Es ist das Heil uns kommen her (EG 342)

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Liedvortrag: Pastor Detlef Korsen
Dem Sonntag Septuagesimä (3. Sonntag vor der Passionszeit) als Wochenlied zugeordnet,
aufgenommen in der Johanniskirche in Bremen-Arsten

1) Es ist das Heil uns kommen her,
von Gnad‘ und lauter Güte,
die Werke helfen nimmermehr,
sie mögen nicht behüten,
der Glaub‘ sieht Jesum Christum an,
der hat g’nug für uns all‘ getan,
er ist der Mittler worden.

2) Was Gott im G’setz geboten hat,
da man es nicht konnt‘ halten,
erhob sich Zorn und große Not
vor Gott so mannigfalten;
vom Fleisch wollt‘ nicht heraus der Geist,
vom G’setz erfordert allermeist,
es war mit uns verloren.

3) Es war ein falscher Wahn dabei,
Gott hätt‘ sein G’setz drum geben,
als ob wir möchten selber frei
nach seinem Willen leben;
so ist es nur ein Spiegel zart,
der uns zeigt an die sünd’ge Art,
in unserm Fleisch verborgen.

4) Nicht möglich war’s, die selb’ge Art
aus eig’nen Kräften lassen.
Wiewohl es oft versuchet ward,
doch mehrt‘ sich Sünd‘ ohn‘ Maßen;
denn Gleißnerswerk Gott hoch verdammt
und je dem Fleisch der Sünde Schand‘
allzeit war angeboren.

5) Doch mußt‘ das G’setz erfüllet sein,
sonst wär’n wir all‘ verdorben;
d’rum schickt‘ Gott seinen Sohn herein,
der selber Mensch ist worden:
das ganze G’setz hat er erfüllt,
damit sein’s Vaters Zorn gestillt,
der über uns ging alle.

6) Und wenn es nun erfüllet ist
durch den, der es konnt‘ halten,
so lerne jetzt ein frommer Christ
des Glaubens recht‘ Gestalte.
Nicht mehr denn: Lieber Herre mein,
dein Tod wird mir das Leben sein,
du hast für mich bezahlet!

7) Daran ich keinen Zweifel trag‘,
dein Wort kann nicht betrügen.
Nun sagst du, daß kein Mensch verzag‘,
das wirst du nimmer lügen:
Wer glaubt an mich und wird getauft,
demselben ist der Himm’l erkauft,
daß er nicht werd‘ verloren.

8) Er ist gerecht vor Gott allein,
der diesen Glauben fasset;
der Glaub‘ gibt aus von ihm den Schein,
so er die Werk nicht lässet;
mit Gott der Glaub‘ ist wohl daran,
dem Nächsten wird die Lieb‘ Gut’s tun,
bist du aus Gott geboren.

9) Es wird die Sünd‘ durchs G’setz erkannt
und schlägt das G’wissen nieder,
das Evangelium kommt zuhand,
und stärkt den Sünder wieder,
und spricht: Nur kriech zum Kreuz herzu,
im G’setz ist weder Rast noch Ruh‘
mit allen seinen Werken!

10) Die Werk‘ die kommen g’wißlich her
aus einem rechten Glauben;
denn das nicht rechter Glaube wär‘,
wollt’st ihn der Werk berauben.
Doch macht allein der Glaub‘ gerecht,
die Werke sind des Nächsten Knecht‘,
dabei wir’n Glauben merken.

11) Die Hoffnung wart’t der rechten Zeit,
was Gottes Wort zusaget,
wenn das geschehen soll zu Freud,
setzt Gott kein g’wisse Tage;
er weiß wohl, wenns am besten ist
und braucht an uns kein arge List,
des soll’n wir ihm vertrauen.

12) Ob sich’s anließ, als wollt‘ er nicht
laß dich es nicht erschrecken,
denn wo er ist am besten mit,
da will er’s nicht entdecken.
Sein Wort laß dir gewisser sein,
und ob das Fleisch spräch‘ lauter Nein,
so laß doch dir nicht grauen.

13) Sei Lob und Ehr‘ mit hohem Preis
um dieser Guttat willen
Gott Vater, Sohn und heil’gem Geist!
Der woll‘ mit Gnad‘ erfüllen,
was er in uns anfangen hat
zu Ehren seiner Majestät,
daß heilig werd‘ sein Name.

14) Sein Reich zukomm‘, sein Will‘ auf Erd‘
g’scheh wie im Himmelsthrone,
das täglich Brot noch heut‘ uns werd‘,
wollst‘ unsrer Schuld verschonen,
als wir auch unsern Schuld’gern tun,
laß‘ uns nicht in Versuchung stehn,
lös‘ uns vom Übel, Amen.

Liedtext: 1523, Paul Speratus (1484-1551)
Melodie: Mainz um 1390 / Nürnberg 1523/24

Obiger Text folgt der Fassung des Liedes Nr. 374, in: Evangelisches Gesangbuch für die Provinz Pommern, S. 166f, Stettin 1918 (14 Strophen)

So halten wir nun dafür, daß der Mensch gerecht werde ohne des Gesetzes Werke, allein durch den Glauben.  (Röm. 3, 28)

Von Paulus Speratus (1484-1551) im Spätjahr 1523 über Römer 3, 28 gedichtet, als er sich auf der Flucht von Iglau in Wittenberg bei Luther aufhielt, kurz ehe er sein Reformationswerk in Preußen angefangen hatte. Es steht schon, nebst zwei anderen Liedern des Speratus „In Gott glaub ich“ und „Hilf Gott, wie ist der Menschen Not“, unter den acht Liedern des ersten evangelischen Gesangbuchs Luthers Enchiridion 1524, wo es den Titel hat: „Ein Lied vom Gesetz und Glauben, gewaltiglich mit göttlicher Schrift verlegt“.

Es ist dabei jede Zeile mit einem oder mehreren Bibelsprüchen geziert, so daß das Ganze wie ein Perlenkranz aussieht, der das Lied umfaßt, oder als ein Panzer erscheint, der demselben mitgegeben ist zur Verteidigung gegen alle Angriffe der Feinde der evangelischen Wahrheit. Es erscheint indessen nicht nötig, jenen Katalog von Zeugnissen der Wahrheit auch hier abzudrucken. Der Gedankengang ist folgender: Das Ganze enthält einen Ruhm der freien Gnade, die im Glauben empfangen wird. Des Christen Gerechtigkeit gründet sich nicht auf die Werke des Gesetzes, welche nicht behüten vor dem Zorn und dem Tod (Vers 1), welche nicht können (Verse 2, 4) und doch sollen erfüllt werden (Vers 5). Sie gründet sich vielmehr aufs Evangelium von Christo, welcher sein Verdienst uns schenkt (Vers 5) und in den Glauben legt zur Seligkeit (Verse 6, 7).

Das gibt eine Lebensgerechtigkeit, denn der Glaube schafft Liebe (Vers 8), bringt Trost (Vers 9), ist reich an Früchten (Vers 10) und gibt eine schöne Aussicht auf Gottes Stunde (Verse 11 und 12). Um solche Gnade bitten wir, wie der Herr uns lehrt in seinem Gebet (Verse 13 und 14). In diesem Gang erscheint unser Lied als das echte Befenntnislied der Reformation, als das poetische Gegenbild der Vorrede Luthers zum Römerbrief,wie Albert Knapp es bezeichnet. Am schönsten hat nach Serpilius, der eine eigene Schrift über unser Lied geschrieben hat, Dr. Dannhauer in Straßburg von demselben geredet. Er sagt, es sei ein köstlicher Arzneisaft aus den bitteren Erfahrungen unter dem Papsttum und aus den süßen Worten Gottes gepreßt, sodann ein Werkzeug der Reformation, das mit gewaltigem Flug viele Seelen gewonnen, weiter ein Dorn in den Augen der Wahrheitsfeinde, das sie jederzeit angefochten und verdreht haben, und endlich ein schönes Weidelied von der güldnen Au, Gott zum Lob nach der Befreiung aus dem Lande Egypten.

Das Lied ging wunderbar schnell in die Lande; Zeugnis dafür gibt die bekannte Sage, wovon Hartknoch in seiner preußischen Kirchenhistorie erzählt, er habe in seiner Jugend von seinen Präceptoren oft Folgendes gehört:

„Es kommt ein Bettler aus Preußen nach Wittenberg und singt dieses Lied vor des Dr. Luthers Tür. Luther hört ihm mit Fleiß zu, bis es der Bettler ausgesungen, dann gibt er dem Bettler zur Gabe einen alten Georgenthaler, das einzige Geldstück, das er bei sich hatte. Dabei spricht er ‚Komm her, heiliger Georg, der Herr Christus ist da und befiehlt ihm solches noch einmal zu singen‘. Wie er es verrichtet, fraget ihn Luther, von wannen er komme und wo er dies Lied gelernet habe. Der Bettler antwortete, er komme aus Preußen, allwo dies Lied in der Kirche oft gesungen würde. Da gingen dem Dr. Luther die Augen vor Freuden über, daß Gott diesem Lande so gnädig wäre, und selbiges in Erkenntnis seines Wortes so weit hätte kommen lassen.“

Die Sage ist nicht Geschichte, denn Luther kannte das Lied und den Sänger, ehe Speratus nach Preußen übersiedelte, aber die Sage enthüllt den Sinn der Geschichte: es mag unser Lied an viel hundert Türen gesungen worden sein. War es doch an vielen Punkten der Wegebereiter der Reformation. So im Württemberger Lande:

Zu Waiblingen bei Stuttgart widerstanden die Priester lange Zeit der Einführung der Reformation, wornach in den Bürgern der Stadt sich ein großes Verlangen regte. Da hielt 1535 der von Schnepf ordinierte Leonhard Werner die erste evangelische Predigt. Als dazu die Gemeinde dieses Lied anstimmte, spieen die Priester und Kapläne aus und verließen voll Ingrimm die Kirche (Crusius, Annalen, 3, 11, 10). Ebenso soll es auch in dem Städtlein Herrenberg bei Tübingen gegangen sein. In Magdeburg trieb das Volk durch Anstimmen dieses Liedes die katholischen Meßpriester zur Kirche hinaus, und zu Behnau, einem Dorf in der Niederlausitz bei Sorau sangen die Bauern dasselbe, bis ihr katholischer Priester Gabelen in die Kirche kam. Er wurde darüber so zornig, daß er Kirche, Pfarre und Gemeinde verließ und also einem lutherischen Prediger die Stelle räumte (Olearius Liederschatz). Als der evangelische Pfarrer Georg Polus in der Domkirche zu Fürstenwalde auf Befehl des anwesenden Kurfürsten Joachim I. von Brandenburg die erste evangelische Predigt über Ps. 24, 7 hielt, sang die Gemeinde in großer Herzensfreude dasselbe Lied. Die Katholiken waren deshalb sehr erbost und machten ein Spottlied daraus: „Das wahre Heil und aller Trost“. Sie nannten es nur ein lutherisches Schusterliedlein, wie denn auch der Jesuit Decumanus behauptete, ein Sackpfeifer oder ein Pritzschmeister oder ein Schuster habe es gemacht.

Was aber hier nur im kleinen geschah, erfolgt im Kurfürstentum Pfalz im großen, obgleich Kurfürst Friedrich II. selbst im Herzen der evangelischen Lehre nicht abgeneigt war, und das Volk laut darnach verlangte, wollte er sie doch aus Furcht vor dem Kaiser nicht einführen und in die Abschaffung der päpstlichen Mißbräuche und Zeremonien nicht willigen.

Heidelberger Altstadt mit Heilig-Geist-Kirche (Bild: Reinhard Wolf, Dietzenbach, Liz. CC-BY-SA 3.0)

Da geschah’s zu Heidelberg in der Kirche zum Heiligen Geist, daß gerade die Priester eine feierliche lateinische Messe hielten, das anwesende Volk aber begann aus freien Stücken und wie aus Einem Munde dieses Lied zu singen. Nun sah der Kurfürst, daß es an der Zeit sei, der reinen evangelischen Lehre nicht längeren Einhalt zu tun. Er gestattete die Austeilung des heiligen Abendmahls in beiderlei Gestalt, und damit war der Anfang zur Einführung der Reformation in der Pfalz gemacht (Seckendorf, Historia Lutheranismi).

Im Elsaß war es am Samstag, dem 14. Mai 1575, als der Magistrat zu Colmar erkannte, daß dem Willen der Bürger zur Einführung der Reformation nachgegeben werden müsse. Man beschloß Tags darauf am Sonntag Exaudi, der bisherigen Verwirrung in Religionssachen ein Ende zu machen. Auf den Zunftstuben wurde den Bürgern mitgeteilt, daß, weil in Colmar kein hiezu tüchtiger Prediger zu finden sei, man dem Pfarrer zu Jebsheim, Johannes Cellarius, die erste evangelische Predigt übertragen wolle. Die Bürger waren von dieser angenehmen Kunde so überrascht, daß vielen aus Freude die Tränen herfürsprungen; über dreitausend Menschen hatten sich andern Tags in der alten Barfüßerkirche versammelt, und mit voller Begeisterung sangen sie als erstes evangelisches Lied unseren Gesang „Es ist das Heil uns kommen her“. Der Schwung desselben ergriff die Gemüter so mächtig, als hieß es: Heute ist diesem Hause Heil widerfahren. Ja, die Predigt des schlichten Dorfpfarrers blieb den Städtern mitsamt dem Lied auch ferner im Gedächtnis, wie es denn im Kirchenbuch zu Jebsheim heißt: Einführung der evangelischen Religion in die Stadt Colmar. Daher sie singen „das Heil .kommt uns von Jebsheim her.“ Dessen zum Andenken haben sie am Sonntag Exaudi, 9. Mai 1875 das dreihundertjährige Jubiläum der Reformation zu Colmar gefeiert und dasselbe mit dem Liede der Väter geweiht „Es ist das Heil uns kommen her“. Die Verse 1 bis 5 sind, um die Worte des Liedes zu gebrauchen, „ein Spiegel zart“, in welchem sich, ganz wie in Luthers Meisterlied „Nun freut euch lieben Christen g’mein“ das Ringen und Arbeiten des glaubigen Gemüts unter dem gesetzlichen Bann des Papsttums widerspiegelt.

So ist es ein Tendenzlied im besten Sinn, und wirkt mit Macht für die Freiheit des seligmachenden Glaubens. Serpilius, Superintendent zu Regensburg, erzählt, daß im Jahr 1710 der Diener einer hohen Herrschaft zu ihm gekommen sei und ihm berichtet habe, daß er zwar in der evangelischen Kirche geboren und erzogen, aber durch Aussicht auf Beförderung zur katholischen Kirche überzugehen bewogen worden sei. Da hörte er eines Tags, als er in seinen Geschäften an der evangelischen Hauptkirche vorbeiging, unser ihm wohlbekanntes Lied singen, dabei er denn heimlich seufzte, daß er dergleichen tröstliche Lieder jetzt nicht mehr hören könnte; zwanzig Wochen hernach begegnete ihm dasselbe abermals. Nun zog es ihn in die Kirche hinein, und er hörte mit Andacht der Predigt zu, nach deren Beendigung er alsbald zu Serpilius in die Sakristei ging, ihm zu sagen, wie dies Lied sein Herz bewegt habe und ihm zu erklären, daß er nun ferner bei dem evangelischen Glauben bleiben wolle (Prüfung des Hohensteinischen Gesangbuchs, S. 404)

Der sechste Vers gibt nun den klaren und vollen evangelischen Ton. – Von einem Schwärmer zu Hamburg wird erzählt, daß er auf seinem Totenbette seinem Beichtvater geklagt habe, er habe sich ins gesetzliche Wesen viel zu tief eingelassen und müsse bekennen, daß er von Christo zu weit abgekommen sei. Nunmehr aber soll ihm Christus sein Alles sein, und es solle bei ihm heißen:

Nicht mehr denn: Lieber Herre mein,
Dein Tod wird mir das Leben sein,
du hast für mich bezahlet.

Wenn ein frommer Christ des Glaubens rechte Gestalt wissen will, so findet er sie nahe beisammen, es ist, was wir wiederholen, nichts anderes und nicht mehr denn das Eine Bekenntnis:

Lieber Herre mein, dein Tod wird mir das Leben sein, du hast für mich bezahlet.

Das laßt uns halten. Ein treuer, aber früh vollendeter Prediger schrieb darum diese Worte jedem, der ihn um ein Wort des Andenkens bat, ins Stammbuch.

Vers 7 bietet den Trost dieses Glaubens. Zu Grimma besuchte der Superintendent Johann Albert einen gottesfürchtigen Studenten, Georg Franke, auf seinem Sterbebette. Der sagte ihm: Ich habe viel Lieder und Sprüche gekonnt, aber bisher nicht gewußt, wozu sie mir dienen möchten, Jetzt sucht sie der heilige Geist alle herfür und macht sie in mir lebendig. Dafür ich Gott Lob und Dank sage. Ich will ihm eine volle Ernte bringen, denn ich habe geerntet die Wohltat göttlichen Wortes der Absolution des heiligen Abendmahls, besonders aber der heiligen Taufe. Ergo:

Wer glaubt an mich und wird getauft,
demselben ist der Himmel erkauft,
daß er nicht werd‘ verloren.

Reichen Trost haben die Verse 11 und 12 den bekümmerten Gemütern geboten. In Vers 11 ist der Anfang dem Herzog Friedrich Wilhelm zu Sachsen-Weimar (gest. 7. Juli 1602) trostreich geworden. Derselbe war ein großer Liederfreund und pflegte aus den geistlichen Gesängen seinen Trost besonders dadurch zu ziehen, daß er, wo etwas in der Mehrzahl stand, dasselbe auf sich in der Einzahl deutete. Dieser Fürst tröstete sich nun an seinem Ende der Worte:

Die Hoffnung wart‘ der rechten Zeit,
was Gottes Wort zu sagen.

Der Schluß des Verses aber ward dem edlen Bekenner Kurfürst Johann Friedrich zu Sachsen ein Stab auf dem Pfade der Not. Als derselbe nach der Schlacht bei Mühlberg 1547 in große Bedrängnis geraten war, schrieb der fromme Prediger Veit Diterich an St. Sebald zu Nürnberg einen tröstlichen Brief an ihn. Der Kurfürst las den Brief mit vielen Tränen, sagte aber dann, nachdem er ihn gelesen, mit großer Freudigkeit: Ei, die gewaltige Hand Gottes will nicht allein drücken, sondern auch erhöhen zu seiner Zeit.

Er weiß wohl, wenn’s am besten ist
und braucht an uns kein arge List
das soll n wir ihm vertrauen.

Geschieht’s nicht hier, so geschehe es ewiglich. Ewige Erhöhung ist die rechte Erhörung unseres Gebets und Seufzens. Wer nur frisch durch die Welt hindurch wäre! (Selneccer, Vorrede über die Passion).

Der 12. Vers war Johann Christof von Degenfeld zum Tröster. Dieser edle Herr war die meiste Zeit seines Lebens vielem Kreuz unterworfen, so gar daß er sich oft vor großen Leibesschmerzen unter die Bank gewunden. Da war es sein einziger Trost, geistliche liebliche Lieder zu hören, und unter ihnen gebrauchte er oftmals zur Erinnerung an die Hilfe seines Herrn die Liebesworte:

Ob sich’s anließ, als wollt er nit,
laß dich es nicht erschrecken.
Denn wo er ist am besten mit,
da will er’s nit entdecken.

Ähnlich trösteten sich Hans von Lüttichau, Kaspar von Minkwiß, Anna Räwin zu Holzhausen. Und wohl nicht bloß Sterbende, sondern auch viele Andere haben das Kraftwort am Schluß im Herzen behalten:

Sein Wort laß dir gewisser sein,
ob dein Fleisch spräch‘ lauter Nein,
so laß dir doch nicht grauen.

Die beiden letzen Verse, welche das heilige Vaterunser umschreiben, sind viel gebraucht worden. So bei der Krönungsfeier des ersten Königs zu Preußen 1701, wo sie den Beschluß der ganzen Feierlichkeit machten, was für die Worte eines alten Königsberger Hofpredigers besonders passend war. Dieselben Verse wurden, wie Serpilius bezeugt, im Anfang des vorigen Jahrhunderts in Österreich besonders in einigen Flecken nahe bei Wien, wo vordem das Wort Gottes reichlich gewohnt hatte, vom Volk nach dem Ende des römisch-katholischen Gottesdienstes gesungen (Ehrwürdige Reliquien einer besseren Zeit).

Serpilius fügt hinzu: Wenn denn nun noch heute ein Lutheraner unvermutet in solche Versammlung kommt und diese Worte desto freudiger singt, weil er sie noch als durch Gottes Gnade erhaltene Reliquien ehrt, wundern sich meistens die Anwesenden, daß auch wir ihrem vermeintlichen päpstlichen Lied so gut zustimmen können.

Die Melodie cccc es dcb ist wahrscheinlich aus dem Volksgesang des 15. Jahrhunderts entlehnt, weshalb auch die Papisten beim ersten Bekanntwerden dieses Gesangs 1524 spotteten: der ihn erfunden, müsse ein Sackpfeifer oder Bänkelsänger gewesen sein. In dem Nürnberger Gesangbüchlein mit den acht Liedern 1524 ist diese Weise nicht bloß dem Lied „Es ist das Heil…“, sondern auch noch drei andern „Ach Gott vom Himmel“, „Es spricht der Unweisen Mund wohl“, „Aus tiefer Not schrei ich zu dir“ vorgezeichnet.

Im Erfurter Enchiridion von 1524 steht sie über dem Lied „Nun freut euch liebe…“ und über dem Liede des Speratus steht auf den Thon, wie man oben singt „Nu frewt euch liebe“.

Walther aber hat in seinem tonangebenden Choralgesangbüchlein 1524 sie ausschließlich dem Liede des Speratus zugeeignet, wie wir sie dann auch in dem Enchiridion von 1527 bereits demselben zugeteilt finden. Winterfeld erkennt in der Abstammung der Melodie aus dem Volksgesang ein bedeutsames Zeichen. Wie sich unser Lied mit seinem Schriftpanzer gegen den Vorwurf einer neuen Lehre gewappnet habe, so sei ihm auch eine Weise zugeteilt, die dem Vollsmunde nichts Neues geboten, aber dem Liede dafür desto leichteren Eingang verschafft habe. (I, 43 f.)

Quelle: Die Kernlieder unserer Kirche im Schmuck ihrer Geschichte, S. 226-241. Begründet in erster und zweiter Auflage von † Eduard Emil Koch. Umgearbeitet und vermehrt in dritter Auflage von Richard Lauxmann, Diakonus an der Stiftskirche in Stuttgart (Stuttgart, 1876)

Weblinks und Verweise

Lied Nr. 9: Gesangbuch für die evangelische Kirche in Württemberg, Schmuckausgabe 1912 (Verlagskontor des evangelischen Gesangbuchs, Stuttgart)

Lied Nr. 242, in: Evangelisches Kirchengesangbuch, Ausgabe für die Vereinigte Evangelisch-protestantische Landeskirche Badens. Karlsruhe 1951

Liedeintrag bei Hymnary.org

Notensatz, 4stimmig ohne Text (pdf, externer Link zu Hymnary.org)

Notensatz, 4stimmig ohne Text (pdf, externer Link zu Hymnary.org)

Audiofiles:    midi

Liedpredigt: Harms, Claus – Predigt am elften Sonntag nach Trinitatis 1847.

Englische Fassung: „Salvation onto us has come“ (Notensatz, 4stimmig mit 4 Strophen Text; externer Link zu Hymnary.org)

Eingestellt am 17. August 2020 – Letzte Überarbeitung am 29. November 2022