Da sie aber dem HERRN dienten und fasteten, sprach der heilige Geist: Sondert mir aus Barnabas und Saulus zu dem Werk, dazu ich sie berufen habe. Da fasteten sie und beteten und legten die Hände auf sie und ließen sie gehen. Diese nun, wie sie ausgesandt waren vom heiligen Geist, kamen sie gen Seleucia, und von da schifften sie gen Zypern.
Und da sie in die Stadt Salamis kamen, verkündigten sie das Wort Gottes in der Juden Schulen; sie hatten aber auch Johannes zum Diener. (Apostelgeschichte 13, 2 – 5)
Eine dreifache Siegesmacht, mit der die ersten Missionare auszogen.
Erste Siegesmacht: Die volle Gewißheit des göttlichen Auftrages.
_ Die Ausreise der ersten Missionare in die Heidenwelt war – menschlich angesehen – ein
tollkühnes, aussichtsloses Unternehmen. Was wollten dieses zwei einfachen Leute gegen
die Bollwerke des Heidentums ausrichten? Nirgends hatten sie einen menschlichen Schutz oder eine äußere Macht als Rückendeckung hinter sich. Wie wollten sie es denn wagen, gegen die Macht des Heidentums, das an den meisten Orten besonderen staatlichen Schutz genoß, den Kampf aufzunehmen?
_ Als einst David gegen Goliath ausziehen wollte, sagte Saul zu ihm: „Du kannst nicht
hingehen wider diesen Philister, mit ihm zu streiten“ (1. Sam. 17, 33). Ähnliche Worte hätte man wohl diesen ersten Missionaren zurufen können.
_ Wenn sie es trotzdem wagten, hinauszuziehen und den Kampf aufzunehmen, so
mußten sie etwas unter ihren Füßen haben, das die Welt mit ihren Augen nicht sehen,
geschweige denn einschätzen konnte, das aber wichtiger und stärker als alle menschlichen
Garantien und Machtmittel war. Dies war auch der Fall. Sie hatten eine dreifache
verborgene Siegesmacht auf ihrer Seite, die ihnen trotz aller eigenen Ohnmacht gewissen
Erfolg in Aussicht stellte.
_ Die erste gewaltige Siegesmacht, die sie auf ihrer Seite hatten, war die Gewißheit des
göttlichen Willens und Auftrages. Wenn irgend etwas bei dieser Missionsreise zweifellos feststand, dann war es die Tatsache, daß Gott einen klaren Wink und bestimmten Auftrag für die Ausreise dieser beiden Männer gegeben hatte. Wo bei einem Unternehmen im Reiche Gottes diese Gewißheit vorhanden ist, da ist die sicherste Grundlage für gewissen Erfolg gegeben. (Vergleiche 1. Mose 24, 27b; Apg. 5, 38b.39a; Spr. 19, 21).
_ Der Text sagt uns einiges Nähere darüber, wie diese Gewißheit des göttlichen Willens
zustande kam, und zwar: a) durch wen, b) zu welcher Zeit, c) mit welcher genaueren
Weisung dies geschah.
_ 1. Auf die Frage: D u r c h w e n entstand die felsenfeste Gewißheit?, wird uns
geantwortet: Sie wurde unmittelbar durch den Heiligen Geist gegeben („Sprach der Heilige Geist“). – Auf welche Weise der Geist Gottes diesen Befehl gab, ob er dies durch einen der im Vers 1 genannten prophetischen begabten und erleuchteten Männer tat, oder ob er auf andere Weise die wunderbar übereinstimmende Gewißheit bewirkte, ist nicht angegeben.
_ Wir wollen uns deshalb nur an die Tatsache halten, daß diese Weisung vom Heiligen Geist ausging. — Hier merken wir, dass die oberste Missionsleitung nicht in Menschenhänden liegt. Menschliche Missionsleitungen müssen sein; man kann sie nicht entbehren. Aber die letzte und höchste Leitung im Bau des großen Gottesreiches hat der Heilige Geist. Von ihm gehen die entscheidenden Weisungen aus. Er bestimmt, wann und durch wen die einzelnen Fortschritte im Reich Gottes geschehen sollen. Wohl allen, die auf ihn achten und ihm gehorchen! (Kap. 16, 6–10; 8, 26–29).
_ 2. Z u w e l c h e r Z e i t ging jene göttliche Weisung aus? Sie kam zu einer Stunde, wo die Brüder zu gemeinsamem Gottesdienst und vereinigtem Gebet beisammen waren. („Da sie dem Herrn Gottesdienst hielten und fasteten“, wörtliche Übersetzung). Eine Versammlung und Gebetsstunde wurde zur unvergeßlichen Geburtsstunde der Heidenmission.
_ Auch diese Zeit hat uns etwas zu sagen: Gott gibt sein Licht und seine göttlichen
Weisungen nicht immer im verborgenen Kämmerlein oder bei einsamem Schriftforschen.
Er kann auch ein Beisammensein gläubiger Christen dazu benützen. Deshalb gilt es, diese
Versammlungen nicht zu versäumen und zu verachten, sondern dankbar zu benützen. Gott spendet in denselben gar oft sein herrliches Licht und seinen besonderen Segen (Ebräer 10, 25; Psalm 133; Matthäus 18, 20; Johannes 20, 24.26).
_ 3. D e r g e n a u e r e I n h a l t des göttlichen Befehls gab den ausziehenden Missionaren die volle Gewißheit, dass jeder von ihnen für die bevorstehenden Aufgaben von Gott erwählt und bestimmt sei; daß ihre Verbindung untereinander und ihre Arbeitsgemeinschaft dem Willen und der Führung Gottes entspreche („Sondert mir aus Barnabas und Saulus“); und daß die Arbeit, welche geschehen sollte, gottgewollt sei („zu dem Werk, dazu ich sie berufen habe“).
_ Wie wichtig war doch dieses Bewußtsein für ihre Freudigkeit in der Arbeit! Wenn sie
einmal im Blick auf ihre eigene Schwachheit und Unzulänglichkeit von einem Gefühl der
Bangigkeit beschlichen wurden (2. Korinther 7, 5), so konnten sie sich dessen getrösten, daß Gott sie trotz ihrer Schwachheit und Ohnmacht in seinen Dienst berufen hatte. Wenn einer an der Art des andern auch einmal zu tragen bekam (was in der Reichsgottesarbeit nicht auszubleiben pflegt), so konnten sie daran gedenken, daß Gott sie in ein gemeinsames Joch gestellt und zusammen verbunden hatte. Wenn sich in der Arbeit Schwierigkeiten ergaben und Stürme erhoben (2. Korinther 1, 8); wenn ihnen manche Aufgaben allzu schwer erscheinen wollten, so durften sie sich stets daran aufrichten, dasß vom Herrn selbst ihnen gerade diese Arbeit befohlen war.
_ Solche Gewißheit hebt und stärkt in allerlei Nöten alle Arbeiter im Reiche Gottes, die
nicht nach einem Platz oder einem Dienst trachten, außer nach dem, den Gott ihnen
zuweist. Die kleinste Arbeit, die man aus Gottes Hand annehmen kann, ist besser als jeder
große und wichtige Posten, auf dem man die Gewißheit der göttlichen Führung entbehrt.
Barnabas und Paulus zogen mit der vollen Gewißheit eines göttlichen Auftrages hinaus.
Das war ihre erste und wichtigste Siegesmacht (2. Mose 33, 12 – 15; Psalm 119, 45.56.94; 94; Lukas 5, 5b; 9, 1 – 6).
Zweite Siegesmacht: Die Fürbitte der Brüder.
_ Unser Text zeigt uns die Aussendung der ersten Missionare. Die kurze Beschreibung
derselben läßt uns erkennen, dass die gläubige Gemeinde mit ihren Gebeten hinter den
ausziehenden Gottesknechten stand. In dieser Fürbitte lag eine große Siegesmacht für
ihren Dienst.
_ Wo das Volk Gottes einem Zeugen Jesu mit Gebet hilft und ihn in ernster Fürbitte trägt,
da kann er freudig arbeiten und Frucht bringen. Ein Unternehmen, welches das Vertrauen
und die Gebete der gläubigen Kreise und der wahren Beter nicht hinter sich hat, wird
wenig Aussicht auf bleibenden Erfolg haben, wenn es auch noch so viel menschliche
Hilfsquellen besitzt.
_ Wer das Geheimnis einer wahren Siegesmacht besitzen will, der sehe zu, daß er eine
Gebetsmauer im Rücken hat (Apostelgeschichte 4, 29 – 31; 2. Korinther 1, 11; Epheser 6, 18 – 20; Kolosser 4, 3; Römer 15, 30 – 32; 2. Thessalonicher 3, 1.2).
_ Wir wollen aber nicht vergessen, daß die Kraft und Einmütigkeit jener Fürbitte für
Barnabas und Saulus auf einem ganz bestimmten Grunde beruhte: Alle Christen dieser
Gemeinde hatten in der Aussendung jener zwei Männer einen gottgewollten Weg erkannt.
Sie besaßen alle das volle Vertrauen, daß dieses Unternehmen kein selbstgewähltes oder
menschlich gemachtes, sondern vielmehr ein vom Herrn befohlenes und geleitetes war.
Wo solche geschlossene Einmütigkeit in der Arbeit für den Herrn vorhanden ist und die
Beter sich geschlossen dahinter stellen, da kann und darf Segen und Frucht erwartet
werden.
Dritte Siegesmacht: Das Wort Gottes.
_ Als die ersten Missionare hinauszogen, nahmen sie die rechte Waffe mit in den heiligen
Krieg. Gleich bei der ersten Tätigkeit in der Stadt Salamis machten sie von ihr Gebrauch.
Sie bestand im Worte Gottes („Sie verkündigten das Wort Gottes“). Mit diesem Wort waren sie vertraut, seine Kraft hatten sie am eigenen Herzen erfahren und gebrauchten es nun wie David seine Schleuder (1. Samuel 17, 38 – 40).
_ Es gibt in der Welt keine Waffe, die dieser an Siegeskraft gleichkommt. Kluge Reden
menschlicher Weisheit zerstören die Teufelsburgen niemals. Aber diesem Wort gehört der
Sieg (Epheser 6, 17; Römer 1, 16.17; Psalm 119, 46.111). Laßt auch uns stets mit dieser Waffe des einfachen Wortes kämpfen!
_ Wer diese dreifache Macht auf seiner Seite hat, wer des göttlichen Willens gewiß ist,
von der Fürbitte der Brüder begleitet wird und mit dem Schwert des Wortes Gottes
kämpft, der wird nicht vergeblich wirken und streiten im Reiche Gottes.
Quelle:
P. Alfred Christlieb†, Der Apostel Paulus, S. 79 – 83.
Druck und Verlag: Adolf Reuter, Wiehl (Bez. Köln), 1936.
Mit einem Vorwort von Karl Stegemann.
weiter zu Apostelgeschichte 13, 5-8
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