Psalm 86, 11 (Starck)

Weise mir, HERR, deinen Weg, daß ich wandle in deiner Wahrheit; erhalte mein Herz bei dem einen, daß ich deinen Namen fürchte. (Psalm 86, 11)

Es ist dieses Leben nichts anders, als ein Weg; wenn wir geboren werden, so treten wir ihn an, und wenn wir sterben, so hört mit dem Leben der Weg auf, und wir treten in die Ewigkeit. Hier gilt es, was wir für einen Weg in diesem Leben gehen. Gehen wir einen guten Weg des Glaubens, der Frömmigkeit und Gottesfurcht, so endigt sich derselbe zu der Himmels-Herrlichkeit. Gehen wir aber den breiten Weg des Unglaubens, Bosheit, Gottlosigkeit, so endigt er sich zur Hölle, in der ewigen Verdammnis.

Wenn nun das ein Christ erwägt, so soll er sich

1) vorstellen, wie er in diesem Leben zwei Wege vor sich habe, den schmalen Himmelsweg und den breiten Höllenweg, aber er soll mit allem Fleiß den Himmelsweg gehen.

2) Damit er aber darauf treten und bleiben möge, so soll er fleißig Gott um seine Regierung und Führung anflehen, daß er ihn leiten und regieren wolle.

3) Bittet er Gott um sein heiliges Leiten und Regieren, so muß er nicht viel neben oder um sich sehen, wie andere Welt-Menschen leben, und was sie für Wege gehen; denn wenn er denen will nachgehen und nachfolgen, so hört Gottes Geist auf, ihn zu leiten, ja er weicht gar von ihm.

4) Wie nun ein Wandersmann einen Geleitsmann vonnöten hat, der ihm den rechten Weg weise: also bedarf auch ein gläubiger Christ, daß ihm Gottes Geist den rechten Weg zeige, den er wandeln soll. Hiezu aber gehört die Einwohnung des heiligen Geistes im Herzen, daß es von ihm heiße: „Wisset ihr nicht, daß ihr Gottes Tempel seid, und der Geist Gottes in euch wohnet?“ – 1. Kor. 3, V. 16. Hat man aber diesen treuen Geleitsmann in sich und bei sich, so wird er auch die Gedanken, Zunge, Sinnen und Begierden regieren.

5) Dieser heiligen Regierung widersetzt sich der gläubige Christ nicht, sondern läßt sich führen, ermuntern und leiten, und ist versichert, daß er wird wohl geführt werden, hie zeitlich und dort ewig.

O selige Führung! Wohl dem, der Gott zum Führer hat.

HErr Jesu, führe mich,
So lang ich leb‘ auf Erden,
Laß mich nicht ohne dich
Durch mich geführet werden!
Führ‘ ich mich ohne dich,
So bin ich leicht verführt;
Wo du mich aber führst,
Tu ich, was mir gebührt.

Amen.

(Johann Friedrich Starck)

Quelle:

Johann Friedrich Stark’s, weil. evang. Predigers und Konsistorialraths zu Frankfurt a. M., Tägliches Handbuch in guten und bösen Tagen, enthaltend Aufmunterungen, Gebete und Gesänge für Gesunde, Betrübte, Kranke und Sterbende; ferner Sprüche, Seufzer und Gebete, den Sterbenden vorzusprechen, mehrere Festandachten, Buß=, Beicht=, Communion= und Wetter=Gebete, Trost- und Erquickungs=Gebete und Gesänge, wie auch Kriegs=, Theurungs=, Pest= und Friedens=Gebete, nebst einem Gebetbüchlein für Schwangere, Gebärende, Wöchnerinnen und für Unfruchtbare. Neue wohlfeile Ausgabe in großem Druck. 31. Stereotypdruck. Mit dem Bildniß des sel. Verfassers und vier weiteren Bildern. Stuttgart. Druck und Verlag von J. F. Steinkopf, ca. 1870. [Seite 54ff. Digitalisat]

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Eingestellt am 20. November 2023