Eingang. Frage 1. und 2.

1. Frage: Was soll eines Menschen vornehmste Sorge sein in diesem Leben?

Daß er haben möge eine gewisse Hoffnung des ewigen Lebens, wie Christus sagt Matth. 6, 33:

Trachtet am ersten nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, so wird euch solches alles zufallen.

Mein Kind, solle deine christliche Lehre dir zum Dank und Freude und das Bekenntnis derselben zur Ehre werden, so mußt du den großen Zweck derselben verstehen und glauben lernen. Und dieser Zweck liegt in den kurzen und lieblichen Worten:

Wir sollen selig werden. Und bleiben in Ewigkeit.

Darinnen sind alle köstlichen Gedanken Gottes über die Menschen begriffen. Diese Seligkeit, dieses Heil hat Gott in seinem Wort auf so mannigfaltige Weise beschreiben lassen, darnach haben die Propheten geforscht; (1. Petr. 1, 10. 5)

Dies hat Jesus bei seinem Wandel auf Erden verkündigt, Ebr. 2. 3., davon haben seine Apostel gezeugt. Gebrauche also die heilige Schrift dazu, mit diesem Heil immer nåher bekannt zu werden. Von dem rechten Gebrauch der heiligen Schrift wird dein Herz nach und nach erweitert werden, die großen Absichten Gottes mit den Menschen auch zu glauben. In diesem Glauben mußt du konfirmiert, das ist so befestiget werden, daß dir dieser Glaube einen Sieg gibt über alle Zweifel und Argdenklichkeiten deines Herzens von Gott, und über alle Einwendungen und Widersprüche des Satans und der Welt.

Es bleibt dir alsdann gewiß auf Leben und Tod, auf Wachen und Schlafen:

Gott hat uns nicht gesetzt zum Zorn, sondern die Seligkeit zu besitzen durch unsern Herrn Jesum Christum. (1. Thess. 5, 9+10)

Der Glaube an dieses Heil führt auch mit sich ein ernstliches Verlangen nach demselben, dies ist das von Jesu empfohlene Trachten nach dem Reich Gottes, in welchem dieses Heil sich stufenweise bis zu seiner vollen Darstellung in der letzten Zeit offenbart. Unter diesem Trachten legt sich in dem Herzen nach und nach eine gewisse Hoffnung des ewigen Lebens an. (Röm. 2, 7 und 1. Cor. 9, 24-27).

Auf dem Wege zu dieser Hoffnung hüte dich vor den mancherlei Abwegen. Halte es nämlich mit dem trägen und verdrossenen Natur=Menschen nicht für unmöglich, deiner Seligkeit gewiß zu werden. Tröste dich aber auch nicht mit einer eingebildeten Hoffnung, weil viel tausend sich betören, meinend, daß sie dem Herrn gehören. Setze die Gewißheit deiner Hoffnung auch nicht in besondere lebhafte Empfindungen, weil der Glaube das künftige Erbe nur je und je anblicken darf. Bei treuer Behandlung des Worts Gottes, beim Gehorsam gegen die tägliche Zucht des Geistes, beim Bekenntnis zu dem Herrn Jesu und zu seinen Gliedern, bei einem in dir gepflanzten Leidenssinn und beim ernstlichen Trachten nach Preis, Ehre und Unvergänglichkeit wird dieses Gewächs der Hoffnung in dir schon unter sich wurzeln und über sich Frucht bringen.

2. Frage: Kann denn nicht ein jeder Mensch diese Hoffnung haben?

Niemand als allein ein wahrer Christ, nach dem Spruch Christi:

Es werden nicht alle, die zu mir sagen: Herr, Herr! in das Himmelreich kommen; sondern die den Willen tun meines Vaters im Himmel. (Matth. 7, 21)

Diese gewisse Hoffnung ist also die Beilage eines wahren Christen, der unter dem Tun des Willens Gottes die Göttlichkeit der Lehre Jesu und die Gewißheit der göttlichen Verheißungen immer mehr erkennen lernt (Joh. 7, 17), denn das ganze Christentum ist nichts anderes als ein Erkennen und Tun des Willens Gottes. Mit dem Tun des Willens Gottes nehme es weder zu schwer noch zu leicht. Tue nur dasjenige, wozu dich dein Gewissen und die innere Zucht des Geistes anleitet. Gott begehrt nicht mehr von dir, als er dir Kraft gegeben hat und zu jeder Zeit gibt. Große Taten wie Matth. 7, 22 machen eben keinen Christen aus; der reine und unbefleckte Gottesdienst besteht in sehr unscheinbaren Uebungen (Jac. 1, 26.27). Uebungen, die dem Menschen so gering und leicht vorkommen, werden einmal mit unerwarteter Herrlichkeit belohnt werden (Ps. 15, Offenb. 14, 4.5). Unter diesen unscheinbaren Uebungen fange an mit dem Willen Gottes bekannt zu werden, so wirst du endlich mit Erkenntnis seines ganzen Willens erfüllt werden (Col. 1, 9):

Derhalben auch wir von dem Tage an, da wir’s gehört haben, hören wir nicht auf, für euch zu beten und zu bitten, daß ihr erfüllt werdet mit Erkenntnis seines Willens in allerlei geistlicher Weisheit und Verständnis, daß ihr wandelt würdig dem HERRN zu allem Gefallen und fruchtbar seid in allen guten Werken.


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Eingestellt am 18. Dezember 2023