Psalm 33, 6+9

Der Himmel ist durch das Wort des HERRN gemacht und all sein Heer durch den Geist seines Mundes. (Psalm 33, 6)

Denn so er spricht, so geschieht’s; so er gebeut, so stehet’s da. (Psalm 33, 9)

Es ist nicht müßiges Spiel, wenn wir fragen, woher die Dinge kommen. Wir sollen in der Welt heimisch werden; sie bliebe uns aber fremd, wenn uns ihr Ursprung nur ein Rätsel wäre. Bliebe uns die Herkunft der Welt dunkel, so wüßten wir auch nicht, woher wir kommen; denn wir sind ein Teil der Natur. Ungefährlich ist aber die Bahn nicht, auf der wir unsere Gedanken dann wandeln lassen, wenn sie uns den Anfang der Dinge deuten sollen. Wie oft war das Ergebnis dieser Wanderung ein phantastisches Gebilde, ein Weltbild, das Gott verbirgt! Es kann nichts anderes entstehen, wenn unser Denken unserer Eigensucht dient, die nach der Macht über die Welt begehrt.

Da wir die Dinge dann beherrschen, wenn wir sie begreifen und ihre Entstehung kennen, stellt es sich dem selbstischen Willen als ein lockendes Ziel dar, in den Ursprung der Dinge einzudringen. Ist es nicht der höchste Erweis der menschlichen Größe, wenn wir imstande sind, die Welt von oben herab zu betrachten als die, die wissen, was sie ist und wie sie ward? Ist nicht das das Mittel, durch das wir uns ihrem Druck entziehen? Allein – die Welt entstand durch das göttliche Schaffen und dieses ist etwas völlig anderes als das, was wir Menschen können, und bleibt darum unserem Begreifen gänzlich verschlossen.

Der Anfang der Welt ist, weil sie Schöpfung ist, ein Wunder, und dieses verlangt von uns die Beugung, die uns still macht und unser Denken zügelt. Wird uns deshalb die Welt zum Rätsel, das uns plagt, zur Fremde, in der es uns nicht wohl sein kann? Nein, sagt der Psalmist mit frohlockendem Jubel. Auch er fragt die Welt, woher sie komme, und er fragt nicht umsonst, sondern hat eine Antwort, die einzige, die sich hier geben lässt, die ganz gewisse. Denn er kennt Gott und kennt sein Wort, die unerschöpfliche Fülle der Gedanken, die nicht nur Gedanken bleiben, sondern mit der wirksamen Macht geeinigt sind. Daher weiß er, woher die Dinge kommen, auch die, die in erhabener Höhe über dem Menschen stehen wie das leuchtende Himmelsheer. Nun endet die Furcht und Flucht vor der Natur. Weil sie das Werk des göttlichen Wortes ist, sind wir in ihr daheim; denn jede Berührung mit ihr bringt uns eine Begegnung mit Gott und seinem schaffenden Wort.

Nicht dazu bist Du, mein Schöpfer und Vater, der Wirker Deiner Werke, damit sie Dich mir verbergen, sondern damit ich sehe, wie wunderbar Du bist, und der schaffenden Macht Deines Wortes inne werde. Dasselbe Wort, das so spricht, daß es geschieht, gab mir mein Leben und gibt mir den zu dir emporgerichteten Blick, der Deine Gnade schaut. Ich will meiner Kleinheit bewußt werden im Blick auf Deine Größe und an Deiner Größe messen, was Dein gnädiges Wort mir schenkt.

Amen.

(Adolf Schlatter)

Quelle: Glaubensstimme – Die Archive der Väter

Verweise:

Licht und Recht. Schriften von H. F. Kohlbrügge (Archivfassung im Web Archive):
Eine Weckstimme vor und nach dem Kriege – Der 33. Psalm (pdf)


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Eingestellt am 7. August 2023