Bleib von Furchten unberühret (Knapp)

Bleib‘ von Furchten unberühret ,
Wenn dein Gott, wie sich’s gebühret ,
Dich durch Trübsalswogen führet!

Aus der Nacht umflortem Grunde
Steiget mit der Sonn‘ im Bunde
Auf die gold’ne Morgenstunde.

In der Muschel düst’rer Klause ,
In des Ozeans Gebrause
Ist die Perle still zu Hause.

Lang und ärmlich muß sie liegen ,
Bis sie sich, an’s Licht gestiegen ,
Darf in einer Krone wiegen.

Aus der Erde dunkeln Schollen
Blühen auf die seelenvollen
Rosen, Gott ihr Lob zu zollen.

Durch der Buße leisen Jammer
Springet die Gesetzesklammer
Von der Gnade Freudenkammer.

Denn der Abend hat viel Zähren;
Morgens wird die Freude währen
Und in Jauchzen sie verklären.

Heißt dich Gott durch’s Wasser schreiten ?
Glaube fest: er wird dich leiten,
Feste Dämme dir bereiten.

Heißt er wandeln dich durch’s Feuer,
Und ist Trost und Labsal teuer ?
Er ist bei dir, dein Getreuer!

Glut und Flut, sie muß dich waschen,
Nicht verbrennen dich zu Aschen,
Nicht als Sündflut dich erhaschen.

Jesus hat für dich gelitten,
Darum stehet er inmitten
Zwischen Gott und deinen Bitten.

Er verstehet, was du meinest,
Er empfindet’s, wenn du weinest
Und mit Leid vor ihm erscheinest.

O wie süß ist’s, ihm zu trauen,
Den nach schweren Todesgrauen
Dort die Jünger durften schauen,

Als er zur verschloss’nen Pforte
Seinem armen Volk zum Horte
Eintrat mit dem Friedensworte!

Freu‘ dich, wenn du ihn vermissest,
Aber seiner nicht vergissest
Und dein Brot mit Tränen issest!

Er wird über dir erwachen,
Deines Gram‘s ein Ende machen,
Daß du wirst vor Wonne lachen!

Liedtext: Albert Knapp (1798-1864)

Quelle: Geistliche Lieder, S. 170f. Von Albert Knapp. In einer Auswahl. Stuttgart, Verlag der J. G. Cotta’schen Buchhandlung. 1864. [Digitalisat]

Eingestellt am 30. März 2022