Weh der mörderischen Stadt, die voll Lügen und Räuberei ist und von ihrem Rauben nicht lassen will! Denn da wird man hören die Geißeln klappen und die Räder rasseln und die Rosse jagen und die Wagen rollen. Reiter rücken herauf mit glänzenden Schwertern und blitzenden Spießen. Da liegen viel Erschlagene und große Haufen Leichname, daß ihrer keine Zahl ist und man über die Leichname fallen muß. (Nahum 3, 1-3)
Nahums Gerichtswort ist noch nicht zu Ende. Seine Vision vom Untergang der Weltstadt bedarf noch der Begründung. Jahves Gerichte entquellen keiner Willkür. Sie haben ihren Grund in der Schuld der Menschen. Alle Gottesgerichte sind sittlich begründet. Alles Unrecht ruft nach Vergeltung. Kein weichlicher Humanismus wird diese Gottesgesetze außer Kraft setzen.
Mit einem drohenden Weheruf hält Nahum der feindlichen Stadt ihre Schuld vor: Betrug, Mord, immerwährender Raub. Ninive war wirklich eine blutige Stadt. Von wenigen Städten des alten Orients haben wir so ausführliche und furchtbare Schilderungen von Grausamkeit, die der Beschreibung spotten. Hier ist nichts übertrieben.
Noch einmal enthüllt sich dem Propheten der schaurige Schlußakt des Untergangs Ninives. Sein Ohr hört das Knallen der Peitschen, das Rasseln der großen Wagenräder auf dem Steinpflaster, das Getrappel der jagenden Pferde und das Aufspringen der Wagen. Und nachdem sein Ohr so die zukünftigen Dinge zu hören meinte, öffnet sich ihm auch das innere Auge: Er sieht Reiter, deren Pferde sich aufbäumen, er sieht das Blitzen der Schwerter und Speere im Kampfgewühl. Er sieht die Toten in Haufen liegen, über die die Flüchtenden stolpern. Welch grausiges Bild! Was mußten diese Propheten an Katastrophen und Grauen durchkosten, ehe sie sie weitergeben konnten!
Aber nun, nachdem diese Bilder des Gerichtes ihm offenbart sind, kann Nahum auch aussprechen, woher diese furchtbaren Ereignisse kommen. Das Bild der feilen Dirne als Darstellung des gottfeindlichen Weltstaates kennen wir auch aus der Offenbarung an Johannes (Offenbarung 17, 1.2.4.5; 18, 3). Israel gegenüber wird von den Propheten vielfach der Vorwurf der „Unzucht“ gemacht, wenn es Jahve die Treue bricht, der als Israels angetrauter, gesetzmäßiger Gatte gilt (vgl. Hosea 2, 2ff.; 9, 1; Jeremia 3, 2ff.; Hesekiel 16, 15ff.). Bei den heidnischen Völkern, wie hier bei Assur, kann davon nicht die Rede sein. Das abstoßende Bild der Hurerei soll hier vielmehr ausdrücken, daß Ninive mit seinem Reichtum und seiner Diplomatie Fremde an sich gekettet hat wie ein der Unzucht nachgehendes Weib. Wie ein solches sich schminkt und bemalt und mit allerlei falschem Schmuck schmückt, um das Alter zu verdecken und die eigenen Häßlichkeiten in eine Talmi=Schönheit zu verwandeln, so tat es Ninive.
Es gaukelte den Völkern Reichtum, Genuß und Wonne vor und versklavte sie damit und machte sie unfrei. Liebeszauber und Giftmischerei gehören zu den Geheimnissen jeglicher Prostitution. Die „Meisterin in Zauberkünsten“ war Ninive, weil die Völker auf sie hereinfielen. Man wird an die Methode erinnert, wie man sich heutzutage Satellitenstaaten angliedert.
Quelle:
Jakob Kroeker/Hans Brandenburg: Das lebendige Wort. Eine Einführung in die göttlichen Gedankengänge und Lebensprinzipien des Alten Testaments in 15 Bänden.
Band 10: Die kleinen Propheten – Joel, Obadja, Jona, Micha, Nahum, Habakuk, Zephanja.
[S. 132f. / Digitalisat als pdf-, epub- oder Word-Datei, externe Links zu sermon-online.de]
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