Und der sechste Engel goß aus seine Schale auf den großen Wasserstrom Euphrat; und das Wasser vertrocknete, auf daß bereitet würde der Weg den Königen vom Aufgang der Sonne. (Offb. 16, 12 LUT)
Die sechste Schale bringt ein Gericht, das gar nicht wie eine Plage sich ansieht, in Wirklichkeit aber die letzte furchtbare Entscheidung zubereitet, indem sie die Völker des Antichrists zum Schlachttag Jehovas versammelt. Das alte Babylon, die große Stadt, der Sitz der Weltmacht, die einst das Volk Israel bekriegte, unterwarf und knechtete, lag am großen Strom Euphrat. Dieses Babylon gibt das Bild für die Welthauptstadt, die Johannes in der Zukunft schaut. So hat denn auch der Euphrat seinen Platz im Bild.
Zu Zeit des Johannes bedeutete zudem der Euphrat eine starke Scheidung zwischen den Völkern; dort endete das römische Weltreich. Nun schaut der Seher, wie keine Grenze mehr die Könige [d.h. Herrscher] der Erde hindert, auch aus der entlegensten Ferne zum Mittelpunkt des Weltreichs zu gelangen, um sich dort mit dem Weltherrscher und seinem Heer zu dessen Kriegszug zu vereinigen. Gott selbst bereitet ihnen den Weg, denn es ist der Weg, der sie alle miteinander in das von Gott beschlossene Gericht hineinführt. Der Satan selbst, der „Drache“, und sein Werkzeug, der antichristliche Herrscher, das „Tier“, und der „falsche Prophet“, der im Dienst des Tiers den Geist der Völker zu bestimmen versteht, diese drei vereinigen sich, alle Kräfte des antichristlichen Reiches zum Kampf aufzubieten. Wie „Frösche“ sieht Johannes es aus ihrem Munde hervorkommen: den satanischen Geist der Gottesfeindschaft, den antichristlichen Geist der Christusfeindschaft und den Lügengeist des [falschen] Propheten.
Von diesen „Fröschen“ sagt ein Erklärer:
„Im Schlamme geboren, im Schlamme lebend, aus dem Schlamme auftauchend, an sich klein, machtlos, elend, erbärmlich; aber lautes, weithin tönendes Geschrei machend und dabei sich höchlich aufblähend: das sind die im Frosche so seltsam verbundenen Züge. wer von ihnen besessen ist, der wird also den Geist und die Art eines unflätigen, innerlich hohlen, gemeinen und nichtigen, aber höchst großmäuligen, aufgeblähten Schreiers haben und durch dieses sein Geschrei die gottverlassenen Menge besessen machen und mit dem gleichen Geiste erfüllen“.
[Wer wird bei dieser Beschreibung nicht an Hitlers Propagandaminister Dr. Joseph Goebbels denken? – eine eindrückliche Vorschattung des falschen Propheten; Anm. des Bearb.]
Man möchte beifügen: so wie wir es im großen Weltkrieg reichlich erlebt haben. Aber erschöpft ist damit noch nicht, was diese Geister sind und vermögen. Es sind dämonische Mächte, die sich wirksam erweisen nicht nur mit dem Munde, sondern durch Zeichen und Wunder „mit allerlei Lügenkräften“ (2. Thess. 2, 9; Matth. 24, 24). Sie wiegeln auf zum großen Krieg, sie versammeln dem Antichrist die ungeheure Streitmacht.
Aber wer gegen wen? Noch steht das Häuflein, das der Seher 14, 1 auf Zion um das Lamm geschart schaute, als unüberwundener Protest gegen des Tieres Allgewalt da. Diesen letzten Widerstand zu besiegen, ergeht das ungeheuerliche Aufgebot. Das haben sie im Sinn und wissen nicht, daß nach Gottes Ratschluß sie zum großen Tag Gottes, des Allmächtigen, sich versammeln müssen, zum Gerichte ihrer eigenen Vernichtung.
Unvermittelt und die Lage wie ein Blitz vom Himmel beleuchtend fällt hier Jesu Stimme ein, seine Gemeinde tröstend und mahnend. Plötzlich, wo niemand an ihn denken wird, wird er selbst rettend und strafend eingreifen. Selig, wer das Kleid der Gerechtigkeit, das ihm sein Herr erworben und geschenkt hat, nicht befleckt oder verliert, sondern in wachem und ausharrendem Glauben den Stand der Begnadigung festhält, seines Herrn allzeit gewärtig.
Nun hatt Gottes Fügung die Kriegsvölker des Antichrists an den Ort versammelt, der hebräisch Ar Mageddon, d. h Stadt Megiddo heißt *). Dorthin versammelte einst der Hauptmann Sisera die ganze Streitmacht seines Königs, Jabin von Hazor, der Israel 20 Jahre lang „mit Gewalt gezwungen hatte“. Und dort wurde diese ganze Streitmacht vernichtet, „daß nicht einer übrig blieb“. Damals sang Debora ihr berühmtes Triumphlied (Richt. 5), das sie mit dem Rufe schloß:
„Also müssen umkommen, HERR, alle deine Feinde! Die ihn aber liebhaben, müssen sein, wie die Sonne aufgeht in ihrer Macht!“ (Richt. 5, 31)
Ein solcher Tag, wie er dort Jabins Heer getroffen hat bei Megiddo, ist von Gott über das Heer des Antichrists beschlossen; das will das Bild sagen.