Psalm 102, 1: Gebet für Betrübte

Ein Gebet des Elenden, so er betrübt ist und seine Klage vor dem HERRN ausschüttet. HERR, höre mein Gebet und laß mein Schreien zu dir kommen!
(Psalm 102, 1)
starck.GIF (53237 Byte)Du gütiger und freundlicher Gott! du weißt und siehst, wie mein Herz betrübt ist, es liegt auf demselben ein schwerer Stein, den ich nicht abwälzen kann, eine harte Last, die ich kaum tragen kann. Darum komme ich zu dir, o allmächtiger Gott! Ich schütte mein Herz aus vor dir, der du meine Zuversicht bist, ich werfe mein Anliegen von mir auf dich, und bitte dich, du wollest mich versorgen, mich erretten, mir beistehen. Das von Wellen herumgeworfene Schifflein hält sich an den Anker, und ich halte mich an dich, lebendiger und starker Gott; das gejagte Wild eilt zu den Bergen, und ich hebe meine Augen auf zu dir, o mein Fels, mein Erretter und mächtiger Schutzherr! Ich will nicht verzagen, ich weiß, daß du ein allmächtiger Gott bist, du kannst helfen, dir ist nichts unmöglich; darum, Herr, hilf mir, so ist mir geholfen, sprich nur ein Wort, so weicht meine Bekümmernis, so erlange ich Hilfe. Ach mein Gott! ich weiß, du bist barmherzig, darum erbarme dich jetzt auch über mich Elenden; du weißt meinen Schmerz, erkennst mein Herz, hast du mir’s aufgelegt, so hilf mir’s auch tragen. Ich weiß, du bist ein weiser Gott, du wirst Mittel und Wege wissen, die mir jetzt unbekannt sind. Ach! Zeige mir ein Trostbrünnlein, wie dort der weinenden Hagar, sage mir Hilfe zu, wie ehemals der betrübten Witwe, hilf mir, wie dort dem verlassenen Elisa, und beweise deine große Güte an mir, wie an dem gefangenen Petro. Laß die Bande meines Elendes und Jammers von meinem Herzen fallen. Laß dein Freudenlicht in mir aufgehen, dadurch du mich versicherst : Ich will dich nicht verlassen, ich will dich nicht versäumen; ich habe dich einen kleinen Augenblick verlassen, aber mit ewiger Gnade will ich mich über dich erbarmen. Ich weiß, du bist ein treuer Gott, der noch keinen verlassen hat, darum wirst du mich auch nicht verlassen. O ! siehe, Herr, mein Gott! wie hier eine elende und hilflose Seele vor deinem Gnadenthron lieget, sende mir Hilfe vom Heiligtum, und stärke mich aus Zion. Herr, ich lasse dich nicht, du segnest mich denn.

Mein Gott und Vater! wenn du mir nicht hilfst, wer soll mir dann helfen? Auf dich bin ich geworfen von Mutterleibe an, da hast du mich in die Arme deiner unermüdeten Barmherzigkeit genommen, und bisher darin getragen, ach! Darum laß mich auch jetzt darin Hilfe finden. Ich schreie dir so lange nach, bis du sprichst: dir geschehe, wie du willst. Ach Gott! erhör‘ mein Seufzen und Wehklagen, laß mich in meiner Not nicht gar verzagen, du weißt meinen Schmerz, erkennst mein Herz, hast du mir’s aufgelegt, so hilf mir’s tragen.

Amen.

Aus: Johann Friederich Starcks … Tägliches Handbuch in guten und bösen Tagen

Johann Friederich Starck, Evangelischer Prediger und Consistorialis zu Franckfurt am Main: Tägliches Hand-Buch in guten und bösen Tagen, enthaltend Aufmunterungen, Gebete und Gesänge, nebst mehreren Festandachten, S. 214ff. Philadelphia, Verlag von J. Kohler, No. 202, Nord Vierte Straße, 1870