Jesaja 55, 6: Das Rettungsseil

„Suchet den Herrn, solange Er zu finden ist, rufet Ihn an, solange Er nahe ist“ (Jesaja 55, 6)

Die schottische Küste wird teilweise von steilen Felsen gebildet, deren Höhe sich zwischen 100 und 200 Metern bewegt. Die arme Bevölkerung verdient ihren Lebensunterhalt durch das Sammeln der Eier von Meervögeln, die zahlreich in den Spalten dieser Felsen nisten. Nachdem der Nestsucher einen soliden Eisenstab in der Spitze des Abhanges befestigt hat, läßt er sich am Seil langsam an der Felsenwand heruntergleiten bis zu der Stelle, an der er seine Beute zu finden hofft. Er legt dann die Eier in einen auf seinem Rücken befestigten Korb und steigt mit seiner Ausbeute wieder hinauf.

So hatte sich eines Tages einer dieser unerschrockenen Jäger auf ein kleines Nest herabgelassen; aber in dem Augenblick, wo er Fuß faßte, entglitt ihm das Seil. Er begriff sofort seine furchtbare Lage: absolut fern von jeder menschlichen Hilfe war er vor die Wahl gestellt, Hungers zu sterben oder sich in den zu seinen Füßen gähnenden Abgrund zu werfen. Er blickte zu dem Seil, welches, pendelartig schwingend, sich abwechselnd ihm näherte und entfernte, und in seiner Angst bemerkte er, daß jede seiner Schwingungen kürzer wurde. Ein Gedanke, schnell wie der Blitz, durchzuckte ihn. „Dieses Seil“, sagte er sich, „ist mein einziges Rettungsmittel; im nächsten Augenblick wird die Entfernung, die uns trennt, zu groß sein, als daß ich versuchen könnte, es noch zu erreichen. Niemals wird es mir näher sein als jetzt. … Versuche ich es! Gott helfe mir!“

Und mit einem Sprung warf er sich ins Leere, dem Seil entgegen, ergriff das Seil und war gerettet!

Wer würde nicht zittern bei dem Gedanken an die Lage dieses Mannes? – Nun denken Sie einen Augenblick an Ihre Lage: Zu Ihren Füßen gähnt der Abgrund der Ewigkeit, in welchen Sie nicht den Blick einzusenken wagen … Die Zeit eilt, jede Minute ist wertvoll … Sie haben keine menschliche Hilfe zu erwarten … Die Rettung sehen Sie vor Augen. Das Seil, welches Sie allein retten kann, die Liebe, die Gott Ihnen in Jesus Christus zeigt, ist noch in Ihrer Reichweite. Niemals wird sie Ihnen näher sein als jetzt. Nehmen, ergreifen Sie es mit der ganzen Kraft der Seele; es geht um Leben oder Tod; dies ist Ihr einziges Rettungsmittel, aber auch das allein sichere Mittel. Die einzige Gefahr wäre, die Sache auf später zu verschieben. Warten Sie nicht, bis die Bewegung des Seiles nachgelassen hat und es außer Reichweite ist, anders gesagt, warten Sie nicht, bis Gott, der Ihnen heute das Seil anbietet, durch Ihr Weigern müde geworden ist. Entscheiden Sie sich, diese Rettung zu ergreifen, es könnte einmal zu spät sein.

„Suchet den Herrn, solange Er zu finden ist, rufet Ihn an, solange Er nahe ist.“

Und heute ist er Ihnen noch nahe, noch erreichbar!

(nach einem Traktat von Br. Schwarzkopf)

Her mit dem Rettungsseil!

Her mit dem Rettungsseil! Eilt, es tut Not!
Dort in den Wogen, er ringt mit dem Tod!
Ist’s nicht dein Bruder? O, zaudre nicht mehr!
Auf, trag ihm das Seil zu durchs tosende Meer!

Refrain

Wirf ihm das Seil zu! Wirf ihm das Seil zu!
Noch mit den Wogen er ringt!
Wirf ihm das Seil zu! Wirf ihm das Seil zu!
Ehe dein Bruder versinkt.

2) Wirf ihm das Seil zu mit sicherer Hand!
Ach, warum stehst du noch zaudernd am Strand?
Sieh, er versinket, hinaus mit dem Boot!
Jetzt, jetzt, durch die Brandung! Entreiß ihn dem Tod!

3) Auf, Brüder, werfet das Rettungsseil aus!
Sünder verderben im Wogengebraus.
Sünde ist stark und Versuchung ist groß;
schon faßt sie die Strömung; bald heißt’s: „Rettungslos!“

4) Noch gilt’s zu retten; die Arbeit bald ruht,
bald ringst im Tode auch du mit der Flut.
Dann rufst im schwellenden Jordan auch du:
„Wirf mir, o mein Heiland, das Rettungsseil zu!“

Liedtext: 1888, Edwin S. Ufford (1851-1929)