Johann Eusebius Schmidt (1670-1745)

Johann Eusebius Schmidt, Kirchenliederdichter, gehört einem Geschlechte an, das ursprünglich in dem gothaischen Dorfe Thörey bei Arnstadt seßhaft war. Dort lebte zu Anfang des 17. Jahrhunderts der Heimbürge und Gerichtsschöppe Johannes S., dessen gleichnamiger Sohn sich dem geistlichen Stande widmete und seit 1631 das Diakonat und von 1636—83 das Pfarramt zu Tambach im Thüringer Walde bekleidete.

Wie dieser, so schlugen auch zwei seiner Söhne die geistliche Laufbahn ein: der jüngere, Adam, wurde seines Vaters vierter Nachfolger im Diakonat (1678) und zweiter Nachfolger im Pfarramte (1694); der ältere, Joh. Jakob, kam 1663 als Diakonus nach Kranichfeld und 1668 als Pfarrer nach Hohenfelden bei Erfurt, einem im damaligen kurmainzischen Amte Tonndorf gelegenen Orte, aber als sachsen-gothaisches Patronat von dem Unterconsistorium in Kranichfeld abhängig. In Hohenfelden wurde dem letztgenannten Pfarrer von seiner Gattin Anna Sophia Franck, der Tochter des Kranichfelder Amtsschössers Eusebius Johannes Franck, am 12. Jan. 1670 ein Sohn geboren, der nach den beiden Großvätern in der Taufe die Vornamen Joh. Eusebius empfing. Zunächst von seinem Vater wissenschaftlich vorgebildet und schon im zwölften Jahre confirmirt, bezog derselbe am 1. Mai 1682 das Gymnasium in Gotha, wo er sechs Jahre verweilte und die drei obersten Classen Secunda, Prima und Selecta durchlief. Während dieser Zeit erfreute er sich des Unterrichtes vortrefflicher Lehrer, wie des Generalsuperintendenten H. Fergen, des Rectors G. Heß und des Prof. J. H. Rumpel. Da außer dem letzteren noch ein anderer Liederdichter, Cyriacus Günther, als Classenlehrer der Tertia an der Schule wirkte, so ist es nicht unwahrscheinlich, daß diese beiden neben seinen nachherigen pietistischen Lehrern durch ihr Beispiel auf seine spätere Schaffenslust im Gebiete des Kirchenliedes anregend eingewirkt haben.

1688 verließ er Gotha und besuchte zunächst drei Jahre lang die Hochschule in Jena, um dann in Erfurt unter der Führung J. J. Breithaupt’s und A. H. Francke’s seine theologischen Studien fortzusetzen. Obwohl die Lehrthätigkeit beider in Erfurt infolge ihres Wegzuges schon zu Anfang des Herbstes 1691 aufhörte, blieb doch ihr Einfluß auf seine fernere religiöse Richtung maßgebend. Auch stand er fortan in geistigem Verkehre mit ihnen, wie er denn z. B. auf zwei Reisen nach Norddeutschland (1692 und 1696) ihretwegen Halle besucht hat. Wahrscheinlich ist er bei seinem zweiten Aufenthalte daselbst auch mit J. A. Freylinghausen bekannt geworden, der im vorhergehenden Jahre als Gehülfe Francke’s an die Glauchaer Kirche gekommen war. Eine vorläufige Unterkunft fand S. als Hauslehrer bei den Söhnen des Hofrathes und späteren Vicekanzlers Joh. Jacobs in Gotha. Unter seinen Zöglingen befand sich auch|der nachherige herzogliche Leibarzt und erste Bürgermeister Gotha’s, Fried. Wilh. Jacobs, der Großvater des berühmten Philologen. Da er neben der Unterweisung seiner Schüler häufig predigte und katechisirte, so traf ihn 1697 die Berufung als Substitut des Pfarrers G. Bertuch in Siebleben bei Gotha nicht unvorbereitet. Er übernahm das neue Amt, in welches ihn sein ehemaliger Lehrer, der Generalsuperintendent Fergen, einführte, am 22. Trinitatissonntage (22. Aug. a. St.). Als Bertuch im nächsten Jahre starb, rückte er zum Ortspfarrer auf und wurde am 4. Advent (18. Dec.) 1698 der Gemeinde als solcher vorgestellt. In der sicheren Voraussicht seiner Beförderung hatte er sich bereits am 27. November desselben Jahres verheirathet, und zwar mit Franziska Wiederhold, einer Tochter des Buchführers Joh. Herm. Wiederhold in Genf, die nach dem Tode ihres Vaters zuerst nach Frankfurt a. M. und hierauf nach Gotha übergesiedelt war und ihm in einer 47jährigen Ehe vier Söhne und vier Töchter gebar.

Eine gleichlange Reihe von Jahren lag er in Siebleben dem Kirchendienste ob und hinterließ das Lob, daß er „ein erbaulicher Lehrer in seiner Gemeinde, ein guter Vorgänger seiner Heerde und ein ordentlicher Mann in seinem Amte gewesen sei“. Als sich ihm in der letzten Zeit seines Lebens die Gebrechen des Alters nahten und eine Art Schlagfluß ihn heimsuchte, trat ihm in M. Aug. Wilhelm Huhn, dem ältesten Sohne des gothaischen Generalsuperintendenten Joh. Benj. Huhn, ein Gehülfe zur Seite, der ihm nachher als Ortsgeistlicher gefolgt ist. Er selbst starb am 25. December 1745. —

S. ist als Verfasser einer beträchtlichen Anzahl geistlicher Lieder bekannt, die, sämmtlich von Freylinghausen zum ersten Male veröffentlicht, sich dann zum Theil in andere Liedersammlungen verbreitet haben. In den ersten Theil seines Gesangbuches (1704) nahm Letzterer deren vier auf, darunter:

„Fahre fort, fahre fort, | Zion, fahre fort im Licht“, das bekannteste von Schmidt’s Liedern, dessen Melodie dem Verfasser selbst zugeschrieben wird;
„Sei fröhlich im Herrn, du heilige Seele, | Du herrliche im Hochzeitkleid“, mit angeblich vom Dichter herrührender Melodie, und:
„So bin ich nun nicht mehr ein fremder Gast, | Nachdem du mich, o Gott, bekehret hast“.

Im zweiten Theile von Freylinghausen’s Gesangbuche (1714) erschienen dann noch 22 Lieder (Koch gibt 21, Goedeke 20 an), darunter die anderwärts öfter wiederholten:

„Erhebe den Herrn, der alles in allen, | O meine Seele und mein Geist“;
„Es ist vollbracht, vergiß ja nicht | Dies Wort, mein Herz, das Jesus spricht“; „Gekreuzigter, mein Herze sucht | Im Glauben mit dir eins zu werden“;
„Ich weiß, ich weiß, an wen ich glaube: | Ich glaub‘ an Jesum, Gottes Sohn“;
„Jesu, laß mich mit Verlangen | Dir anhangen“;
„Verborgner Gott, du wohnst in einem Lichte, | Das nie erblickt ein menschliches Gesichte“ und
„Wie groß ist deine Herrlichkeit, | O Christenmensch, hier in der Zeit“, ein Lied, das J. S. Diterich 1765 in:
„Wie groß ist unsere Seligkeit, | O Gott, schon in der Prüfungszeit“ modernisirt, aber keineswegs verbessert hat. —

Außer den eigentlichen Kirchenliedern bearbeitete S. noch zahlreiche, auf alle Sonn- und Festtage bezügliche Psalmen, indem er nach dem Vorgange Wilh. Petersen’s in dessen „Stimmen aus Zion“ (1698) und „Neue Stimmen aus Zion“ (1701) Bibelworte und Bibelsprüche in ungebundener Rede zusammenfügte. Von diesen nahm Freylinghausen 16 „Festpsalmen“ als „Zugabe“ in den zweiten Theil seines Gesangbuches auf und bemerkte dabei in der Vorrede, daß „dieselben einigermaßen nach der Weise des Magnificat oder „Meine Seele erhebet den Herrn“ und anderer dergleichen Liedern gesungen werden könnten“. Drei von ihnen verzeichnet Fischer in seinem bekannten Werke (s. u.).

Literatur

  • Wetzel, Hymnopoeogr. III (1724), S. 83. —
  • Hans Basilius v. Gleichenstein, Beschreibung der Abtey und Closter Burgelin, Jena 1729, S. 181. —|
  • (J. G. Brückner,) Kirchen- und Schulenstaat im Herzogth. Gotha, III. Theil, 4. Stück, S. 59—61, Gotha 1761. (Theilweise Selbstbiographie Schmidt’s, aber von keiner der anderen Quellen beachtet: daher überall das falsche Geburtsjahr 1669 und sonstige Mängel in den lebensgeschichtlichen Angaben.) —
  • Koch, Geschichte d. Kirchenlieds, 4. Bd., 3. Aufl., (1868), S. 402—404. —
  • C. Kehr, Der christl. Religionsunterricht in der Volksschule, 2. Bd., 2. Aufl., Gotha 1870, S. 360. —
  • Fischer, Kirchenlieder-Lexicon, 2. Hälfte (1879), S. 471b und unter den einzelnen Liederanfängen; Supplement (1886), S. 48a, 54a u. 85a.
  • Goedeke, Grundriß, 2. Aufl., 3. Bd. (1887), S. 208. —
  • Ueber das Lied: „Fahre fort“ s. R. Lauxmann bei Koch a. a. O., 8. Bd. (1876) S. 141f. und Fischer, Supplement z. Kirchenlieder-Lexicon, S. 49a b

Quelle:

Schumann, A., Schmidt, Johann Euseb. in: Allgemeine Deutsche Biographie 31 (1890), S. 737-739 [Online-Version]

CC-BY-NC-SA

Lieder

Fahre fort, fahre fort, wandle, Volk des Herrn, im Licht
(Nr. 211, in: Gesangbuch für die Evangelische Kirche in Württemberg, Stuttgart 1864. Verlags=Comptoir des neuen evangelischen Gesangbuchs)

Wo ist der Weg, den ich muß gehn

Eingestellt am 11. März 2023