue Offenbarung ausgesetzt, welche hernach den heiligen Aposteln und Propheten des Neuen Testaments widerfahren ist. Gelobet sei Gott, daß diese Bedingung weggefallen ist, weil dadurch die Bekehrung der Heiden sehr erschwert, ja bei Vielen unmöglich gemacht worden wäre, wie denn auch die Apostel, ehe sie diese neue Offenbarung bekamen, keinen Heiden haben bekehren können.
Aber Buße zum Leben muß einem Heiden gegeben werden, wenn er in den Stammbaum Israels eingepfropft werden, und gleiche geistliche Rechte mit den heiligen Israeliten bekommen soll. Buße ist eine Gabe Gottes, wie das Leben selbst, das ein Bußfertiger erlangt. Gott gebe diese Buße zum Leben auch jetzt vielen abgöttischen Heiden, die noch übrig sind, und denen Sein Evangelium durch Seine Knechte unter vieler Mühseligkeit geprediget wird. Er gebe sie aber auch vielen Christen, die bei dem Christennamen heidnisch leben, und der Buße sehr bedürfen.
Niemand, der aus der Taufgnade gefallen ist, bilde sich ein, daß er das Leben ohne die Buße erlangen werde.
Mel.: „Alles ist an Gottes Segen“
1. Buße ist, Gott Lob, zum Leben,
Euch, ihr Heiden, auch gegeben,
Nehmt sie an aus Gottes Hand.
Buße tun, und nicht verderben,
Leben und nicht zweimal sterben
Ist ein edler Gnadenstand:
2. Ich, der zwar ein Christ geboren,
Ging doch als ein Heid‘ verloren;
Denn ich fiel vom Leben ab.
Gott ist’s, der mich nicht verstockte,
Der mein Herz zur Buße lockte,
Und das Leben wieder gab.
3. Ihm sei Dank für mich und Alle,
Die auch so wie ich vom Falle
Durch den HErrn errettet sind.
Gott gebührt hievon die Ehre;
Wenn nicht Gottes Gnade wäre,
Wär‘ ich heut‘ noch tot und blind.
4) Fällt mir ein, was ich gewesen,
Fühl ich nun, daß ich genesen,
O mein Gott, so dank‘ ich Dir‘!
HErr, der dies mir hier gegeben,
Gib mir auch ein ewig Leben,
Ewig dank‘ ich Dir dafür.
Liedtext: Philipp Friedrich Hiller (1699-1769)
Melodie: 1691, Johann Löhner (EG 352 „Alles ist an Gottes Segen“);
Johann Balthasar König (arr.), Harmonischer Lieder=Schatz 1738, bei Joh. Adam Hiller 1793
Quellenangaben
Morgen=Andacht zum 8. Juni, aus: M. Magnus Friedrich Roos, württ. Prälaten zu Anhausen Christliches Hausbuch, welches Morgen= und Abend=Andachten auf jeden Tag des ganzen Jahres nebst beigefügten (Hiller’schen) Liedern enthält. Nebst einem Anhange von weiteren Gebeten für zwei Wochen und für einige besondere Fälle. Mit dem Lebensabriß des sel. Verfassers, eingeleitet von seinem Urenkel Repetent Fr. Roos. Mit einem Stahlstich. Stuttgart, 1860. Druck und Verlag von J. F. Steinkopf. [Seite 445 /Digitalisat]
Lied zum 8. Juni, aus: Geistliches Liederkästlein zum Lobe Gottes, bestehend aus 732 kleinen Oden über so viel biblische Sprüche: Kindern Gottes zum Dienst aufgesetzt von M. Philipp Friedrich Hiller. 2 Theile in 1 Bande. Vermehrt mit dem Lebenslauf, sowie Bildniss des Verfassers und einem Register über sämmtliche Liederverse. Druck und Verlag der D.G. Kurtz’schen Buchhandling, Reutlingen 1869. [1. Teil. Seite 160 / Digitalisat]
Weitere Betrachtung zu diesem Vers von Dr. Carl Eichhorn
Weblinks und Verweise
Notensatz, 4stimmig (im pdf-Format, ohne Liedtext, 1738; externer Link zu ccel.org)
Melodieseite „ALLES IST AN GOTTES SEGEN“ bei Hymnary.org
Audiodateien (midi, mp3, J. B. König, jeweils externe Links zu Hymnary.org
Audiodatei und weitere Ressourcen (mp3, externer Link zu Sermon Online)
Samstags-Bibel-Seminar (SBS): Übersicht Apostelgeschichte (pdf)
Übersicht: Die Apostelgeschichte des Lukas