Mel.: »Mein Leben ist ein Pilgerstand«
1) Mein Alter tritt mit Macht herein:
Der Augen Licht verliert den Schein,
Das Haupt bückt sich hinab zum Grabe,
Das Haar wird weiß, die Füße schwer;
Erwäg ich dann, wie ich bisher,
Gerechter Gott, gelebet habe,
So werd ich angst- und schreckenvoll
Und weiß nicht, wo ich bleiben soll.
2) Der Tod ruft selbst mir öfters zu:
„Wohin, verwegner Sünder, du?
Wann wirst du andern Sinnes werden?
Wie lang gehst du dem Eitlen nach,
Dem Traum, der Schmink‘, dem Ungemach,
Dem Schatten dieser falschen Erden?
Merkst du nicht, daß den Flüssen gleich
Die Jahrszeit unvermerkt hinschleicht?
3) Bedenke daß du jetzo schon
Wirst vor den strengen Richterthron
Des großen Gottes kommen müssen,
Der dir all‘ deine Werk‘ und Wort‘,
Ja, auch des Herzens tiefsten Ort
Wird richtig aufzudecken wissen.
Hast du auf ihn nicht hier gesehn,
Wie wirst du dort vor ihm bestehn?
4) Dies, großer Gott, ach alles dies,
Hält mein Herz mehr als für gewiß,
Und wünschet sehnlich, daß mein Leben
Dir recht zu Dienst und Willen sei;
Sieh aber, wie ich mich dabei
Umsonst bemühe zu erheben!
Der schwere Weltsinn hält mich an,
Daß ich nicht aufwärts kommen kann.
5) Ach, liebster Jesu, ein ‚er Hort,
Hilf du mit deiner Hülf‘ mir fort
Und biete mir die Hand der Gnaden!
Du hast zuvor durch deinen Tod
Mich meiner schweren Todesnot
Und des zukünft’gen Fluchs entladen;
Gib, o mein Leben, nimmermehr,
Daß ich mir selbst mein Heil zerstör‘!
6) Laß von der Welt Betrug und Schein
Mich gänzlich abgewendet sein,
Und dir, mein Heiland, fest anhangen;
Entbind‘ mich bald der großen Last,
Womit der Leib die Seel‘ umfaßt
Und wie im Kerker hält gefangen,
Und setze sie rein, froh und frei
Dem Chor der heil’gen Engel bei.
7) Da werd‘ ich dir, mein Heil, hiefür
Und, großer Himmelsvater, dir
Nebst deinem heil’gen Geist lobsagen.
O du, der Deinen Schutz und Port,
O Jesu, nimm in Acht mein Wort,
Und laß mich so in dir betagen!
Mein Morgen war der Welt gemein,
Der Abend soll dein eigen sein!
Liedtext: Otto von Schwerin (*1616 †1679)
Melodie: Claude Goudimel (*1500 †1572)
Quelle:
Lied Nr. 2704, in: Evangelischer Liederschatz für Kirche und Haus. Eine Sammlung geistlicher Lieder aus allen christlichen Jahrhunderten, gesammelt und nach den Bedürfnissen unserer Zeit bearbeitet von M. Albert Knapp,weil. Stadtpfarrer zu St. Leonhard in Stuttgart. Dritte, vermehrte und verbesserte Auflage. Stuttgart. Verlag der J. G. Cotta’schen Buchhandlung, 1865. [Abschnitt XIII. – Greisenlieder / S. 1153 – Digitalisat]
Otto Freiherr von Schwerin (* 18. März 1616 in Vorpommern; † 14. November 1679 in Cölln an der Spree) war Hofmann, Diplomat und ab 1658 Erster Minister des Kurfürstentums Brandenburg. Schwerin war ein frommer Protestant. Er dichtete das bekannte Sterbelied Jesus, meine Zuversicht (EG 526). Wahrscheinlich stammt auch das Abendlied Die Sonn hat sich mit ihrem Glanz gewendet (EG 476) aus seiner Feder.
(nach Wikipedia)
Bildquelle: See page for author, Public domain, via Wikimedia Commons
Schriftstellen
Der HERR verzieht nicht die Verheißung, wie es etliche für einen Verzug achten; sondern er hat Geduld mit uns und will nicht, daß jemand verloren werde, sondern daß sich jedermann zur Buße kehre. (2. Petrus 3, 9)
Laß dich nicht aufhalten, dein Gelübde bald zu erfüllen, und warte nicht bis an den Tod, um es einzulösen. (Jesus Sirach 18, 22)
Weblinks und Verweise
Notensatz, 4stimmig im pdf-Format, Goudimel;
Audiofile der Melodie im mp3-Format, jeweils externe Links zu liederindex.de
Lied Nr. 523, in: Gesangbuch für die Evangelische Kirche in Württemberg, Stuttgart 1850. Verlags-Comptoir des neuen evangelischen Gesangbuchs. [S. 358, Digitalisat]
Lied Nr. 523, in: Gesangbuch für die Evangelische Kirche in Württemberg, Stuttgart 1864. Verlags-Comptoir des neuen evangelischen Gesangbuchs.
Lied Nr. d337, in: Gesangbuch zum Gottesdienstlichen und Haeuslichen Gebrauch in Mennoniten-Gemeinden. 1. Auflage. Jas. B. Rodgers Co., Philadelphia, 1873.