Geleitwort von E. Schrenk

Nach Veröffentlichung der Berliner Erklärung gegen die „Zungenbewegung“ hörte ich einige Stimmen, die sagten: „Brüder, die selber in der Bewegung gestanden haben,sollten schweigen.“ Schweigen hat seine Zeit, und Reden hat seine Zeit. Wenn ich die letzten 4 Monate überschaue und mich frage: Durch wen haben wir am meisten Klarheit über diese Bewegung bekommen? so ist die Antwort: Durch Brüder und Schwestern, die selber in der Bewegung standen und durch Gottes Gnade freigeworden sind. Das ist eine unwiderlegbare Tatsache. Bruder H. Dallmeyer fragte mich, ehe er diese Broschüre schrieb, ob ich ein Geleitwort zu derselben schreiben wolle. Ich sagte ohne weiteres ja, weil ich die Überzeugung habe, daß kaum ein Bruder so viel Beruf hat, gegen diese traurige Bewegung zu schreiben, wie gerade er. Denn

1. stand er so lange in der Bewegung, dass er ein vollständig klares Urteil überdieselbe gewinnen konnte;
2. war er so aufrichtig und demütig, daß er verhältnismäßig bald seinen Irrtum einsah und dann auch den Mut hatte, es zu bekennen;
3. hat er lange genug geschwiegen.

Ich bin ganz gewiß, daß es unmöglich ist, ein genaues, richtiges Urteil über die Bewegung zu gewinnen, wenn man nicht gründlich hinter den Vorhang derselben geschaut hat; denn nur dann hatte man Gelegenheit, die Prophetie und die Weissagung genau kennen zu lernen. Ich selber wüßte nicht, wie ich im Jahre 1907 hätte Klarheit gewinnen können über die „Kasseler Bewegung,“ ohne die Gelegenheit, die damalige Prophetie zu prüfen. Nur dadurch entdeckte ich den Lügengeist in der Bewegung. Als ich damals von so vielen Sündenbekenntnissen hörte, war ich acht Tage lang unter dem Eindruck: Das kann doch nicht vom Teufel sein! Erst nach etwa 14 Tagen bekam ich ein g e r e c h t e s U r t e i l und konnte mir klar machen, daß trotz des treibenden bösen Geistes wirklicher Segen möglich ist in solchen Versammlungen. Warum soll durch die Verkündigung des Wortes, durch die Anwesenheit vieler aufrichtiger, betender Menschen nicht Segen kommen können? Nun bin ich aber seit der Kasseler Bewegung fast 2½ Jahre älter geworden und bekenne, seither durch die Zungenbewegung viel gelernt zu haben. Ich stand 11 Jahre in der Heidenwelt und habe dort tiefe Blicke in das Wirken Satans getan. In den letzten 30 Jahren hatte ich in der Evangelisation sehr viel mit Zauberei zu tun, und es erfüllte mich oft Grauen im Anblick der Macht der Finsternis.

Auch glaube ich von Herzen alles, was die Schrift über das Reich der Finsternis sagt. Aber trotz alles dessen habe ich nicht gewußt, daß der Lügner von Anfang so viel vom Blute Christi reden und singen lassen kann, um Gottes Volk zu betrügen, wie das in der Zungenbewegung geschieht. Davor graut mir am meisten. Daß der Satan durch Zauberei, Spiritismus und die christliche Wissenschaft heilt, wußte ich schon lange. Deshalb machen mir die Heilungen in der jetzigen Bewegung nicht viel Eindruck, sie sind nichts Neues; abe rder Mißbrauch des Blutes Christi ist mir neu. Auch die schönen Ansprachen in den Mülheimer Konferenzen nehmen mich nicht gefangen. Solche Konferenzen sind „Schaufenster“, die Kunden anzuziehen; aber das eigentliche Warenlager lernt man an denselben nicht kennen.

An Konferenzen wird vie lvon Liebe geredet; in geschlossenen Versammlungen dagegen, wo der Geist seine Getreuen beisammen hat, legt er die Maske auch einmal ab und sagt von Kindern Gottes: „Eigentlich müßte ich mein Volk verbrennen, wegstoßen, verwerfen, verfluchen. Ihr Gewissen ist wie ein Eitergeschwür, das am platzen ist.“ So hat er die große Blankenburger Konferenz tituliert. Darum sage ich: Man hat unmöglich ein richtiges Urteil über die Bewegung, wenn man nicht genau und längere Zeit hinter den Vorhang gesehen hat. Ich danke deshalb Bruder Dallmeyer, daß er uns den Vorhang lüftet. Ich hoffe, dass sich viele durch ihn warnen und Verführte, die aus der Wahrheit sind, zurechtbringen lassen. Ich möchte alle Gemeinschaften, innerkirchliche und außerkirchliche, herzlich bitten, diese Broschüre in weitesten Kreisen zu verbreiten. Wir müssen zusammenstehe wie ein Mann und dieser traurigen Bewegung den Weg verlegen. Wir wollen den Herrn anhaltend bitten, dass Er alle Aufrichtigen, die verführt sind, zurechtbringe und alles Satanswerk gründlich zuschanden mache.

Bruder Dallmeyer bringt uns E r f a h r u n g s t a t s a c h e n, die für alle Gottesfürchtigen mehr Wert haben, als die besten psychologischen Betrachtungen. Für mich ist das Ernsteste an der heutigen Bewegung, daß sich die Träger derselben vor zwei Jahren nicht warnen ließen durch die Stimmen der Brüder Dallmeyer und anderer. Diese Tatsache verrät einen tiefen Mangel an Gottesfurcht und eine tiefe Verblendung. Letztere ist die Folge falscher Lehre, wie sie in der Oxfordbewegung im Jahre 1874 ihren Anfang nahm. Pearshall Smith selber bekannte im Jahre 1875, daß seine Lehre von der Sünde oberflächlich und unbiblisch gewesen sei. Von dieser Oberflächlichkeit haben einzelne sich seither nicht gereinigt. So war es möglich, daß in den letzten drei Jahrzehnten auf Grund von Röm. 6,11 – 14 ein System von Heiligungslehre aufgebaut wurde, die der Gesamtlehre der apostolischen Briefe widerspricht; man wollte dem HErrn eine Braut bereiten, die den Tod überwinden sollte durch Sündlosigkeit und so das Kommen des HErrn herbeiführen. Diese Fündlein waren vorhanden, ehe Pastor Paul Evangelist wurde; aber er hat sie ausgebaut, auf die Spitze getrieben und zu seinem Steckenpferd gemacht. Dadurch erwuchs bei vielen die Sucht nach Besonderem, das Verlangen, etwas Großes zu werden. Und gerade in diesen Kreisen sind jetzt die Hauptherde der Zungenbewegung. Man wollte „an der Spitze marschieren“, und dieses Verlangen hat der Feind gestillt. Wir wollen uns schämen und beugen, dass wir nicht entschiedener gezeugt haben gegen diese Verirrungen. Wir wollen uns reinigen lassen von allem unbiblischen Wesen, damit der Heilige Geist Raum unter uns bekommt, sich zu offenbaren und uns Christum zu verklären. Wir wollen uns vom Teufel jetzt nicht kopfscheu machen lassen gegenüber biblischer Heiligung, sondern ihr von Herzen nachjagen. Wir wollen dem Satan nicht Raum geben, die Herde Jesu Christi auseinander zu sprengen, sondern wollen uns von Herzen vereinigen mit allen Gliedern am Leibe Jesu Christi, damit der Geist unseres erhöhten HErrn uns mächtig ausrüsten kann zu lebendigen Zeugen Seines Todes und Seiner Auferstehung. Dann wird der HErr einen großen Sieg bekommen.

E.  S c h r e n k

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Aus: Dallmeyer, Heinrich / Schrenk, Elias: Erfahrungen in der Pfingstbewegung, Neumünster, [1909]