Vergiß mein nicht (Arnold)

1) Vergiß mein nicht, daß ich dein nicht vergesse
und meiner Pflicht, die ich, o Wurzel Jesse,
dir schuldig bin. Erinnre stets mein Herz
der unzählbaren Gunst und Lieblichkeiten,
die du mir ungesucht hast wollen zubereiten.
Du wirst, was mir hinfort gebricht,
vergessen nicht.

2) Verlier mich nicht, mein Hirt, aus deinen Armen,
aus deinem Schoß und herzlichen Erbarmen,
von deiner Weide honigsüßen Kost,
aus deinen Führen, Locken, Warnen, Sorgen,
das ich bei dir genieß vom Abend bis am Morgen.
Solang dein Stab sein Amt verricht,
verlier mich nicht.

3) Verlaß mich nicht, mein Herr und bester Lehrer
bei der Gefahr so vieler Friedensstörer,
o wache selbst und laß dein Liebspanier
mich ringsherum mit tausend Schilden decken,
daß keines Feindes Macht und Heer mich kann erschrecken.
Dein Auge, das auf mich gericht‘,
verlaß mich nicht.

4) Verstoß mich nicht, doch wie kannst du verstoßen?
Du weißt von lauter Liebe und Liebkosen,
von Gnad und Huld; denn dein mitleidig‘ Herz
dich zwinget, meine Schwachheit stets zu tragen.
Wer wollt‘ von solcher Treu an der Vollendung zagen?
Dein Herz, das dir so ofte bricht,
verstoß mich nicht.

5) Vergiß auch nicht, Herr, deine Reichsgenossen,
auf die dein Blut in voller Kraft geflossen,
o fasse sie in deiner Liebesbrust.
Gib, daß dein Zion sich bald deiner freue
und jedermann dir stift‘ ein Denkmal deiner Treue
und keiner der so teuren Pflicht
vergesse nicht.

6) Vergiß mein nicht, und wer könnt‘ dich vergessen?
Man kann ja das Geheimnis nicht ermessen,
daß du in mir und ich in dir soll sein.
Wie sollt‘ ich nicht an dich, du an mich denken,
da du mich willst in dich und dich in mich versenken?
Du wirst mich ewiglich, mein Licht,
verlassen nicht.

Liedtext: Gottfried Arnold (1666-1714)

Quellen:

Evangelisches Gesangbuch der Bremischen Gemeinden, Druck und Verlag von Carl Schünemann, 1873

Alte Lieder der Christenheit: Gottfried Arnold

Eingestellt am 18. April 2020 – Letzte Überarbeitung am 1. März 2022