„Wenn ihr euch nicht bessert, werdet Ihr alle auch also umkommen.“
Du sagst:
„Ganz unmißverständlich steht hier: Wenn ihr euch nicht bessert, werdet ihr umkommen. Wenn nun diese Besserung auch nicht dasselbe wie Verbesserung, Erneuerung und Heiligung oder Reinigung vom Bösen bedeutet – wozu man keine Kraft haben kann, bevor man nicht in Christus eingepfropft ist und den Heiligen Geist empfangen hat -, so ist doch das erforderlich, was sie eigentlich beinhaltet, nämlich Reue, Zerknirschung, Sündennot. Ich befürchte, daß diese bei mir nicht so sind, wie sie sein müßten; ich bin vielmehr hart und verstockt, wie kann ich dann glauben?“
Antwort: „Es ist wahr, daß Bekehrung (Besserung) notwendig ist, die mit irgend welchem Sündengefühl anfängt und nachher unter den Besserungsversuchen zur Sündenerkenntnis, zur geistlichen Armut oder zur Entblößung alles eigenen Trostes übergeht. Um aber zu wissen, ob diese Bekehrung so ist, wie sie sein soll, mußt du den Zweck derselben kennen und bedenken; denn das, was seinen Zweck erreicht, ist so, wie es sein soll.
Jetzt fragt es sich: „Was ist der eigentliche Zweck der Bekehrung?“ Du sollst durch sie nicht Gott angenehm und begnadigt, sondern zu Christus getrieben werden. Paulus bezeugt es so:
„Das Gesetz ist unser Zuchtmeister gewesen auf Christus, daß wir durch den Glauben gerecht würden.“
Wenn du darum noch eine Zeitlang fern von Christus in der Welt und der Sicherheit ohne Gewißheit deiner Begnadigung bei Gott dahinleben kannst, dann ist dein Sündengefühl wahrlich zu klein. Kannst du deine Seligkeit noch in eigener Bekehrungsarbeit, in Reue, Gebet usw. suchen, dann ist deine Sündenerkenntnis noch nicht rechter Art. Sobald du aber gar keinen Frieden erhältst und in Ungewißheit über die Gnade Gottes in der Welt nicht leben kannst, oder sobald du gar keinen Trost in dir, deiner eigenen Bekehrung, deiner Reue, deinem Gebet erhalten kannst, sondern so, wie du bist, zur freien Gnade in Christus fliehen mußt, dann ist deine Bekehrung rechter Art; denn sie erfüllt ihren Zweck, der darin besteht, dich zu Christus zu treiben. In ihm bist du errettet und selig, – du bist in der Freistadt.
„Wer den Sohn Gottes hat, der hat das Leben.“
Wenn deine Sündenerkenntnis rechter Art ist, wirst du sie nicht so finden, wie du es möchtest; denn dann erhieltest du Trost in derselben, dann erhieltest du Trost in etwas in dir Vorhandenem, und all solcher Trost sollte dir ja genommen werden. Die rechte Bekehrung ist also, unzufrieden mit seiner Bekehrung zu sein, ja, ein solches Gefühl der Härte, der Sicherheit, des innersten und tiefsten Verderbens zu haben, daß du gründlich genötigt wirst, nicht dem flüchtigen Gefühl, sondern deiner vollen Überzeugung nach dich selbst als hart, sicher, gottlos, verloren und verdammt zu richten. Dann erst erhält Christi Blut allein die Ehre, dich zu erretten.
Wenn du also fragst, wieviel Sündengefühl erforderlich ist, dann kann man dir nur antworten: „Es ist nicht viel, nämlich nur so viel, dass du nicht ohne Christus leben und keine Ruhe erhalten kannst, bevor du nicht in Ihm selig bist. Mehr braucht es nicht, aber auch nicht weniger.“ Es ist auch ein Irrtum, zu glauben, daß die Sündennot zuerst ihre Zeit vor dem Glauben haben solle, und darauf käme dann die Zeit für Glaube, Friede, Freude und lauter Heiligkeit. Fange nur an, an Christus zu glauben und folge ihm in der täglichen Bekehrung, dann wirst du die Sünde wahrlich mehr fühlen müssen als zuvor.
Einer der feinsten und stärksten Kunstgriffe des Teufels ist darum folgender: Einem Menschen, der im allgemeinen dem ganzen Wort Gottes glaubt und außerdem ernstlich die Kraft desselben im Herzen und im Wandel sucht, der aber eine schwere Sünde auf dem Gewissen hat, flößt der Teufel folgende Gedanken ein:
„Zwar ist das Evangelium wahr und die Gnade groß, und die Sünden sind getilgt, so daß Sünder im allgemeinen Gnade erhalten können; aber – mit dir verhält es sich ganz anders, denn du bist dir ja selbst dessen bewußt, was du getan hast. Wenn nur dies oder jenes nicht gewesen wäre (zum Beispiel eine der stummen oder rufenden Sünden gegen das fünfte, sechste oder siebente Gebot), dann hättest du Gnade erhalten können, jetzt aber ist bei dir eine besondere Ausnahme.“
Gerade dies ist der giftigste Kunstgriff der alten Schlange, des Teufels, der ein „Lügner und Mörder von Anfang“ ist. Denn die Wahrheit ist doch, daß es keine Ausnahme, kein besonderes Verhältnis gibt, wo Christi Blut nicht reichlich und mächtig versöhnt, wenn es von einem notleidenden Sünder mit dem Glauben umfaßt wird. Es ist gerade der vornehmlichste Inhalt des Evangeliums, der sowohl mit Worten als auch mit Beispielen durch das Alte und Neue Testament hindurch bestätigt wird, daß,
„wenn deine Sünden auch blutrot sind, so sollen sie doch schneeweiß werden, und wenn sie gleich sind wie Rosinfarbe, sollen sie doch wie Wolle werden.“
König David, der Ehebruch und Mord beging, Manasse und der Übeltäter am Kreuz, die große Sünderin, der verleugnende Petrus und viele andere sind überzeugende Beispiele dafür. Ja, gerade für solche schrecklichen Fälle, denen niemand weder im Himmel noch auf Erden abhelfen kann, ist Gottes Sohn Mensch geworden, hat Er geblutet und ist Er gestorben, auf daß ein jeder, der an Ihn glaubt, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben soll.
Im Evangelium Vergebung nur erschallet,
Wird’s Herz darüber froh,
so daß es widerhallet
Mit Amen, Lob und Freud‘,
ist die Bekehrung wahr,
Und Fluch und Not und Leid
verschwand auf immerdar.