Und ob ich schon wanderte im finstern Tal, fürchte ich kein Unglück; denn du bist bei mir, dein Stecken und dein Stab trösten mich. (Psalm 23, 4)
Die Losung spricht vom finstern Tal. Wir sind auch heute auf eine schmerzliche Weise ans finstere Tal erinnert worden. Ein uns fast allen wohlbekannter teurer lieber Bruder in Straßburg (Herr Mausch) wird heute Mittag um 3 Uhr ins Grab eingesenkt, – war nur 24 Stunden lang krank! Der HErr hat ihm schnell durchs finstere Tal geholfen. Er ist im Glauben gestanden, und hat viel in allerlei christlichen Vereinen Straßburgs gewirkt, auch große Liebe zu unsrem Hause, schon in den Tagen Möttlingens, gehabt. Er wird mir und vielen in Straßburg unvergeßlich bleiben. – Gottlob. daß der HErr auch für uns durch’s finstere Tal gegangen ist; und Er hatte es zuvor finsterer, als es nur ein Mensch haben kann. Fühlte Er sich doch selbst von Gott verlassen, wiewohl Er auch unter dieser Verlassenheit doch noch rufen konnte und nicht davon abließ: „Mein Gott, mein Gott!“
In Stunden der Verlassenheit sich nicht verlassen lassen, – versteht ihr’s? – in Stunden der Verlassenheit sich vom lieben Gott nicht verlassen lassen, das ist besonders wichtig, daß wir es lernen, – und der Heiland lehrt’s uns. Auf ein Tüpfelchen, kann man sagen, kam bei Ihm alles an. „Eli, Eli.“ rief Er, und dieses hebräische Wort „Eli“ ist zusammengesetzt aus „El“, d. h. Gott, und „I“, d. h. „mein“; und letzteres wird nur mit einem Tüpfelchen oder Strichlein geschrieben. Aber mit diesem Tüpfelchen behielt Er den Faden bis zum Herzen seines Vaters. Denket an den Glauben, wie ein Senfkorn, was auch wir mit dem, nach der Versicherung des HErrn, auszurichten vermögen. Aber so mußte Er durch, und so hat Er sich auch durchgekämpft im Glauben (Hebr. 12, 2), und ist damit unser Retter geworden. Weil Er hindurchgekommen ist, hat Er das Recht, uns auch hindurchzubringen; und für uns wird’s nur dann schwer, wenn das eigene Gewissen trostlos machen will. Ja, das kann’s schwer machen. Aber Er hat für uns geblutet; so darf auch das eigene böse Gewissen uns nimmer muthlos machen, wenn wir nur Ihn ansehen, annehmen und festhalten. „Dein Stecken und Stab trösten mich“, lesen wir; und wie kann doch der HErr JEsus uns Stecken und Stab werden.
Auch so lange wir hienieden wallen, geht es fortwährend durch Todesnöthen hindurch. Man gehe unter den Tröstungen des Kampfes JEsu ruhig, gelassen, seine Straße weiter, wenn auch geplagt, gepeinigt und bedrängt auf allerlei Weise. Nur Ihn, den gekreuzigten und Auferstandenen, nicht fahren lassen, Ihn als Stecken nehmen, mit dem man läuft, und als Stab, auf den man sich stützt, – und weiter, – Er führt zur Herrlichkeit!
Mel. Herzlich thut mich.
Wann ich einmal soll scheiden,
So scheide nicht von mir;
Wann ich den Tod soll leiden,
So tritt Du dann herfür,
Wann mir am Allerbängsten
Wird um das Herze seyn,
So reiß mich aus den Aengsten
Kraft Deiner Angst und Pein!
Andacht: Johann Christoph Blumhardt (1805-1880)
Liedvers: Paul Gerhardt (1607-1676), O Haupt voll Blut und Wunden
Quelle:
Andacht vom 3. April 1863 (Charfreitag), aus: Sammlung von Morgen=Andachten nach Losungen und Lehrtexten der Brüdergemeine, gehalten (in den Jahren 1862 und 1863) zu Bad Boll von Pfarrer Blumhardt. Für Freunde herausgegeben. Zweite, wenig veränderte Ausgabe. Zu haben in Bad Boll, 1873.
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