6 Und da sie die Insel durchzogen bis zu der Stadt Paphos, fanden sie einen Zauberer und falschen Propheten, einen Juden, der hieß Bar-Jesus; 7 der war bei Sergius Paulus, dem Landvogt, einem verständigen Mann. Der rief zu sich Barnabas und Saulus und begehrte, das Wort Gottes zu hören. 8 Da widerstand ihnen der Zauberer Elymas (denn also wird sein Name gedeutet) und trachtete, daß er den Landvogt vom Glauben wendete. 9 Saulus aber, der auch Paulus heißt, voll heiligen Geistes, sah ihn an 10 und sprach: O du Kind des Teufels, voll aller List und aller Schalkheit, und Feind aller Gerechtigkeit, du hörst nicht auf, abzuwenden die rechten Wege des HERRN; 11 und nun siehe, die Hand des HERRN kommt über dich, und du sollst blind sein und die Sonne eine Zeitlang nicht sehen! Und von Stund an fiel auf ihn Dunkelheit und Finsternis, und er ging umher und suchte Handleiter. 12 Als der Landvogt die Geschichte sah, glaubte er und verwunderte sich der Lehre des HERRN. (Apostelgeschichte 13, 7 – 12)
Der erste Erfolg der Missionare.
Drei Stufen in der Bekehrung des Sergius Paulus.
1. Der nach Gottes Wort begehrende Landvogt.
Der erste von der Schrift berichtete wichtige Erfolg der Missionsreise bestand darin, dass
der Landvogt Sergius Paulus zum Glauben geführt wurde.
Laßt uns die Geschichte dieses Mannes näher anschauen! Wir sehen ihn zuerst als einen hoch emporgestiegenen, aber doch nicht ganz befriedigten Menschen. Sergius Paulus nahm auf der Insel Zypern die höchste Beamtenstellung ein. Er vertrat daselbst den
Herrscher des großen Weltreiches, den römischen Kaiser. Mit dieser Stellung war eine Fülle von Macht, Ehre und auch ein nicht geringes Einkommen verbunden. Tausende mögen ihn um seinen Rang und um sein Amt beneidet haben.
Aber alle Höhe und aller Glanz seiner Stellung vermochte das Herz dieses Menschen
nicht zu stillen. Er sehnte sich nach etwas anderem. Die heidnischen Religionen boten ihm
innerlich nichts, auch der an seinem Hofe wirkende jüdische Zauberer befriedigte sein
tiefstes Sehnen nicht.
Da hörte er von den Missionaren Barnabas und Saulus, die das Evangelium verkündigten. Das Verlangen, dies zu hören, erfaßte ihn. Er rief die Knechte Gottes zu sich und bat sie, ihn mit ihrer Heilsbotschaft bekannt zu machen. Das Verlangen dieses Mannes war nicht darauf gerichtet, fremde, interessante Persönlichkeiten kennenzulernen. Er begehrte nicht Barnabas und Paulus, sondern „das Wort Gottes zu hören!“
Dieser nach Seelenspeise verlangende Landvogt ist ein Beweis dafür, daß eine glänzende Laufbahn und irdische Ehrenstellung den tiefsten Hunger der Seele nicht stillen
können (Prediger 2, 1 – 11). Dies geschieht nur durch Gottes Wort (Psalm 119, 131).
2. Der zwischen zwei Einflüssen stehende Landvogt.
_ Kaum zeigte Sergius Paulus eine innere Neigung zum Evangelium, als auch schon ein Widerstand sich regte. Der am Hofe befindliche jüdische Zauberer Elymas machte sich auf, den Einfluß des göttlichen Wortes zu brechen.
_ Laßt uns auf das Ziel dieses gefährlichen Mannes achten. Er suchte nicht etwa den
Herrscher davon abzuhalten, etwas frömmer und besser zu werden. Aber mit aller Gewalt
suchte er ihn „vom Glauben“ zurückzuhalten. Unter keinen Umständen sollte er gläubig
werden. Während Barnabas und Saulus gerade den Weg des Glaubens als den einzig
richtigen Weg zeigten, „trachtete Elymas, daß er den Landvogt vom Glauben wendete“.
_ Wie wurde doch Sergius Paulus von zwei entgegengesetzten Einflüssen hin und her
gezogen! Hier hörte er das Evangelium von Paulus, dort die Kritik des Elymas. Von der
einen Seite empfing er Belehrung aus dem Himmel, von der anderen Seite Weisung aus
der Hölle. Hier machte sich die erleuchtende Macht des Wortes Gottes bei ihm geltend,
dort die verblendende Kunst der Zauberei.
_ So stehen Seelen auch heute noch oft zwischen zwei Mächten. Ein Ahab schwankt
zwischen Elias und Isebels Einfluß (1. Könige 18, 18 – 21; 19, 1). Ein Herodes hört jetzt auf
Johannes, dann auf Herodias (Markus 6, 20ff.). Pilatus schaut jetzt auf den stillen Heiland, dann auf die laute, fordernde Masse (Johannes 19, 4 – 8.15).
Noch heute baut die Weisheit ihr Haus und ladet ein; die Torheit tut dasselbe (Spr. 9,1ff.,
13ff.). Wenn auch nicht alle auf der einen Seite einen Apostel, auf der anderen einen
Zauberer haben, so werden doch alle früher oder später in irgendeiner Weise hier nach
der Seite des Glaubens, dort nach der Seite des Unglaubens gezogen. Wo ein Pauluszeuge
zum Glauben an Jesus ruft, da wird sich bald auch ein Elymas zeigen, der vom Glauben
abwenden will.
3. Der von der Wahrheit überzeugte und glaubende Landvogt.
Nicht lange blieb der Landvogt zwischen zwei Einflüssen stehen. Gott selbst kam dieser nach Wahrheit dürstenden Seele zur Hilfe. Er ließ ihn etwas sehen von der göttlichen
Macht, die über alle Zauberkräfte weit erhaben ist (2. Mose 8,14.15.18.19). Aus der
Niederlage des Zauberers erkannte Sergius Paulus deutlich, auf welcher Seite die Wahrheit
liege. Er kam zur vollen Glaubensüberzeugung (2. Mose 14, 31b; Psalm 106, 12).
„Als er sah, glaubte er“. Aus diesem Wort darf niemand das Recht ableiten, erst etwas sehen zu müssen, bevor er glauben wolle (Johannes 20, 29; Ebräer 11,1). Wohl aber darf man aus dieser Begebenheit lernen, daß Gott aufrichtig verlangende Seelen nicht im Dunkeln lassen, sondern ihnen zum Licht und zur vollen Klarheit hindurchhelfen will.
Laßt uns achten auf ein wichtiges Kennzeichen dafür, daß der Landvogt zu echtem
Glaubensleben erwacht war! Als dieser auf die Seite der Wahrheit trat und glaubte,
bewunderte er nicht etwa die großen Gottesmänner, die ihm innerlich gedient hatten,
sondern „staunte über die Lehre des Herrn“ (wörtliche Übersetzung). Es verband sich also
mit seinem Glauben die größte Bewunderung der Lehre vom Heiland.
Es ist immer bedenklich, wenn Glaubensanfänger sich mit allzu großer Verehrung an die
Werkzeuge hängen, durch die sie gesegnet wurden. Dagegen ist es erfreulich, wenn
dieselben wie Sergius Paulus mit unbegrenzter Hochachtung vor der herrlichen, nie zu
erschöpfenden Lehre vom Herrn Jesus erfüllt werden (1. Korinther 3, 21; Psalm 56, 5a; 93, 5a).
Quelle:
P. Alfred Christlieb†, Der Apostel Paulus, S. 85 – 88.
Druck und Verlag: Adolf Reuter, Wiehl (Bez. Köln), 1936.
Mit einem Vorwort von Karl Stegemann.
Verweise:
Predigtskript zu Apostelgeschichte 13, 4-12 (J. Fischer, Berlin, pdf-Download bei frogwords.de)
Übersicht: Apostelgeschichte des Lukas – Apostelgeschichte 13