Gabriel Biel (vor 1410 – 1495)

Gabriel Biel (* vor 1410 in Speyer; † 29. November 1495 in Einsiedel bei Tübingen) [1], scholastischer Philosoph, seit 1484 Professor der Philosophie und Gründungsmitglied der Universität Tübingen. Von seinen Zeitgenossen „der letzte Scholastiker“ genannt, führte er den Nominalismus Wilhelms von Ockham zu systematischer Entwicklung fort und übte über den Augustiner-Regens Johannes August Ernst Nathin auf Luther und Melanchthon großen Einfluß aus.

Leben

Frühe Jahre und universitäre Ausbildung

Biel entstammte wahrscheinlich einer gut situierten Handwerker- oder Handelsfamilie, die ursprünglich in Heidelberg ansässig war [2]. Zunächst war er vor dem Jahre 1432 primissarius (Frühmessner) an der Kapelle der Zehntausend Märtyrer, der Sankt Peterskirche zu Speyer  (Gabriel Bihel, primissarius altaris X milium martirum in capella s[ancti] Petri Spyrensi) tätig. Als er im Sommersemester 1432 die Universität bezog, war er als Frühmesser bereits zum Priester geweiht. Er müßte also, im Hinblick auf diese Ordination, etwa 1408 geboren worden sein [3].

Gabriel Biel studierte in Heidelberg (immatrikuliert am 13. Juli 1432, Baccalarius am 21. Juli 1435) und Erfurt (immatrikuliert zu Ostern 1451). Am 25. Mai 1453 wurde er an der alten Universität Köln aufgenommen.

Zeit als Propst und Hochschullehrer

Nach einer Zeit als Domprediger am Hohen Dom zu Mainz (1457 bis 1466) wurde er zunächst Propst des Brüderhauses St. Markus in Butzbach. Den Brüdern vom gemeinsamen Leben (auch „Kugelherren“ genannt) blieb Biel zeitlebens verbunden.

Beeinflußt von Biel berief Eberhard III. von Eppstein-Königstein († 1475) im Jahr 1466 die Brüder vom gemeinsamen Leben nach Königstein im Taunus [4]. 1479 wurde er zum Propst der Kirche in Urach ernannt. Graf Eberhard im Bart von Württemberg berief ihn 1476 zur Mitarbeit an der Kirchenreform in seinem Land. Biel beteiligte sich an der Gründung der Universität Tübingen (1477). Dort wurde er am 22. November 1484 auf den ersten Lehrstuhl der via moderna berufen und blieb bis zu seinem Tod das prominenteste Mitglied seiner Fakultät. 1485 und 1489 war er Rektor der Universität. Wendelin Steinbach und sein Bruder gingen mit ihrem Propst Biel nach Württemberg und gehörten ebenfalls dem dortigen Stiftskapitel an.

1492 wurde Biel auf besonderen Wunsch von Graf Eberhard von Württemberg Leiter des neugegründeten Brüderhauses St. Peter auf dem Einsiedel bei Tübingen [5], wo er 1495 starb und auch begraben wurde.

Werke

  • Epitoma Expositionis sacri canonis Missae. Konrad Hist, Speier ca. 1500. (Digitalisat)
  • Sacri canonis Missae expositio resolutissima literalis et mystica („Gründliche wörtliche und mystische Auslegung des heiligen Meßkanons“). Basel 1510 (digital)
  • Epitome expositionis canonis Missae („Kurzfassung der Auslegung des Meßkanons“). Antwerpen 1565
  • Sermones („Predigten“). Augsburg 1519/20 (digital)
  • Collectorium sive epitome in magistri sententiarum libros IV („Sammelband bzw. Kurzfassung zu den vier Büchern des Sentenzenmeisters“). Brixen 1574
  • Tractatus de potestate et utilitate monetarum („Abhandlung von der Macht und dem Nutzen der Währungen“). Oppenheim ca. 1515 (digital)

Literatur

  • Friedrich Wilhelm BautzBiel, Gabriel. In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL). Band 1, Bautz, Hamm 1975. 2., unveränderte Auflage Hamm 1990, ISBN 3-88309-013-1, Sp. 584–585.
  • Irene Crusius: Gabriel Biel und die oberdeutschen Stifte der Devotio moderna. In: Publication du centre Européen d’études Bourguignonnes (XIV–XVI s.) 29, 1989, S. 77–87.
  • Werner Dettloff: Gabriel Biel. In: Theologische Realenzyklopädie. Walter de Gruyter, Berlin 1980, ISBN 3-11-008115-6, S. 488–491
  • Gerhard Faix: „Kein Mönch zu sein und dennoch wie ein Mönch zu leben“. Die Brüder vom gemeinsamen Leben in Herrenberg. In: Roman Janssen, Harald Müller-Baur (Hg.): Die Stiftskirche in Herrenberg 1293–1993, Herrenberg 1993, ISBN 3-926809-06-X (= Herrenberger Historische Schriften, Bd. 5), S. 51–78.
  • Gerhard Faix: Gabriel Biel und die Brüder vom Gemeinsamen Leben. Quellen und Untersuchungen zu Verfassung und Selbstverständnis des Oberdeutschen Generalkapitels. Mohr Siebeck, Tübingen 1999, ISBN 3-16-147040-0 (zugl. Dissertation, Universität Stuttgart 1996).
  • Georg von Hertling: Biel, Gabriel. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 2, Duncker & Humblot, Leipzig 1875, S. 622 f.
  • Erwin Iserloh: Biel, Gabriel. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 2, Duncker & Humblot, Berlin 1955, ISBN 3-428-00183-4, S. 225 f. (Digitalisat).
  • Wolfgang Leesch, Ernest Persoons, Anton G. Weiler (Hrsg.): Monasticon Fratrum Vitae Communis, Teil II: Deutschland. Brüssel 1979 (= Archives et Bibliothèques de Belgique / Archief- en Bibliotheekwezen in Belgie, Numéro Spécial – Extranummer 19).
  • Hendrik Mäkeler: Nicolas Oresme und Gabriel Biel. Zur Geldtheorie im späten Mittelalter. In: „Scripta Mercaturae. Zeitschrift für Wirtschafts- und Sozialgeschichte“ 37 (2003) 1, S. 56–94.
  • Detlef Metz: Gabriel Biel und die Mystik. Steiner, Stuttgart 2001, ISBN 3-515-07824-X (zugl. Dissertation, Universität Tübingen 1999).
  • Heiko Augustinus Oberman: Spätscholastik und Reformation. Band 1: Der Herbst der mittelalterlichen Theologie. Aus dem Englischen übersetzt von Martin Rumscheid und Henning Kampen. Mohr Siebeck, Tübingen 1965, ISBN 3-16-129542-0.
  • Johannes Maria Verweyen: Das Problem der Willensfreiheit in der Scholastik; auf Grund der Quellen dargestellt und kritisch gewürdigt. Carl Winter, Heidelberg 1909, S. 243–253 [1]

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Gerhard Faix: „Kein Mönch zu sein und dennoch wie ein Mönch zu leben“ …, S. 52 bzw. 57.
  2. Gerhard Faix: Gabriel Biel und die Brüder vom Gemeinsamen Leben: Quellen und Untersuchungen zu Verfassung und Selbstverständnis des Oberdeutschen Generalkapitels. Bd. 11 Spätmittelalter und ReformationMohr Siebeck, Tübingen 1999, ISBN 978-3-1614-7040-0, S. 33
  3. GABRIELIS BIELGRATIARUM ACTIO UND ANDERE MATERIALIEN ZU EINER TESTIMONIEN-BIOGRAPHIE BEZÜGLICH SEINER UNIVERSITÄTSJAHRE IN HEIDELBERG, ERFURT, KÖLN (UND TÜBINGEN) aus Handschriften der Universitätsbibliothek Gießen mitgeteilt und erläutert von Wolfgang Georg Bayerer UB Gießen.
  4. Beate Großmann-Hofmann; Hans-Curt Köster: Königstein im Taunus. Geschichte und Kunst, Königstein i. Ts. 2010, ISBN 978-3-7845-0778-1, S. 19.
  5. Werner Dettloff: Gabriel Biel. In: Theologische Realenzyklopädie, S. 489
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Eingestellt am 15. Juni 2022