8. Ermahnung zur Eile. Predigt von Gottlieb Fr. Machtholf.

Auf den 17.  Sonntag nach Trinit. über Luk. 14, 1-11.

„Welcher ist unter euch, dem sein Ochs oder Esel in den Brunnen fället und ihn nicht alsbald herauszeucht?“ heißt’s im heutigen Evangelium, oder „Welcher ist unter euch, so er ein Schaf hat, das ihm am Sabbath in eine Grube fällt, der es nicht ergreife und aufhebe?  Matth. 12, 11. Wie viel besser ist nun ein Mensch, denn ein Schaf? Matth. 12, 12.

Liebe Zuhörer! Nicht wahr, für so gerecht darf ich euch halten, ihr erbarmet euch des Viehes, da in Sprüchw. 12, 10 steht: „Der Gerechte erbarmt sich seines Viehes!“

Aber liebe Zuhörer! Wollen wir uns des Viehes nur allein so erbarmen, daß wir’s keinen Tag aufschieben, uns seiner in der Gefahr anzunehmen, wo es umkommen kann? Ist unsere menschliche Seele nicht viel viel besser und fürnehmer als ein Vieh? Wollen wir diese unsere Seele daher nur so in der Sündengrube liegen lassen Tag für Tag? Hat nicht der Heiland sich des menschlichen Leibes vorzüglich angenommen, will geschweigen der armen Seele? Hat er den Wassersüchtigen und die dürre Hand nur bis nach dem Sonntag unkurirt gelassen, da er’s noch dazu alsdann auch noch gekonnt hätte, weil das Krankheiten sind bei denen es nicht so schnell geht? Hat nicht des lieben Heilandes Liebe gleich, gleich sobald als er zukommen konnte, helfen wollen?

Liebe Zuhörer! Traktiren wir unsere Seele daher nicht schlechter, als ein Vieh, wenn wir’s nicht auch machen wie David Psalm 119, 60 sagt: „Ich eile und säume mich nicht, zu halten deine Gebote?“  Und, liebe Zuhörer, soll ich dann euch auch schlechter, als ein Vieh traktiren? Soll ich euch durch eure geistlichen Feinde in Gruben des Seelenverderbens stürzen sehen, und soll nicht eilen, euch so viel ich kann herauszuziehen? Sollt ich’s nicht lieber machen wie der Heiland, der gemerkt, sie hielten auf ihn, im heutigen Evangelium, und doch machte er fort, sich der Dürftigkeit seines lieben Nächsten anzunehmen, wie er konnte? O, Geliebte Zuhörer! Muthet meinem euch liebenden Herzen nur nicht das zu, daß ich euch in eurer Sündengrube solle liegen wissen, ohne an euch herauszuziehen, wo und soviel ich kann! Wäre dann das Liebe von mir gegen euch, wann ich’s zum Exempel um deßwillen bleiben ließe, für euch zu sorgen, damit etwa nicht ein Letztberichteter auf mich halte und mir nachstelle, wie zwar der liebe Gott unterdessen en Plan der Nachstellungen noch nicht einmal zugelassen, was sie gewollt haben sollen. O geliebte Zuhörer! Ich scheine nicht lang zu leben! Ach, laßt mich doch eilen, um eure lieben lieben Seelen, als wie um die meine! Ich weiß, ihr werdet nach meinem Sterben, wo nicht bälder, es erkennen und mit mir zufrieden sein und bleiben, viel, viel besser, als wenn ich euch jetzt versäumte, daß es meine Schuldigkeit ist, daß ich’s besser, als ihr jetzt, verstehen solle, und daß ich mich gern auch über eurer Besorgung leide. Ach, es wäre Schade um euch, theuer erkaufte liebe Seelen! Denn höret doch, was ich euch jetzo noch vorzustellen gedenke:

I. Eile wie Verlobte pflegen,
II. Deinem Bräutigam entgegen,
Der da mit dem Gnadenhammer
Klopft an deine Herzenskammer.
Laß mich bei Zeit mein Haus bestellen etc.

1.

Wie solltest du also eilen? Wie Verlobte pflegen. Halten die verlobten Bräute sich nun auch, so oft es was Anders gibt, dabei Jahr und Tag auf? Gewöhnen sie sich auch an die Dinge, die man ihnen sagt und beweist, daß ihr Bräutigam diese Dinge nicht leiden könne, noch viel weniger gern sehe? Insonderheit, wann sie noch sorgen müßten, ihr Bräutigam könne Bräute genug haben, und gebe sie sonst wieder auf ,wann sie ihm nicht zu Gefallen leben und es wäre doch der beste und allein rechte Bräutigam für sie!

Jetzt sehet, herzgeliebte Zuhörer, so ist’s gerade mit eurer Bekehrung! Ihr wollet euch als Jahr und Tag, so oft es was zu sündigen gibt, dabei aufhalten, und die Sünde scheidet doch euch und euren göttlichen Bräutigam von einander, Jesaia 59, 2.

Ihr gewöhnet euch an viele, viele sündliche Dinge, die ihr nicht im Namen des lieben Gottes thun könnet, und es heißt doch Coloss. 3, 17: Alles, was ihr thut, mit Worten oder mit Werken, das thut Alles in dem Namen des Herrn Jesu. – Wie kann ich aber etwas, das Jesus, wann er sichtbarlich dagewesen, sein Lebtag nicht thäte, in seinem Namen thun? Muß [es] nicht von dem, was man in seinem Namen thut, heißen können: So hätte er’s selber gemacht, wann er dagewesen wäre? Hat aber er jemals den Bauch zu seinem Gott gemacht, hat er so viel unnützes, faules Geschwätz wider Gott und die ehrbaren Menschen mit Ausrichten, Fluchen, Schwören, Zoten und Possen, garstigen, unzüchtigen Liedern, Lügen u. dgl. getrieben? Ist er so unmäßig und unruhig, wild, töbisch, ausgelassen, ungehorsam, feindselig, gehässig gewesen? Hat er unzüchtige Werke gethan, gesprungen, getanzt, gespielt, gefressen, gesoffen, gestohlen, falsch gezeugt, den bösen Lüsten nach anderen Leuten und ihren Sachen nachgehängt, oder sie nur in’s Herz gern kommen und da sein lassen?

O, das hat euch schon euer Gewissen gesagt, so hat es mein Bräutigam nicht gemacht; fragt nur fleißig und demüthig, ob’s recht ist und eilt doch auch davon weg, so was bös ist und zu dem hin, was gut ist, so wie euch das Wort und die Kraft Gottes, wann ihr’s nämlich recht ernstlich anwendet, dazu bittet.

2.

Warum? – Der himmlische Bräutigam eilt euch schon entgegen, wer auch noch nicht besonders um ihn geworben hat. Wir sehen’s an dem Wassersüchtigen, daß Gott eilet, einem Manne zu helfen, ehe es einer zutheuerst sucht, da es der Wassersüchtige nicht sonderlich suchte. Aber wenn ihr jetzt nicht auch ihm entgegeneiltet, ach, wie bald hat er andere Brautglieder, die froh an ihm sind!

Ja, sagst du vielleicht, die um die elfte Stunde seien auch noch recht gekommen. Aber, liebe Seele, du bist schon jetzt geworben, erinnere dich aber, daß Jene sagen konnten: „Es hat uns Niemand gedinget“! Und sollst du nicht froh sein, daß du zu einem so herzlichen Bräutigam bald gedinget werden darfst, der (Matth. 19, 17) allein gut ist? Uebrigens ist bei denen um die elfte Stunde nicht einmal von der eigentlichen Seligkeit die Rede, sondern nur von besondern Belohnungen, die einer für besondere Werke bekommt, da er übrigens hernach doch ewig unselig oder selig sein kann. Vielleicht behilfst du dich aber mit dem Schächer. Allein der ist durch sein großes Leiden so weit gekommen. Willst du nun auch erst durch den Galgen bekehrt werden? O, das wirst du doch nicht wagen, das wäre ja schrecklich hart und unsicher, da es den Wenigsten so geht!

Berufst du dich aber etwa noch auf den gerechtfertigten Zöllner und meinst, du könnest also immer noch so bald Alles Hereinbringen! Aber wisse, der Zöllner war da auch noch nicht geheiligt, sondern nur gerechtfertigt (Luk. 18, 14); ohne Heiligung aber wird Niemand den Herrn sehen, Ebräer 12, 14.

Ach, so bitte den Herrn, den so herzlichen Bräutigam, doch so ernstlich und viel, wie David, daß er mit dir eilen wolle, dir von deinen Sünden selber und von ihren Strafen zu helfen, dann jetzt ist deine Hochzeit mit ihm noch nicht gewesen, Matth. 25, 1-10, 11-13.

Siehe daher zu, daß dir’s nicht gehe wie den Bräuten, die ihrem Bräutigam vor der Hochzeit so zuwider leben, daß er sie wieder aufgibt.

Quelle: Leben und Schriften des Gottlieb Friedrich Machtholf, Pfarrers von Möttlingen, S. 106-109. Von Karl Friedrich Ledderhose. In zwei Abtheilungen. Heidelberg 1862. Universitätsbuchhandlung von Karl Winter. [Digitalisat]

Eingestellt am 6. September 2023